Qualität statt Quantität

Qualität statt Quantität

Einen interessanten Ansatz für die Themen Weiterbildung und fachlicher Austausch verfolgt das Start-up Hyfindr. Während der Hydrogen Technology Expo Europe in Bremen (s. S. 9) stellte das Jungunternehmen Mitte Oktober 2022 erstmals öffentlich sein neues Konzept vor: Eine Internetplattform mit dem Zweck, die Expertise der Fachkräfte aus der Wasserstoff- und Brennstoffzellenbranche zu nutzen, indem gezielt technische Fachfragen gestellt und diese – so die Hoffnung – auch kompetent beantwortet werden können. In Zeiten, in denen Xing gerade seine Diskussionsgruppen schließt, könnte diese Tech Community ein Forum werden, das weniger auf Quantität, sondern vorrangig auf Qualität setzt. HZwei sprach darüber mit den beiden Gründern Dr. Björn Lüssow und Steven Oji.

Hallo Björn, hallo Steven, ihr habt jetzt gerade in Bremen erstmals euer neues Expertenforum, die Hyfindr Tech Community, vorgestellt. Wie war die Resonanz?

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Björn: Sehr inspirierend, Sven. Fast alle Personen, denen wir die Hyfindr Tech Community vorgestellt haben, waren sofort begeistert und haben sich nach der Messe gleich angemeldet. Es ist jedem Berufsträger in der Wasserstoffindustrie doch sonnenklar, dass die Entwicklung und Implementierung von Projekten mit zahlreichen technischen Herausforderungen verbunden sind. Unsere Tech Community ermöglicht es, technische Fragestellungen schnell und effizient zu klären. Ganz besonders habe ich mich über das positive Feedback von Studenten und jungen Berufsträgern gefreut; es besteht ein enormer Wissensbedarf. Viele möchten in der Wasserstoffindustrie arbeiten und brauchen digitale Tools, um sich schlau zu machen. Hier setzen wir an.

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Vorher habt ihr zunächst nur in kleinem Rahmen einigen wenigen Personen Zugang zu der neuen Plattform gewährt. Warum diese anfängliche Zurückhaltung?

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Steven: Jede Community lebt von dem Engagement ihrer Mitglieder. Nur wenn sich Mitglieder einer Community auch engagieren, das heißt in unserem Fall, auch wirklich bei technischen Fragen helfen, sind andere auch inspiriert, mitzumachen. Niemand möchte Mitglied einer „toten Community“ sein. Aus diesem Grund haben wir erst einmal ganz klein angefangen mit einigen wenigen, hochinspirierten Professionals, die wir schon kannten oder bei denen wir vermuteten haben, dass sie uns helfen werden. Wir haben diese Personen zunächst zu einem Beta-Testing eingeladen und um Feedback gebeten. Uns war klar, dass am Anfang nicht alles gleich optimal ist.

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Unter anderem habt ihr vorab Online-Workshops angeboten, wo ersten Akteuren die verschiedenen Funktionen erläutert wurden. Wie waren die Rückmeldungen?

Björn: Ganz genau, und auch hier haben wir eine Bestätigung erfahren. Wir haben mehrere Video-Meetings mit bis zu zehn Teilnehmern gemacht, um die Ziele unserer Initiative persönlich vorzustellen. Dies war mir auch aus einem anderen Grund ganz wichtig: Nur im persönlichen Austausch bekommt man wirklich ein Gefühl dafür, ob eine Initiative Nutzen stiftet oder ob wir uns da etwas eingebildet haben. Zum Glück war das Feedback – wie bereits gesagt – sehr positiv. Inzwischen haben wir bereits mehrere Hundert Mitglieder, die fleißig technische Fragen diskutieren.

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Verstehe, dann erklärt doch bitte mal kurz, was genau ihr da eigentlich aufgebaut habt und jetzt anbietet.

Björn: Gerne. Communitys sind heutzutage nicht nur eine private Spielerei oder ein Hobby, sie haben inzwischen auch große berufliche Relevanz in vielen Industrien. Das beste Beispiel hierfür ist meines Erachtens Stack Overflow. In diesem Forum helfen sich Hunderttausende Softwareentwickler täglich aus freien Stücken bei Problemen in der Programmierung. Man findet dort mehr als 23 Millionen Fragen und Antworten, und die Community wird jeden Monat mehr als 100 Millionen Mal besucht. Je mehr und je qualifizierter sich ein Mitglied einbringt, desto klarer wird seine Expertise im Profil. Softwareentwickler bewerben sich inzwischen mit der Autorität, die sie sich in der Community Stack Overflow erarbeitet haben, und nicht mehr nur mit Lebensläufen. Mich beeindruckt diese Community sehr und ich habe mich gefragt, wieso es keine vergleichbare Community für die Wasserstoffindustrie gibt, da es doch auch in der Wasserstoffindustrie weltweit derzeit viele Fragen zu beantworten gibt.

Was unterscheidet euer Konzept von Xing, LinkedIn oder anderen Foren?

Steven: LinkedIn und Xing sind primär Marketingkanäle und Plattformen, um geschäftliche Kontakte zu knüpfen. Auf LinkedIn stellt man keine technischen Fragen, oder hast du dort schon einmal eine Frage gesehen wie: „Benötigt jeder Brennstoffzellenstack eigentlich einen Befeuchter?“ Interessant ist auch folgender Unterschied: Gruppen, die zum Beispiel auf LinkedIn gegründet werden, um sich auszutauschen, mutieren, je größer sie werden, zu einem reinen „Newsfeed“. Damit sinkt der Nutzen für das einzelne Gruppenmitglied. Niemand kann doch die ganzen Nachrichten über neue Projekte auf LinkedIn mehr lesen. Bei einem Q&A-Forum wie der Hyfindr Tech Community ist das anders, denn der Wert für das einzelne Mitglied steigt, je größer die Community wird. Bei einer großen Mitgliederanzahl ist die Wahrscheinlichkeit höher, eine Expertin oder einen Experten zu finden für eine ganz spezielle Frage. Eine Person stellt eine Frage, und die Intelligenz der gesamten Community antwortet. In einer Community wie Stack Overflow ist es auch häufig so, dass schon einmal jemand das gleiche Problem hatte und sich deshalb gute Antworten auf das eigene Problem finden lassen. Das ist effizient, und da wollen wir mit der Hyfindr Tech Community auch hin. Es wäre also toll, wenn ganz viele deiner Leser, lieber Sven, sich als Mitglieder registrieren und mitmachen (community.hyfindr.com).

Ihr beide seid zwar schon lange im Wasserstoffsektor aktiv, aber diese Internet-Plattform ist für euch totales Neuland. Björn, was hast du bisher gemacht?

Björn: Ich habe knapp zwanzig Jahre bei Mercedes gearbeitet. Als Anwalt habe ich dort mehr als zehn Jahre kleine und auch sehr große Kooperationen und M&A-Transaktionen (Mergers- und Acquisitions) gestaltet. Meinen Bezug zur Wasserstoffindustrie habe ich im Jahr 2013 bekommen, als ich die Gründung des Joint Ventures H2 Mobility unterstützen durfte. Ich habe mir damals gedacht, dass Wasserstoff unsere Chance ist, aus dem Öl rauszukommen. Unternehmer wollte ich eigentlich schon immer werden, aus diesem Grund habe ich daher damals auch erst meinen Diplom-Kaufmann gemacht, bevor ich mein Jurastudium abgeschlossen habe. Als ich angefangen habe zu studieren, hat mich Wirtschaft eigentlich viel mehr als die Juristerei interessiert. Auch wenn ich keine Ausbildung als IT-Programmierer habe, kann ich dir versichern, dass ich in den letzten drei Jahren im Selbststudium in die IT-Welt richtig „abgetaucht“ bin, um Hyfindr aus der Taufe zu heben.

Und du, Steven?

Steven: Bei Hyfindr vertrete ich eher die technische Ecke und bin, so wie die meisten unserer Angestellten, passionierter Ingenieur. So wie Björn habe ich einige Jahre bei Mercedes-Benz gearbeitet, wo ich zuletzt BZ-Systeme entwickelt habe. Das habe ich danach auch noch in einer weiteren Firma gemacht, bevor ich mich vollends dem Aufbau von Hyfindr und allem damit Verbundenen widmete. Viele Jahre meines Lebens habe ich aus beruflichen oder privaten Gründen in Ländern gelebt, in denen Energieversorgung über Diesel eine notwendige und offensichtliche Selbstverständlichkeit war. Daran wollte ich schon als Kind etwas ändern, denn dass dies viel Lärm und Schmutz erzeugt, hat mich schon damals gestört.

Ihr habt dann gemeinsam Hyfindr gegründet, was ja schon recht gut angelaufen ist. Bitte erklärt kurz, was genau Hyfindr ist.

Steven: Hyfindr.com ist der stark wachsende B2B-Marktplatz für die globale H2-Industrie, auf dem man sehr viele Komponenten, Systeme und Dienstleistungen findet, die jetzt für den Aufbau dieser Industrie benötigt werden. Wir haben besonderen Wert darauf gelegt, dass insbesondere Ingenieure alle relevanten Informationen unmittelbar finden. Ich hatte selbst diese Probleme bei den Brennstoffzellensystemen, die ich entwickelt habe. Es ist noch sehr schwer, passende Komponenten zu finden. Hier setzt Hyfindr an. Produkte können anhand von technischen Kriterien mit ein paar Klicks verglichen und Preisangebote bei Lieferanten effizient angefragt werden. Für Käufer und Verkäufer reduzieren sich so die Kosten der Kontaktaufnahme. Hyfindr.com ist anders als eine Messe 24/7 an 365 Tage im Jahr verfügbar. Uns besuchen Berufsträger, wenn sie einen konkreten Bedarf haben. Wenn wir mit Verkäufern dieser Produkte sprechen, ist unser „Wahlspruch“ deshalb auch: „Wir generieren hochwertige Kundenkontakte, während Sie schlafen!“

Also ist diese neue Plattform jetzt nur eines von mehreren Standbeinen von Hyfindr, richtig?

Björn: Es ist richtig, dass wir mehrere Formate entwickelt haben, aber unser B2B-Marktplatz ist der Kern unseres Geschäftsmodells. Die Hyfindr Tech Community betreiben wir nicht mit ökonomischen Zielen. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass es insbesondere für junge Berufsträger einfach wird, in die H2-Industrie reinzukommen. Aus diesem Grund sind Marketingbeiträge in unserer Community auch verboten. Es geht darum, sich gegenseitig dabei zu helfen, technische Themen zu lösen. In unserem Hyfindr-Knowledge-Hub finden sich zudem bereits mehr als 30 neutrale Artikel, die technische Grundlagen vermitteln. Hier können Berufsträger sich darüber informieren, was man vor einem Kauf von Wasserstofftanks, -filtern oder -kompressoren wissen sollte. Auch diese Wissenssammlung bauen wir weiter aus, und sie ist kostenlos verfügbar auf hyfindr.com.

Wie entwickelt sich denn bislang der dortige Marktplatz?

Steven: Die Entwicklung ist unglaublich. Wir haben ihn im September 2021 veröffentlicht und seither wachsen wir im Durchschnitt jeden Monat zwischen 10 bis 15 Prozent. Inzwischen zeigen mehr als 100 bekannte Marken ihre Produkte und Dienstleistungen. Es besuchen uns jede Woche Tausende Nutzer, die sich dann mehrere Seiten ansehen. Aus diesem enormen Traffic erzeugen wir auch Woche für Woche zahlreiche hochwertige Leads für die Unternehmen. Bisher haben wir meines Erachtens mit Hyfindr aber noch nicht einmal zehn Prozent des Potentials gehoben, da wir noch bekannter werden müssen. Die Entwicklung zeigt aber steil nach oben. Uns unterstützt seit Juni 2022 auch kein geringeres Unternehmen als Google. Wir sind als eines von ganz wenigen Unternehmen in Deutschland in das internationale Programm „Google for Startups“ aufgenommen worden. Dies hilft uns sehr.

Im Vergleich zu den früheren Hypes, die es rund um Wasserstoff gab, was ist aus eurer Sicht heute anders?

Björn: Dieses Mal ist es meines Erachtens eine getragene Entwicklung, da nicht nur Prototypen oder Demonstrationsprojekte freigegeben werden, sondern weltweit strategische Investitionen getätigt werden. In einigen Ländern skaliert die Brennstoffindustrie sogar schon hoch. Die eigentlichen Effekte werden sich aber erst noch in den nächsten Jahren aus der Sektorenkopplung zeigen. Ich bin fest davon überzeugt, dass all jene, die noch zweifeln, ob sich die Wasserstoffindustrie zu einem ähnlichen Wirtschaftszweig wie die Öl- und Gasindustrie entwickeln kann, noch in diesem Jahrzehnt verstummen werden.

Steven: Ich kann dem nur zustimmen, und ich möchte als Ingenieur noch Folgendes ergänzen: Die Energiewende erfordert neue technische Lösungen. Mit der reinen Batterietechnologie werden wir nicht alle benötigten Lösungen bauen können, um „grüner“ zu werden. Die Wasserstoff- und Brennstofftechnologie ist nicht der einzige, aber ein ganz wesentlicher Baustein der Energiewende. Ich habe in Südafrika und Nigeria neben tuckernden Dieselgeneratoren gelebt, die Klimaanlagen und Strom für Laternen erzeugten. So können wir nicht weitermachen global. Aus diesem Grund ist es auch persönlich für mich sehr inspirierend, mit Hyfindr einen Beitrag dazu leisten zu können, die globale Wasserstoffindustrie schneller und besser wachsen zu lassen. Dies treibt mich und auch Björn an.

Wo seht ihr euren Marktplatz und die Tech Community in fünf Jahren?

Steven: Man könnte sagen, dass wir uns auf den Weg gemacht haben, das Amazon der Wasserstoffindustrie zu werden. Mit Hyfindr.com bauen wir also eine digitale Lieferkette für die globale Wasserstoffindustrie auf, damit diese schneller wachsen kann. Berufsträger sollen sich darauf verlassen können, alle verfügbaren Produkte auf Hyfindr zu finden. Alles fängt ganz klein an, nämlich mit ein oder zwei Personen, die eine Idee haben und diese auch konsequent verfolgen. Das machen wir mit Hyfindr.

Björn: Mit unserer Tech Community wollen wir das Stack Overflow der Wasserstoffindustrie werden. Ich verspreche, mich bei dir zu melden, wenn wir einhunderttausend Fragen und Antworten in unserer Hyfindr Tech Community erreicht haben, lieber Sven. Wenn wir dies schaffen, haben wir die Wasserstoffindustrie erheblich beschleunigt. Es ist doch nicht nachvollziehbar, dass wir eine neue Industrie wie die Wasserstoffindustrie nur mit den Tools „von gestern“ bauen. Hyfindr will digitale Tools anbieten, um das Wachstum dieser Industrie global zu fördern. Dafür setze ich mich ein.

Herzlichen Dank für diese Einblicke.

B2B-Marktplatz: www.hyfindr.com, Tech Community: www.community.hyfindr.com

Interviewer: Sven Geitmann

Abb. 1: Steven Oji und Dr. Björn Lüssow (r.)

Quelle: Hyfindr

Wissenschaftler warnen vor zu hohen Erwartungen

Wissenschaftler warnen vor zu hohen Erwartungen

Nach einhelliger Meinung ist Wasserstoff mittlerweile ein neuer Universalenergieträger, der in Gasheizungen, Heizkraftwerken, Autos, Stahlwerken und der chemischen Industrie die bisher genutzten fossilen Energien ersetzen soll. Das sehen auch die Scientists for Future so. In einem jüngst veröffentlichten Policy Paper bringen sie zum Ausdruck, dass Wasserstoff einerseits für eine Energiewende unerlässlich ist, andererseits aber die H2-Nutzung technisch, wirtschaftlich und ökologisch in vielen Bereichen nicht sinnvoll ist. Hier die wichtigsten Absätze dieses Papiers:

Grundsätzlich lässt sich Wasserstoff wie Erdgas in Pipelines oder Tankschiffen transportieren und in Tanks oder Kavernen speichern. Das suggeriert, dass grüner, also elektrolytisch mit regenerativem Strom CO2-frei erzeugter Wasserstoff alle Aufgaben übernehmen könnte, für die wir heute fossile Rohstoffe wie Erdöl und – vor allem – Erdgas einsetzen. Doch das trügt, denn für viele Zwecke ist der Einsatz von grünem Wasserstoff energetisch ineffizient und viel zu teuer. Letztlich werden wir grünen Wasserstoff nur da verwenden können, wo Erdgas und Erdöl nicht durch direkten Stromeinsatz ersetzt werden können oder wo Wasserstoff als Grundstoff dient, wie z. B. in der chemischen Industrie – oder bei der CO2-freien Stahlherstellung. […]

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In einigen Studien der Erdgasnetzbetreiber wird ein klarer Zweckoptimismus deutlich: Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW), der unter seinen Mitgliedern über 2.000 Versorgungsunternehmen versammelt, geht nicht von einer Knappheit an Wasserstoff aus. In einer vom DVGW herausgegebenen Studie wird errechnet, dass dem hohen Bedarf eine genauso hohe Verfügbarkeit von mehr oder weniger klimafreundlichem Wasserstoff gegenübersteht (Gatzen & Reger, 2022). Dem liegt die nicht belegte Annahme einer Importquote von 90 %, also in der Höhe der heutigen Öl- und Gasimporte, zugrunde.

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„Für die Energiewende wird es nicht ausreichen, lediglich einen Brennstoff durch einen anderen zu ersetzen. Die Energiewende erfordert unausweichlich die Abkehr von überkommenen Technologien und Gewohnheiten.“

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Diese optimistischen Annahmen zur Verfügbarkeit vor allem von Importen bilden dabei den Kern des Arguments, dass Wasserstoff sogar für die Wärmeversorgung zur Verfügung stehe: „Entgegen der häufigen Annahme muss Wasserstoff keine Mangelware bleiben. Bereits ab dem Jahr 2030 kann der Bedarf an Wasserstoff mehr als gedeckt werden. Die Menge übertrifft um ein Vielfaches alle gängigen Nachfrageprognosen.“ (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V., 2022, S. 5.) Diese beeindruckend optimistische Vermutung lässt sich weder technisch noch wissenschaftlich bestätigen. […]

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Bis größere Mengen importiert werden können, werden mindestens zehn Jahre vergehen. Und was bezüglich des erhofften Wasserstoffimports oft verschwiegen wird, ist, dass der Transport so aufwändig ist, dass importierter Wasserstoff ein Vielfaches des heutigen Erdgases oder Erdöls kosten wird. Dabei ist es egal, ob der Wasserstoff komprimiert, verflüssigt oder chemisch gebunden transportiert wird.

Die Verwendung von Wasserstoff ist nur sinnvoll, wenn er mit erneuerbarem Strom hergestellt wird (grüner Wasserstoff). Dies ist zukünftig auch die billigste Produktionsmethode. Aus Erdgas hergestellter Wasserstoff (grauer bzw. blauer Wasserstoff) und Wasserstoff aus Methanpyrolyse (türkis) ist wegen der Nutzung von Erdgas sowie der Vorkettenemissionen von Methan nicht klimaneutral, und Atomenergie als Energiequelle der Elektrolyse birgt zu hohe Risiken und Langzeitfolgen, um damit umweltfreundlich Wasserstoff (pink bzw. rosa) herzustellen.

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Betrachtung je nach Anwendungsbereich

In einigen Sektoren zeichnet sich die Notwendigkeit der Verwendung von Wasserstoff bereits ab. Dies betrifft z. B. die Eisen- und Stahlproduktion sowie die chemische Grundstoffindustrie und die Funktion von Wasserstoff als Energiespeicher. Raffinerien benötigen heute Wasserstoff für einige Prozesse, wie z. B. zum Cracken von Erdöl bei der Herstellung von fossilen Kraftstoffen. Dieser Teil des heutigen Wasserstoffbedarfs wird zukünftig entfallen. In anderen Anwendungen konkurriert der Wasserstoff mit anderen guten Lösungen:

In Fahrzeugen, wie z. B. Pkw, ist der Elektroantrieb die effizienteste und praktischste Lösung. Der Antrieb mit Wasserstoff wurde daher von den Herstellern für die Zukunft faktisch bereits aufgegeben (Clausen, 2022). Bei Lieferfahrzeugen, Stadtbussen sowie bei Eisenbahnen stellt sich die Situation ähnlich dar. Selbst bei Langstrecken-Lkw weist das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung darauf hin, dass, falls 2027 die ersten Wasserstoff-Lkw verfügbar sind, bereits die batterieelektrischen Lkw der zweiten Generation auf den Straßen sein werden (Plötz, 2022). Das Zeitfenster für die erfolgreiche Markteinführung von Brennstoffzellen-Lkw wäre damit faktisch geschlossen, und es gäbe für H2-Lkw nur noch eine kleine Nische, nämlich den Transport schwerer Lasten in sehr entlegene Gebiete (Plötz, 2022).

Vergleichbar ist die Situation bei Nahverkehrszügen. Durch fortschreitende Batterietechnik wäre der Einsatz von Wasserstoffzügen nur bei sehr langen Strecken ohne Nachlademöglichkeit als Brückenlösung so lange sinnvoll, bis die Strecken elektrifiziert oder Batteriezüge mit hoher Reichweite verfügbar sind (VDE [Hrsg.], 2019, Soller, 2020). […]

Ähnlich sieht es bei der Erzeugung von Heizwärme und Warmwasser aus. Zahlreiche Studien wissenschaftlicher Institute charakterisieren den Einsatz von Wasserstoff zum Heizen im Vergleich zur elektrischen Wärmepumpe als teuer und ineffizient (für einen Überblick s. Clausen 2022).

In der Schifffahrt stellt sich das Problem der Speicherung großer Energiemengen für lange Nonstop-Fahrten. Hier könnte verflüssigter Wasserstoff die effizienteste Lösung sein. Künstliche Treibstoffe (Power-to-Liquid), die auf Basis von grünem Wasserstoff hergestellt werden, sind in der Regel weniger effizient, da zur Erzeugung ein bzw. mehrere Umwandlungsprozesse nötig sind. Hier wird z. B. Ammoniak diskutiert, da es sehr viel einfacher gespeichert werden kann als Wasserstoff. Die Vorteile flüssiger Treibstoffe in der Hochseeschifffahrt sind so erheblich, dass andere Antriebssysteme nur schwer vorstellbar sind. Auch werden bereits mit Ammoniak versorgte Brennstoffzellen in Schiffen erprobt (Fraunhofer IMM, 2021), was allerdings im Vergleich zum flüssigen Wasserstoff energetisch weniger effizient ist. […]

Einen Sonderfall stellt der „Traum vom klimaneutralen Fliegen“ (Bottler, 2021) dar, den uns die Luftfahrtbranche unter Verweis auf Sustainable Aviation Fuel (SAF) aus Wasserstoff verspricht. Für die Langstrecke ist heute kaum eine machbare Alternative zu fossilem Kerosin außer synthetischem Flugbenzin, ggf. auch biobasiert, bekannt. Aber auch die Verwendung von synthetischem Flugbenzin führt nur zu kleinen Klimaschutzeffekten von etwa 33 Prozent des Treibhausgaseffekts (vgl. Kap. 4). Es wird daher kaum ein Weg daran vorbeiführen, den Flugverkehr radikal einzuschränken, zu elektrifizieren oder lange Zeit auf neue Erfindungen zu warten.

Keine zu großen Erwartungen wecken

Aktuell wird die künftige Nutzung von Wasserstoff viel schneller organisiert als die Herstellung. Damit birgt der schnelle Einstieg in eine vielfältige und intensive Nutzung von Wasserstoff die Gefahr in sich, einen ziemlich direkten Weg in Versorgungsunsicherheit, Verteilungskampf, Kannibalismus zwischen Nutzungen und hohen Preisen zu ebnen. Ein Effekt davon könnte sein, dass klimaschädliche fossile Brennstoffe länger als notwendig benötigt würden.

Eine weitere Gefahr besteht darin, dass Entscheidungsträger und die breite Öffentlichkeit durch Mangel an Informationen oder aufgrund von Wunschdenken davon ausgehen, dass mit Wasserstoff als Energieträger vieles zu gewohnten Kosten beim Alten bleiben könne, wie z. B. Autofahren mit künstlichem Benzin und die Gasheizung mit Wasserstoff im (aufwendig umgerüsteten) Gasnetz. Das könnte dazu führen, dass wir eine teure und ineffiziente Technologie einführen, bloß weil sie einfach und gewohnt erscheint. So würden wir uns auf ein teureres Energiesystem festlegen, statt direkt auf ein preiswerteres und flexibleres weitgehend elektrifiziertes System umzustellen (Zachmann et al., 2022).

Da die Herstellung und der Transport von Wasserstoff mit hohen energetischen Verlusten von mindestens einem Drittel des als Primärenergie eingesetzten grünen Stroms verbunden sind, benötigen wir für eine „Wasserstoffwelt“ erhebliche zusätzliche Mengen an grünem Strom, also viel mehr Windkraftwerke, Photovoltaikanlagen und anderes. Aber schon heute ist nicht klar, wo diese Anlagen alle platziert werden sollen und wer sie mit welchem Material bauen soll.

Selbst wenn der Wirkungsgrad der Elektrolyse sich noch um einige Prozentpunkte steigern ließe, bliebe Wasserstoff überall dort, wo es elektrische Alternativen gibt, eine ineffiziente und teure Lösung.

Beispiel

Würden wir in Europa die industrielle Prozesswärme nicht unter Verwendung von 900 TWh/a Strom elektrifizieren (Madeddu et al., 2020), sondern stattdessen Wasserstoff herstellen und zur Wärmeversorgung verbrennen, so würden für dessen Produktion ca. 1.350 TWh/a grünen Stroms erforderlich sein. Das sind gegenüber dem Weg einer radikalen Elektrifizierung ca. 450 TWh/a mehr und entspricht energetisch ungefähr dem heutigen Stromverbrauch von Großbritannien. Diesen zusätzlichen Energieverbrauch in Kauf zu nehmen, nur um überbrachte Verfahrens- und Verhaltensweisen beizubehalten, ist ökonomisch wie energetisch nicht sinnvoll.

Fazit

Die Politik darf nicht unkritisch Wasserstofftechnologien fördern. Sie muss klar analysieren, in welchen Anwendungsfeldern Wasserstoff eine gute Lösung ist und in welchen es bessere, effizientere und langfristig kostengünstigere Technologien gibt. Mit dem klaren Fokus auf die Förderung von Elektromobilität und Wärmepumpen zeigt die Bundespolitik, dass sie dabei ist, diese wichtige Erkenntnis umzusetzen.

Literatur:

J. Clausen et al. (2022): „Wasserstoff ist unverzichtbar, aber keine Universallösung für die Energiewende“, Policy Paper der Scientists for Future. https://info-de.scientists4future.org/wasserstoff-in-der-energiewende/

Autoren: Scientists for Future

Wie weit ist die „H2-Gesellschaft“ in Japan?

Wie weit ist die „H2-Gesellschaft“ in Japan?

Japan hat sich zum Ziel gesetzt, die erste Wasserstoffwirtschaft der Welt zu werden. Was wurde erreicht, seit das Land 2017 den weltweit ersten nationalen Wasserstoffplan vorgelegt hat? Die Anwenderseite wurde weiter ausgebaut, und auch die Regierung Kishida investiert kräftig in wegweisende Pilotprojekte. Der Fokus liegt aber weiterhin auf dem Import von blauem Wasserstoff. Ein Update zum HZwei-Bericht vom Juli 2021.

Ein eigentlich bereits für 2021 ausgegebenes Etappenziel beim Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur hat Japan im Herbst 2022 erreicht: Stand Oktober waren 163 Wasserstofftankstellen in Betrieb. Für 2025 ist eine Verdopplung auf 320 H2-Tankstellen geplant, im Jahr 2040 sollen es 900 sein. Im April 2022 waren fast 5.270 Brennstoffzellenfahrzeuge auf den japanischen Straßen unterwegs. Bis 2025 sollen es nach den Ausbauplänen der Regierung allerdings 200.000, bis 2040 dann 800.000 sein. Ob sich die 430.000 in Japan installierten Mini-BHKW Ene-Farm in Zukunft wirklich einmal von Gas auf Wasserstoff werden umrüsten lassen, ist fraglich.

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Zwischen 2030 und 2050 soll im Inland eine Elektrolysekapazität von 15 bis 30 GW aufgebaut werden. Die Systemkosten für die Wasserstoffproduktion per Elektrolyse aus erneuerbaren Energien sollen bis 2030 auf 52.000 Yen (ca. 360 Euro) pro kW gesenkt werden. Dabei könnte der geplante massive Ausbau der Kapazitäten zur Offshore- und küstennahen Windkrafterzeugung in Japan helfen. Noch fällt Japan beim Ausbau der Produktion von grünem Wasserstoff im Inland klar hinter die EU oder auch China zurück.

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Um bis 2050 klimaneutral zu werden, investiert auch die Regierung unter Premierminister Kishida weiter kräftig in den Aufbau der Hydrogen Society. „Wasserstoff ist der Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung“, erklärte Eiji Ohira, Generaldirektor der Abteilung für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie der NEDO jüngst auf dem World Energy Storage Day in Indien.

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Im Rahmen des Green Innovation Fund sollen 70 Mrd. Yen in die Entwicklung von Elektrolyseur-Großprojekten zur Wasserstoffproduktion fließen, 300 Mrd. Yen in den Ausbau der Lieferketten, einschließlich Import per H2-Tanker, Transport- und Verflüssigungstechnologien. 26 Mrd. Yen fließen in die Förderung von Demonstrationsprojekten zur H2-Beimischung in Gasturbinen – auch im Ausland.

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Deutsch-japanisches Projekt in Lingen

Mit Unterstützung der japanischen New Energy and Industrial Technology Development Organization (NEDO) entsteht im niedersächsischen Lingen die weltweit erste wasserstofffähige Gasturbine im Industriemaßstab. Mit der Turbine von Kawasaki Heavy Industries soll im RWE Gaskraftwerk Emsland die Rückverstromung von Wasserstoff erprobt werden. Das Vorhaben ist eines der ersten weltweit, bei dem eine Gasturbine 100 Prozent Wasserstoff großindustriell in Strom umwandelt. Die Anlage mit einer Leistung von 34 Megawatt könnte Mitte 2024 in Betrieb gehen. Im Projektverlauf sollen zwei von Kawasaki entwickelte Verbrennungssysteme zum Einsatz kommen. Beide wurden in 1-MW-Varianten bereits in einem Demonstrationsprojekt in Kobe, Japan, erfolgreich getestet. In Lingen würden diese Technologieprinzipien erstmals auf industriellen Maßstab skaliert werden.

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Wasserstoff – übergangsweise auch Ammoniak – soll bis 2050 als eine „dekarbonisierte Stromquelle“ mit zehn Prozent zur Deckung des Strombedarfs dienen. Allerdings ist Wasserstoff auch dafür vorgesehen, die fossile Energieerzeugung zu dekarbonisieren. So sollen ältere Kohlekraftwerke in Japan so umgerüstet werden, dass sie mit einer Mischung aus Kohle und Wasserstoff betrieben werden und dadurch noch weiterlaufen können. Der Vorteil für die Energieunternehmen ist, dass die Kraftwerke, die sie sonst mit Blick auf die CO2-Reduktionsziele schließen müssten, weiterbetrieben werden können.

Fokus weiter auf blauem Wasserstoff

Auf der Versorgungsseite konzentriert sich die japanische Regierung weiterhin auf blauen Wasserstoff, der zwar mit fossilen Brennstoffen erzeugt wird, aber durch Technologien zur CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCU/CCS) klimaneutral oder zumindest „low-carbon“ wird (s. HZwei-Heft Juli 2021). Allerdings ist ein Unsicherheitsfaktor, ob die CCUS-Technologien (Carbon Capture Utilisation and Storage) kostengünstig genug werden und ob es überhaupt genug Speicherkapazitäten im Landesinneren gibt. Geeignete geologische Formationen finden sich weit entfernt von Industriezentren, was den Transport teuer macht. Einige sind zudem erdbebengefährdet.

Außerdem macht sich Japan so erneut von Importen abhängig, wodurch das Problem der Energiesicherheit nicht gelöst wird, die seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine noch höher auf der politischen Agenda steht. Hinsichtlich Dekarbonisierung ist dies kein wirklicher Fortschritt.

Neues von den H2-Demonstrationsprojekten

Auf dem Fukushima Hydrogen Research Field (FH2R) in dem Küstenörtchen Namie sind neben dem 10-MW-Elektrolyseur von Asahi Kasei Freiflächen-Photovoltaikanlagen mit 20 MW und 100 MW entstanden. In einem Modellprojekt wird der lokal erzeugte Wasserstoff über ein H2-Verteilnetz an 22 Gebäude, eine Schule, mehrere Supermärkte und Tankstellen zur Versorgung von 100 Brennstoffzellenbussen geliefert. In den ein bis eineinhalb Stunden entfernten Großstädten Fukushima und Kōriyama wird der Wasserstoff zudem über mobile Tankstationen und stationär in einem öffentlichen Park und einem Großhandelsmarkt eingesetzt. In der jetzt laufenden zweiten Projektphase soll die Präfektur weiter zu einem Innovation Hub für die Hydrogen Society ausgebaut und mehr und mehr regionale Unternehmen und Forschungseinrichtungen einbezogen werden.

Ausgebaut wurde auch das H2-Informations- und -Demonstrationszentrum Hydrogen/Fuel Cell Valley, das etwas außerhalb von Kofu, der Hauptstadt der Präfektur Yamanashi, gelegen ist. Auf dem Berg Komekura ist hier zusätzlich zu der 10-MW-PV-Freiflächenanlage, zu dem Elektrolyseur von Kobelco (1,5 MW) und zu der Wasserstofftankstelle dieses Jahr noch ein weiterer Elektrolyseur von Hitachi Zosen installiert worden, der in mehreren Ausbaustufen bis 2025 auf eine Gesamtkapazität von 16 MW erweitert und 450.000 Nm3 Wasserstoff pro Jahr liefern soll.

Das Fuel Cell Nanomaterials Research Center und das Clean Energy Research Center der örtlichen Universität gehören zu den weltweit führenden und anerkanntesten Institutionen im Bereich Materialinnovationen für Brennstoffzellentechnologie. Das Institut für Technische Chemie und Technische Elektrokatalyse (ITEC) an der TU Braunschweig unterhält schon seit längerem enge Beziehungen zu dem Forschungszentrum in Kofu und baut derzeit gemeinsam mit der Yamanashi University ein German-Japanese Joint Fuel Cell Technology Laboratory auf. Ziel ist die Optimierung der Wasserelektrolyse, der Elektrokatalyse sowie von Wasserstoffanwendungen im Bereich Mobilität, insbesondere durch Materialinnovationen.

FC Expo

In Kofu ist Mitte März 2023 anlässlich der FC Expo in Tokyo ein deutsch-japanischer Expertenworkshop von NEDO und NOW GmbH zum Thema Elektrolysetechnologie geplant.

Autorin: Johanna Schilling ECOS Consult GmbH, Osnabrück

Quelle: ECOS

Hydrogen Valley in polnischer Grenzregion

Hydrogen Valley in polnischer Grenzregion

Die Idee der Hydrogen Valleys – Regionen, in denen die Entwicklung von Wasserstofftechnik gezielt gefördert wird – ist in Polen nicht neu. Es gibt schon einige derartige Projekte, die nicht selten mit einer Strukturförderung für ehemalige Kohleregionen einhergehen. Nun soll ganz im Nordwesten Polens die sechste Wasserstoffförderregion entstehen.

Die Entscheidung für ein Hydrogen Valley auf Usedom und Wollin ist aber im Vergleich zu den anderen Valleys ein Sonderfall in der polnischen Wasserstoffpolitik: Das Gebiet ist relativ klein, die maritime Wirtschaft steht im Mittelpunkt, und die Gasleitungsnetze spielen hier im Gegensatz zu den anderen Fördergebieten eine zentrale Rolle.

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Das Usedom-Wollin Hydrogen Valley will die natürlichen Gegebenheiten und die Infrastruktur der Region voll ausschöpfen. Der Import und die Produktion von Wasserstoff zielen daher darauf ab, die Schiffe auf den Inseln Usedom und Wollin mit diesem Rohstoff zu versorgen.

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Das Memorandum über die Gründung des (auf Polnisch) Usedom-Wolinski Hydrogen Valley wurde am 3. Juni 2022 unterzeichnet. „Die Absichtserklärung ist Ausdruck eines gemeinsamen Verständnisses der Notwendigkeit, Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität und zum Aufbau einer lokalen kohlenstoffarmen Wirtschaft im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu ergreifen, wobei der Schwerpunkt auf der Verwendung von Wasserstoff als Energieträger im emissionsfreien und emissionsarmen Land- und Seeverkehr einschließlich der Speicherung und des Baus von wasserstoffbetriebenen Schiffen liegt“, hieß es dazu in der Veröffentlichung der städtischen Verwaltung.

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Mit Rückhalt der Politik

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Die Förderregion, die sich ganz speziell auf die Stadt Świnoujście und deren direkte Umgebung bezieht, verfügt seit Beginn über den vollen Rückhalt der jeweiligen städtischen Politiker. So erklärte Janusz Żmurkiewicz, Stadtpräsident von Świnoujście: „Unsere lokale Regierung hat in diesem Fall eine partnerschaftliche Rolle. Von Anfang an haben wir die Aktivitäten zur Verwirklichung des Projekts unterstützt. Eine davon war die Unterzeichnung einer Absichtserklärung. Aufgrund der Lage ist Świnoujście prädestiniert für die Realisierung dieser Art von Projekten. Wir haben Bauland, auf dem diese Art von Aktivität ihren Platz finden könnte. In unmittelbarer Nähe dieser Standorte befindet sich ein Flüssiggasterminal, das eine Quelle für Wasserstoff sein könnte, so dass wir – sobald das Projekt realisiert ist – mit höheren Einnahmen für den städtischen Haushalt rechnen.“

Im Rahmen der finanziellen Absicherung der Förderregion wurde eine Zusammenarbeit mit der Bank Gospodarstwa Krajowego (BGK) vereinbart. Die BGK setzt im Auftrag der polnischen Regierung die sogenannte 3W-Strategie (Wasser-Wasserstoff-Kohlenstoff) um. Dabei geht es um die Einführung von Innovationen in der Bewirtschaftung von Wasserressourcen, die Nutzung von Wasserstoff als Teil der Energiewende und die Entwicklung moderner Kohlenstofftechnologien für die Entwicklung innovativer Materialien und Technologien.

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Im Zentrum der wirtschaftlichen Umsetzung und Nutzung steht das Unternehmen Ecoenergy H2, das an diesem Standort die H2-Produktion und -Speicherung, den Export und Import von flüssigem Wasserstoff sowie den Vertrieb von Wasserstoff realisieren möchte. Das Unternehmen will die Synergien der maritimen Region im Hinblick auf die Wasserstoffwirtschaft bündeln. Es geht vor allem darum, die Möglichkeiten des konventionellen Hafens, der Werftindustrie und der LNG-Terminalinfrastruktur optimal zusammenzuführen.

Für Piotr Kosowicz, den Eigentümer von Ecoenergy H2, hat der Standort einen besonderen Vorteil gegenüber den anderen polnischen Wasserstoffregionen: Świnoujście liegt direkt an der Grenze, und Deutschland ist, so Kosowicz, das Land, in dem sich die Wasserstoffindustrie am schnellsten entwickelt.

In dem Geschäftsmodell von Ecoenergy H2 geht es bei der Herstellung von Wasserstoff erst einmal nicht um Elektrolyse, denn Kosowicz will sich zuerst auf die Pyrolyse von Erdgas konzentrieren. Dafür bieten Usedom und Wollin gute Voraussetzungen. Über das Flüssiggasterminal vor Ort kann Erdgas importiert, aber auch Wasserstoff exportiert werden. Ebenso ist eine Zukunftsvariante möglich, bei der Wasserstoff über das Terminal nach Polen transportiert wird. Die auf der Insel Wollin gelegenen Speicheranlagen sind als Vorratsbehälter für das Wasserstoffprojekt gedacht. Der Transport des Wasserstoffs soll über Straßentankwagen, Eisenbahntankwagen und über die Gasleitungen möglich sein. Dazu könnten die Anschlüsse des Gasfernleitungsnetzes vom LNG-Terminal an das nationale Fernleitungsnetz genutzt werden, was eine direkte Einspeisung des Wasserstoffs in das Erdgasnetz ermöglichen würde. Darüber hinaus werden auch Wasserstofftankstellen für Lastwagen und Schiffe entstehen.

Vor Ort sollen Wasserstofftankstellen zur direkten Betankung von Pkw und Lkw bereitgestellt werden: „Unser Endverbraucher ist ein gewöhnlicher Nutzer von Energiesystemen. Deshalb ist es wichtig, dass bei der Umsetzung dieses Projekts die Produktion von Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen zu einem marktfähigen Preis im Vordergrund steht“, erklärte Kosowicz.

Der Geschäftsplan von EcoEnergyH2 und damit die Erfolgsaussichten für das gesamte Baltic Hydrogen Valley hängen jedoch in hohem Maße vom Preis und der Verfügbarkeit von Erdgas ab. Dieser Rohstoff könnte in diesem Fall importiert werden, was die Infrastruktur der Gashäfen erlaubt. Auch die Förderung von begrenzten Gasmengen vor Ort auf der Insel Usedom sollte nicht völlig ausgeschlossen werden. Bis August 2022 hat der polnische Mineralöl- und Erdgaskonzern PGNiG noch keine Genehmigung für die Gasförderung an diesem Standort erteilt, aber auf der deutschen Seite der Insel Usedom hat das französische Unternehmen Engie eine Genehmigung für die Förderung beantragt. Die örtliche Gemeinde lehnte diese Möglichkeit jedoch ab. Laut den Prognosen von Engie befindet sich das Gasfeld nördlich des Strandes von Heringsdorf in einer Tiefe von 2.600 Metern, was bedeutet, dass ein Teil des Feldes bereits auf der polnischen Seite der Grenze liegen könnte. In einem Interview mit der Wasserstoff-Akademie schloss Piotr Kosowicz die Förderung von Gas auf der Insel Usedom jedoch aus, da er die Reserven für zu gering hält.

Autorin: Aleksandra Fedorska

Abb. 1: Alumare-Werft – Sitz von EcoEnergyH2 im Hafen von Świnoujście

Grüner Wasserstoff wird Sonderschwerpunkt der Husum Wind

Grüner Wasserstoff wird Sonderschwerpunkt der Husum Wind

Die WindEnergy in Hamburg und die Husum Wind in Nordfriesland finden jeweils in zweijährigem Wechsel statt – in der Hansestadt eher international, in der „grauen Stadt am Meer“ eher national ausgerichtet. Zur Bedeutung von Wasserstoff für Husum befragte HZwei im Oktober 2022 die dortige Messegesellschaft.

H2-Müllwagen auf dem Husumer Messegelände

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Inwieweit wird Wasserstoff in Zukunft eine Rolle bei der Husum Wind spielen?

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Aufgrund der zentralen Bedeutung für den Industriestandort Deutschland ist das Thema Grüner Wasserstoff erneut Sonderschwerpunkt der Husum Wind im nächsten Jahr. Mit einer erstmals separaten Wasserstoff-Themenfläche in Halle 5 sowie einem dazugehörigen Forenprogramm schafft die Messe eine eigene Plattform und bietet Vernetzungsmöglichkeiten zwischen den führenden Technologieunternehmen in diesem Sektor und Endabnehmern.

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Wird es eine Weiterführung der ehemaligen New Energy geben?

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Die New Energy wurde 2018 das letzte Mal durchgeführt und es wird sie in dieser Form nicht mehr geben. Vom 9. bis 12. März 2023 werden in Husum dafür die Future Energy & Mobility Days stattfinden. Es ist die erste Messe, die alle Zukunftstechnologien aus dem Mobilitäts- und Energiebereich an einem Ort präsentiert – vom E-Roller bis zur riesigen Landmaschine, von der Wallbox bis zur Photovoltaik- und Kleinwindanlage. Zukunft zum Anfassen und Ausprobieren. Neben der großen Ausstellung stehen Informationen und Konferenzen zu den bewegenden Themen der Zukunft auf dem Programm.

In welchem Rahmen soll in den nächsten Jahren die watt_2.0-Konferenz durchgeführt werden?

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Auch 2023 setzen watt_2.0 und Husum Wind ihre Kooperation fort. Die H2.0-Konferenz „Grüne Wasserstoff-Wirtschaft in den Regionen“ von watt_2.0 wird im Rahmen der Husum Wind am Vor-Messetag, dem 11. September 2023, stattfinden. Am ersten Messetag wird die Konferenz „Industry meets Renewables“ abgehalten, und während der gesamten viertägigen Messelaufzeit wird es ein offenes Fachforum geben.

Noch haben wir die Wahl

Noch haben wir die Wahl

Dieses Buch ist bereits heute – nicht nur in „Klimakreisen“ – ein Spiegel-Bestseller, obwohl es in ungewohnter Form daherkommt. Es ist kein „Erklärtext“, sondern ein Gespräch – kein Interview, weil beide Akteure gleichberechtigt den jeweils anderen ausfragen, selbst aber auch viele persönliche Details preisgeben.

Im Zentrum der Betrachtung steht der sich seit Pandemiebeginn vollziehende Wandel vom vorherigen theoretischen in den praxisorientierten Teil der sozial-ökologischen Transformation – vom reinen Reden zum Machen. Neubauer nennt dies den „materiellen Wandel“.

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Dabei kommt die Aktivistin stets deutlich länger zu Wort als ihr Gesprächspartner, während dieser, der Journalist Ulrich, im Vergleich dazu häufig leicht provozierende Anmerkungen einstreut, was durchaus unterhaltsam ist. Insgesamt lässt sich dieses „Gespräch über Freiheit, Ökologie und den Konflikt der Generationen“ sehr gut lesen, da es Perspektiven und Potentiale aufzeigt – denn „noch haben wir die Wahl“. Absolut empfehlenswerte Lektüre.

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Neubauer, Luisa; Ulrich, Bernd; Noch haben wir die Wahl, Tropen Verlag, ISBN 978-3-608-50520-7, 2022

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