Wenig Interesse an Elektromobilität in der Öffentlichkeit

Von der Bundesregierung werden Steuermittel in erheblichem Umfang zur Verfügung gestellt, die den strukturellen Wandel im Verkehrssektor hin zu einer nachhaltigen Mobilität unterstützen sollen. Eines dieser Instrumente, die die Forschung und Entwicklung, aber auch Demonstrationsprojekte im Bereich der Elektromobilität voranbringen sollen, ist der Nationale Entwicklungsplan Elektromobilität. Aber weiß denn der Steuerzahler, wofür sein Geld investiert wird? Gibt es seitens des Normalbürgers überhaupt ein Interesse an dieser Technologie? Was denken die Leute, die später mal die Elektrofahrzeuge kaufen sollen, heute über diese Antriebstechnik? Die eTrust-Studie hat über ein Jahr lang untersucht, ob diese Bemühungen beim Verbraucher Früchte getragen haben. Das ernüchternde Ergebnis lautet: Den Menschen ist bislang noch nicht klar, welchen persönlichen Mehrwert sie von der Elektromobilität haben.
Das Thema Elektromobilität ist in den vergangenen Jahren aus den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der großen Konzerne und den Labors der öffentlich geförderten Forschung herausgekommen und auf eine politische Bühne gehoben worden. Durch diese größere Öffentlichkeit, aber auch durch die bevorstehende Möglichkeit, erste Elektroautos tatsächlich kaufen zu können, wurde diese Thematik auch in der deutschen Bevölkerung zunehmend prominenter. Bei aller gegenwärtigen Euphorie über die Vorteile und Zukunftsperspektiven der Elektromobilität gilt es jedoch, die unmittelbaren technologischen, politischen und nachfrageseitigen Umsetzungsbedingungen nicht aus den Augen zu verlieren. Ganz so einfach, wie der derzeitige „Hype“ um Elektrofahrzeuge mitunter suggerieren mag, ist der Umstieg im Mobilitätssektor nicht. Batteriehersteller, Autoindustrie und Energieversorger benötigen noch einige Jahre, bis die Fahrzeug- und Batterietechnologien technisch ausgereift und bezahlbar für einen Massenmarkt zur Verfügung stehen und ein Netz von Ladestationen aufgebaut ist. Insbesondere die Akzeptanz seitens der zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer wird entscheidend für die Entwicklung eines elektromobilen Massenmarktes sein.
Ziel der Studie „eTrust – Leitbilder und Zukunftskonzepte der Elektromobilität“ war es deshalb, die Wahrnehmung der Elektromobilität in der Gesellschaft zu analysieren sowie die heute bestehenden Leitbilder und Zukunftskonzepte der Elektromobilität herauszuarbeiten. Evaluiert wurde dabei, in welchen Kontext Elektroautos und neue Mobilitätskonzepte eingeordnet werden, welche Bilder damit verbunden werden und welche Herausforderungen sich für die Etablierung von Elektrofahrzeugen ergeben könnten. Um die Akzeptanz von Elektroauto und neuen Mobilitätskonzepten bei Endkunden zu hinterfragen, wurden in der eTrust-Studie einstündige Tiefeninterviews mit 24 Bürgerinnen und Bürgern geführt. Weitere 15 Bürgerinnen und Bürgern nahmen an zwei Fokusgruppendiskussionen teil.
Die Studie wurde von April 2010 bis Juni 2011 im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) erstellt und durch die Nationale Organisation für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) GmbH koordiniert. Das Unabhängige Institut für Umweltfragen e.V. führte das eTrust-Projekt gemeinsam mit dem Institut für Transportation Design der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und der Spilett New Technologies GmbH durch.
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass Bürgerinnen und Bürger noch nicht von der Technologie überzeugt sind. Werden sie beispielsweise gebeten, ihre Assoziationen zu Elektroautos zu äußern, fallen ihnen als erstes negative Dinge ein. Bemängelt werden die langen Ladezeiten, die zu geringe Reichweite, die hohen Kosten von Elektrofahrzeugen und das fehlende Tankstellennetz. Negative Assoziationen sind präsenter, vielfältiger und konkreter als die positiven Assoziationen. Der primär wahrgenommene Vorteil des Elektroautos ist seine Umweltfreundlichkeit. Doch wie umweltfreundlich das Fahrzeug tatsächlich ist, hängt von der Herkunft des eingesetzten Stroms ab.
Auch mögliche Probleme beim Batterie-Recycling beeinträchtigen aus Bürgersicht die Umweltfreundlichkeit von Elektroautos. Es wird befürchtet, dass viele Batterien gar nicht zu recyceln sind, und die Gefahr gesehen, dass Altbatterien in die Dritte Welt „entsorgt“ werden. Die bestehenden Unsicherheiten zu Stromherkunft und Batterie-Recycling sind ein Problem, weil damit der Hauptvorteil der Elektroautos, die Umweltfreundlichkeit, auf tönernen Füßen steht. Erwähnenswert ist weiterhin, dass die Sicherheit von Elektrofahrzeugen und Ladesäulen kein nennenswertes Problem für die Akzeptanz zu sein scheint.
Die positiven Eigenschaften der Elektromobilität rufen zudem auf der Seite der Endkunden kaum Kaufbegeisterung hervor. Es fehlen die persönlichen Vorteile sowohl auf der pragmatischen als auch auf der emotionalen Ebene. In der Wahrnehmung potenzieller Endkunden eignen sich Elektroautos aufgrund ihrer Kleinheit und ihrer begrenzten Reichweite weder als Transport- noch als Langstreckenfahrzeug, sondern allenfalls als Stadt- oder Zweitauto.
Darüber hinaus werden Elektroautos kaum mit positivem Fahrgefühl, Spaß und Ästhetik in Verbindung gesetzt. Sie werden als „lahme Krücke“, „Behindertenmobil“ und „Spielzeug, das nicht vom Hof kommt“, beschrieben.
Ganz offensichtlich ist es bis jetzt nicht gelungen, der breiten Bevölkerung eine klare, positive Vorstellung zum Fahrgefühl, Fahrspaß oder Design zu vermitteln. Ein solcher unmittelbar persönlicher Mehrwert könnte jedoch für die Beurteilung von Elektroautos und letztlich für die Kaufmotivation große Bedeutung haben. Hier erscheint es notwendig, Endkunden sehr viel mehr als bislang Gelegenheiten zu bieten, in denen sie Elektroautos unter Alltagsbedingungen „er-fahren“ können.
In den Ergebnissen der Studie zeigt sich, dass die Elektromobilität in der Gesellschaft nicht abgelehnt und vor allem mit Umweltfreundlichkeit, Emissionsfreiheit und weniger Lärm verbunden wird. Die Begeisterung für Elektrofahrzeuge hält sich jedoch in Grenzen. Verglichen mit den Fahreigenschaften herkömmlicher Automobile schneiden Elektrofahrzeuge in den Augen von Endkunden eher schlecht ab. Diesen sind die Reichweiten zu kurz und die Ladezeiten zu lang. Außerdem wird Umweltfreundlichkeit nicht primär als persönlicher Nutzen wahrgenommen.
Wenn es das Ziel ist, dass die Elektromobilität in der Gesellschaft angenommen werden soll, lässt sich auf der Basis der eTrust-Studie sagen: In Zukunft muss bei den Menschen klarer ankommen, was der Mehrwert von Elektromobilität ist, um die oben genannten Unsicherheiten abzubauen. Es muss nicht nur transparenter sein, was Elektromobilität für die Umwelt bedeutet. Es müssen vielmehr die potentiellen Nutzer informiert sein, welchen unmittelbaren sachlichen und emotionalen Nutzen Elektromobilität ihnen bringt, das heißt welche Mobilitätsbedürfnisse damit befriedigt werden können. Die große Herausforderung besteht darin, das Umweltargument zu stärken, indem die Unsicherheiten geklärt und für die Allgemeinheit verständlich kommuniziert werden – ohne dass vereinfachende Lösungen und platte Werbebotschaften geboten werden, die weder den Bürgern noch dem Problem gerecht werden.
Auszug des Fachberichts „Zwischen Hope und Hype“ von Dr. René Zimmer und Nicole Lüdi-Geoffroy vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen e.V. (UfU), erschienen in der HZwei, Januar 2012

NPE übergibt zweiten Bericht an Merkel

Der zweite Bericht der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) ist gestern vom Vorsitzenden des Lenkungskreises, Prof. Dr. Henning Kagermann, an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel übergeben worden. Wie bereits im Vorfeld bekannt geworden war, empfiehlt das Expertengremium in seinem 116-seitigen Bericht eine verstärkte Förderung im Bereich der Forschung und Entwicklung.
Kagermann sprach am Montag von einer „kalkulierbaren Erfolgsstory“ und sagte: „Es ist für alle klar: Elektromobilität wird sich durchsetzen.“ Er geht davon aus, dass es in Deutschland mit einer staatlichen Förderung bis zum Jahr 2014 rund 100.000 elektrische Fahrzeuge gebe, bis 2017 rund 500.000 sein und 2020 dann eine Million. Ohne Förderung sei dies Szenario jedoch nicht realisierbar.
Die Bundesregierung ließ bereits erkennen, dass bis zum Ende der Legislaturperiode eine weitere Milliarde Euro investiert werden solle. Bundesforschungsministerin Prof. Dr. Annette Schavan begründete diese Maßnahme mit den Worten: „Über den Markterfolg der Elektromobilität entscheidet […] die größte technologische Kompetenz. Darum verstärken wir jetzt unsere Forschungsförderung in diesem Bereich. Einen besonderen Schwerpunkt werden wir dabei auf die Batterieforschung legen.“
Ursprünglich hatte es geheißen, dieser zweite Bericht solle gleichzeitig der Abschlussbericht der NPE sein. Nach dem aktuellen Stand soll die Arbeit vorerst noch fortgesetzt werden. In dem Expertengremium saßen verschiedene Vertreter aus Unternehmen, Verbänden und Wissenschaft mit gesellschaftlichen Akteuren an einem Tisch saßen. Dabei wurde von unterschiedlicher Seite das Übergewicht der Industrie bemängelt. Kerstin Haarmann, Bundesgeschäftsführerin des Verkehrs-Clubs Deutschland, kritisierte: „Die Empfehlungen stellen das zwangsläufige Ergebnis dar, welches man erhält, wenn man die betroffene Automobil- und Strombranche relativ ungestört von externer Expertise ihren Subventionsbedarf für bislang unterlassene Investitionen selbst zusammenschreiben lässt.“ Auch Regine Günther, Leiterin für Klima- und Energiepolitik beim WWF Deutschland, klagte, bei dem Bericht handele es sich „fast ausschließlich um ein Industriepapier, in dem sich die beteiligten Industriezweige ihren Subventionsbedarf selbst errechnet haben“. Außerdem bemängelte sie die Intransparenz bei den Kostenberechnungen und auch den Abstimmungsprozessen.
Dennoch konnte als gemeinsamer Nenner festgehalten werden, dass Elektromobilität nur in Verbindung mit der Verwendung von erneuerbaren Energien Sinn mache. Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen sagte dazu: „Die Elektromobilität ist ein zusätzlicher Anreiz zum Ausbau der erneuerbaren Energien und ein wichtiger Beitrag zur Energiewende. Ohne Elektromobilität kann der Verkehrssektor den notwendigen Beitrag zum Klimaschutz nicht erbringen.” Der neu im Amt befindliche Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler erklärte: „Zukunftstechnologien wie die Elektromobilität sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass unsere Wirtschaft erfolgreich ist. Wir wollen bei der Elektromobilität weltweit eine Spitzenstellung einnehmen. Dabei gilt der Grundsatz: Markt und Wettbewerb sind die besten Treiber für Innovationen. Deshalb muss die Hauptverantwortung bei der Wirtschaft und den Unternehmen selbst liegen.“ Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer ergänzte: „Wir setzen auf einen intelligenten Maßnahmenmix aus Forschungsförderung für die Wirtschaft und Anreizen für die Bürger. In dieser entscheidenden Phase der Marktvorbereitung ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen und Fehlentwicklungen kommt. Deshalb lehne auch ich teure Kaufprämien entschieden ab. Gerade in Zeiten knapper Kassen kann es sich kein Land leisten, in einen teuren Subventionswettlauf zu treten.“
Währenddessen hängt beispielsweise die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, nach wie vor an einer Prämie, die jedem Käufer eines E-Autos vom Staat gezahlt werden sollte. Auf dem hochkarätig besetzten des eMobility-Summits, der ebenfalls am Montag vom Berliner Tagesspiegel veranstaltet wurde, sagte sie, 5.000 Euro seien nötig, „weil andere es auch tun.“
Für den morgigen Mittwoch haben die beteiligten Ministerien nun die Verabschiedung eines Regierungsprogramms Elektromobilität quasi als Antwort auf diesen Bericht angekündigt, das Deutschland dem Ziel näher bringen soll, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen zu haben.

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