Grüner Wasserstoff aus dem Nordwesten

Grüner Wasserstoff aus dem Nordwesten

Mit dem Projekt „HyWays for Future“ wird im Nordwesten Deutschlands in einem Netzwerk aus rund 250 Akteur:innen der Markthochlauf von regenerativ erzeugtem Wasserstoff vorangetrieben. Ziel ist es, langfristig klimafreundlichen Wasserstoff in den Bereichen Industrie, Energieversorgung und Verkehr zu etablieren. Im ersten Schritt liegt der Fokus dabei auf der Anwendung von Wasserstoff im Mobilitätssektor. Im Rahmen des Projektes soll – neben vielen anderen Vorhaben – in die Errichtung von Wasserstofftankstellen und mobilen Speichern, in die Anschaffung von Wasserstoffbussen für den öffentlichen Personennahverkehr und von Reinigungsfahrzeugen sowie in wasserstoffbetriebene Pkw investiert werden.

Wasserstoff als Energieträger ist ein wesentlicher Baustein der Energiewende, und der Nordwesten der Bundesrepublik ist prädestiniert für eine starke, nachhaltige Wasserstoffwirtschaft, für einen regelrechten Wasserstoff-Hub. Schwerpunkt der H2-Modellregion ist die Metropolregion Nordwest mit den Städten Cuxhaven, Wilhelmshaven, Bremerhaven, Oldenburg und Bremen.

Überregionaler Wasserstoff-Hub

Das HyWays-Gebiet bietet die besten Voraussetzungen, eine Vorreiterregion für Wasserstoff im Verkehrssektor zu sein. Durch die Vielzahl von Windenergieanlagen an Land und auf See wird der hier verbrauchte Strom bereits heute zu fast hundert Prozent erneuerbar erzeugt. Daneben befinden sich in der Region auch Kavernen zur Speicherung des Wasserstoffs und eine Vielzahl an potenziellen Abnehmern. Somit ermöglicht eine Wasserstoffwirtschaft ein enormes Potential für neue Wertschöpfung in der Region. Daran knüpft das Projekt an.

HyWays for Future ist auf zwei Säulen aufgebaut: dem Umsetzungsprojekt und dem Innovationscluster.

HyFri – Wasserstoffbusse für den Landkreis Friesland

Der Landkreis Friesland gestaltet den ÖPNV durch den Einsatz von zunächst fünf Wasserstoffbussen zukünftig teilweise emissionsfrei und macht dieses Projekt zum Startschuss für einen Ausbau der lokalen Wasserstoffwirtschaft. Der Projektname HyFri steht dabei für Hydrogen und Friesland und verweist so auf die regionale Wertschöpfungskette und Verankerung. Mit Wasserstoffbussen, betrieben vom Regionalbusunternehmen Weser-Ems-Bus, startet der Einsatz von grünem Wasserstoff in der Region. Denn gerade der Verkehrssektor hat sehr große CO2-Einsparpotenziale.

Getankt werden die Busse an einer neuen Wasserstofftankstelle, die verkehrsgünstig in Schortens errichtet werden soll. Betrieben wird diese Tankstelle von einer neuen Betreibergesellschaft, die von den Partnern Weser-Ems Busverkehr GmbH, EWE AG und der Unternehmensgruppe Gödens eigens gegründet wird. HyFri wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr im Rahmen des Projektes HyWays for Future gefördert.

Grüner Wasserstoff aus dem Nordwesten

SLRV – leichter Zweisitzer mit Brennstoffzelle

Das Safe Light Regional Vehicle (SLRV) wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt im Rahmen des Forschungsprojektes Next Generation Car (NGC) entwickelt. Es adressiert Bedenken zur Sicherheit heutiger Leichtfahrzeuge mit einer neuartigen Metall-Sandwich-Bauweise. Zusammen mit einem innovativen Einstiegskonzept, dem hocheffizienten H2-Brennstoffzellenantrieb und dem crashoptimierten Fahrwerk können so anspruchsvolle Ziele hinsichtlich Gewicht (450 kg), Sicherheit, Energieverbrauch und Herstellungskosten erreicht werden.

Die Karosserie des zweisitzigen SLRV ist 3,8 Meter lang und niedrig gehalten, um einen möglichst geringen Luftwiderstand zu erreichen. Zudem ist ein geringes Gewicht entscheidend für einen niedrigen Energieverbrauch. Auch bei elektrifizierten Fahrzeugen mit Rekuperation können, je nach Fahrzyklus, bis zu 93 Prozent des Energieverbrauches gewichtsabhängig sein [FRI2010]. Eine geringe Karosseriemasse ermöglicht es außerdem, kleine und kostengünstige Antriebskomponenten zu verwenden, und führt so zu sekundären Leichtbaueffekten [vgl. ECK2011].

Nach ersten Simulationsergebnissen verbraucht das SLRV voraussichtlich nur halb so viel Wasserstoff wie ein konventioneller Pkw mit Brennstoffzellenantrieb.

Sandwichbauweise: leicht, günstig, sicher

Um das Ziel einer leichten und sicheren Bauweise, die trotzdem kostengünstig ist, zu erreichen, wurde die sogenannte metallische Sandwichbauweise entwickelt (s. Abb. 2): Die Bauteile bestehen aus metallischen Decklagen und Kunststoffschaum als Kernwerkstoffen. Der Vorder- und der Hinterwagen des SLRV sind aus Sandwichplatten zusammengesetzt und dienen als Crashzonen (vgl. [BRU2017]). Dort ist auch ein Großteil der Fahrzeugtechnik untergebracht.

Die Fahrgastzelle besteht aus einer Wanne mit einer aufgesetzten Ringstruktur. Diese nimmt die Kräfte auf, die während der Fahrt auf das Auto wirken, und schützt die Insassen bei einem Crash. Durch die Wanne können Baugruppen, die in der Fahrgastzelle einer konventionellen Karosserie einzeln vorkommen, wie zum Beispiel Stirnwand, Rückwand, Schweller oder Boden, zu einer einzelnen Baugruppe zusammengefasst werden, was die Komplexität sowie die Anzahl der Fügestellen deutlich reduziert.

Ähnliche Vorteile bietet die Verwendung der nach oben öffnenden Haube in Verbindung mit einem Überrollbügel: Durch sie können Türen, Dachholme, A- und C-Säulen und Dachstruktur zu einer Baugruppe verbunden werden. Bisher kommen Strukturen aus Sandwich-Materialien noch nicht in der Serienfertigung von Fahrzeugen vor. Das DLR hat ihr Potenzial aufgezeigt und arbeitet im nächsten Schritt daran, die dazugehörigen Fertigungstechnologien zu optimieren.

Grüner Wasserstoff aus dem Nordwesten

Britische Gigafactory

Mit Hilfe der britischen Regierung soll in England eine Großfabrik für die Produktion von Komponenten für den Wasserstoff- und Brennstoffzellenmarkt entstehen. Johnson Matthey (JM) beabsichtigt, eine solche 80 Mio. Pfund teure Gigafactory an seinem Standort in Royston aufzubauen.

Das britische Technologieunternehmen hatte Anfang dieses Jahres das Ziel ausgegeben, „Marktführer bei Leistungskomponenten für Brennstoffzellen und Elektrolyseure“ zu werden und bis Ende 2024/25 mehr als 200 Mio. Pfund Umsatz mit H2-Technologien zu erzielen. In diesem Rahmen sollen bis zum ersten Halbjahr 2024 zahlreiche hochqualifizierte Arbeitsplätze in der Fertigung entstehen.

Das britische Government hat Unterstützung aus dem Automotive Transformation Fund (ATF) zugesagt, damit jährlich 3 GW an PEM-Brennstoffzellen-Stacks für Wasserstofffahrzeuge hergestellt werden können. Bis 2035 wird im Vereinigten Königreich ein Bedarf von jährlich 14 GW an Brennstoffzellenstapeln und 400.000 Hochdruck-Kohlefasertanks prognostiziert.

Liam Condon, Vorstandsvorsitzender von Johnson Matthey, erklärte: „Die Dekarbonisierung des Güterverkehrs ist von entscheidender Bedeutung, um der Gesellschaft und der Industrie zu helfen, ihre ehrgeizigen Netto-Null-Emissionsziele zu erreichen. Brennstoffzellen werden ein entscheidender Teil der Energiewende sein.“ Der britische Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng sagte: „Wir arbeiten hart daran, dass das Vereinigte Königreich von der grünen industriellen Revolution profitiert, und die heutige Ankündigung bekräftigt den Ruf des Vereinigten Königreichs, einer der besten Standorte der Welt für die Herstellung hochwertiger Fahrzeuge zu sein.“

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Wälzlager für kryogenen Wasserstoff

Tiefkalter Wasserstoff stellt besondere Herausforderungen an die eingesetzten Komponenten, insbesondere wenn sie sich bewegen. Die Kugellager von Tauchpumpen zur Förderung kryogener Medien sind solch stark beanspruchte Teile. Deswegen hat die in Tokio beheimatete Firma NSK selbstschmierende Rillenkugellager entwickelt, die ohne separates Schmiermittel auskommen.

Andere reibungsmindernde Mittel als die Fördermedien kommen nicht zum Einsatz, was tribologisch ungünstig ist. Pumpen, die für Tieftemperaturanwendungen konzipiert sind, verfügen deswegen über eine zweifache Lagerung der Pumpenwelle, wobei die Innen- und Außenringe aus speziellem korrosionsbeständigem Stahl gefertigt werden. Diese Edelstahllager weisen einen verschleißfesten Käfig aus selbstschmierendem Fluorkunststoff (Phenol-Hartgewebe) auf, so dass kryogene Gase wie GH2 (gaseous hydrogen) oder LNG (liquefied natural gas) bei bis zu -200 °C gefördert werden können.

Der europäische Wälzlagerhersteller NSK Europe Ltd. führt mittlerweile eine ganze Baureihe von Rillenkugellagern, die eigens für diese ungewöhnlichen Betriebsbedingungen ausgelegt sind, im Sortiment – mit Wellendurchmessern von 30 bis 100 mm. Sie halten sowohl tiefen Temperaturen als auch Drehzahlen bis 3.600 min-1 stand und sind sowohl in Wasserstofftankstellen als auch für größere Pumpstationen geeignet.

Quelle: NSK

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Schneller Markteintritt mit Partner Symbio

Interview mit Benjamin Daniel von Schaeffler Automotive Technologies

Im Juni 2022 hat der Automobilzulieferer Schaeffler mit Symbio, einem Joint Venture von Michelin und Faurecia, das Gemeinschaftsunternehmen Innoplate zur BPP-Produktion „der nächsten Generation“ gegründet. Benjamin Daniel, Leiter des Geschäftsbereichs Brennstoffzelle bei Schaeffler Automotive Technologies, erläutert die neuen Optionen.

HZwei: Bipolarplatten gelten als strategische Komponente des Brennstoffzellensystems. Wie gehen Sie bei Schaeffler die Herausforderungen bei der Herstellung an? Welche Kompetenzen bringen Sie hier schon mit?

Daniel: Um Brennstoffzellensysteme in großen Stückzahlen einzusetzen, ist eine effiziente und wirtschaftliche Großserienfertigung der Komponenten wie der BPP der Schlüssel. Diese Industrialisierung steht im Zentrum der Schaeffler-Strategie und ist wichtiger Teil der Roadmap 2025. So können die Kosten von Brennstoffzellen-Stacks und -systemen insgesamt reduziert werden. Als ein weltweit führender Automobil- und Industriezulieferer verfügen wir über eine umfassende Kompetenz im Bereich der Präzisions-Umformungstechnik und -Stanztechnik sowie über fundiertes Prozess-Know-how für die Großserienfertigung von metallischen Bipolarplatten. Wir verwenden diese sowohl für die Elektrolyse als auch als Schlüsselelement der Brennstoffzellen-Stacks. Schaefflers hohe Fertigungstiefe im Bereich Umformungstechnik und anspruchsvolle Beschichtungsverfahren bilden die Grundlage für das fundierte Prozess-Know-how für die Großserienfertigung von Bipolarplatten.

Welche Rolle spielt hier Ihr Joint Venture mit Symbio?

Gemeinsam sehen wir ein enormes Potenzial in der sich entwickelnden Wasserstoffwirtschaft. Durch den Aufbau dieses deutsch-französischen Projekts wird zudem die europäische Wertschöpfungskette für Mobilität durch Wasserstoff gestärkt. Wir werden bis Ende des Jahres den Betrieb des Joint Ventures unter dem Markennamen Innoplate aufnehmen und die Produktion von Bipolarplatten der nächsten Generation für den gesamten Markt von Brennstoffzellen mit Protonenaustauschmembran forcieren. Dadurch profitieren Kunden zukünftig in diesem Bereich von erhöhter Leistung, größeren Kapazitäten und einem geringeren Preis. Das Joint Venture ermöglicht uns zudem einen schnellen Markteintritt mit einem führenden Brennstoffzellenanbieter als Partner.

Was ist hier der aktuelle Stand und was werden die nächsten Schritte sein?

Wir entwickeln zurzeit die Fertigungsprozesse in unserem Kompetenzzentrum für Wasserstofftechnologie in Herzogenaurach und bauen die Fertigung am Standort des Joint Ventures in Haguenau in Frankreich auf. Am Produktionsstandort in Haguenau wollen wir anfänglich vier Millionen Bipolarplatten pro Jahr herstellen und haben das Ziel, bis 2030 jährlich rund 50 Millionen Platten zu produzieren. Dann sollen 120 Mitarbeitende in diesem Bereich arbeiten. Die Kunden des Joint Ventures sind Schaeffler und Symbio. Symbio hat bereits von einem führenden Fahrzeughersteller einen ersten Auftrag als wesentlicher Zulieferer für ein Brennstoffzellensystem erhalten. Es ist vorgesehen, dass das Joint Venture hierfür die Bipolarplatten herstellt.

Autor: Michael Nallinger

Abb.: Benjamin Daniel, Leiter des Geschäftsbereichs Brennstoffzelle bei Schaeffler Automotive Technologies
Quelle: Schaeffler

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