EU-Projekte zeigen Notwendigkeit neuer Sicherheitsvorkehrungen
Mit Spannung sind die Ergebnisse der EU-Projekte HyResponder und HyTunnel-CS erwartet worden. In diesen beiden Projekten haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Experten aus der Industrie, der Feuerwehr und von Forschungseinrichtungen mit Bränden und Unfällen bei Wasserstoffanwendungen beschäftigt. Nunmehr ist bei der International Fire Academy (IFA) nachzulesen: „Wasserstoff-Fahrzeuge in Tunneln – große Gefahr für Einsatzkräfte!“
Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) hat die Bundesregierung einen Handlungsrahmen für die künftige Erzeugung, den Transport, die Nutzung sowie die Weiterverwendung von Wasserstoff und damit für die entsprechenden Innovationen festgelegt. Wasserstoff kann einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten – als Kraftstoff für Autos, als Rohstoff für die Industrie oder als Brennstoff für Heizungen. Als vielseitiger Energieträger ist er in allen Sektoren einsetzbar und übernimmt somit eine Schlüsselfunktion in der Energiewende.
In Power-to-Gas-Anlagen wird grüner Wasserstoff CO2-neutral aus erneuerbaren Energien gewonnen, die sich so effektiv im Gasnetz speichern und transportieren lassen. Entsprechend euphorisch sind die Vertreter dieser Technologie.
Wasserstoff ist allerdings – hier genügt ein Blick in das Sicherheitsdatenblatt – ein extrem entzündbares Gas, das nunmehr immer häufiger und in größeren Mengen gelagert und transportiert wird. Damit sind die Feuerwehren und Behörden in Genehmigungsverfahren und zwangsläufig auch bei Einsätzen konfrontiert, wie nachfolgende Meldungs-Beispiele zeigen:
- Lastwagen gerät an Wasserstofftankstelle in Brand
- Zwei Schwerverletzte nach Wasserstofftank-Explosion
- Wasserstofftankstelle explodiert
- Schwierige Bergung – Unfall mit „Wasserstoff-Fahrzeug“
Herkömmliche Kraftstoffe wie Benzin und Diesel sind im Einsatzgeschehen der Feuerwehren bekannt. Bisher spielen alternative Kraftstoffe wie verflüssigtes Erdgas (Liquefied Natural Gas – LNG) oder Wasserstoff dabei eine noch sehr untergeordnete Rolle. Daher sind die Erfahrungen von Einsatzkräften damit auch eher gering.
Nun hat die Energiewende an Fahrt aufgenommen. Bedingt durch den Ukraine-Konflikt steigt die Nachfrage nach LNG und Wasserstoff stark an. Dazu kommt, dass die Erdgasnetze zukünftig mit Wasserstoff betrieben werden sollen. Zunächst mit einer Zumischung. Eine Vielzahl an technischen Regelungen und Forschungen ist dafür notwendig und wird derzeit schon in den Gremien abgestimmt und etabliert.
Das erfordert bei den Behörden und Einsatzorganisationen entsprechende Ressourcen für die Bearbeitung und für die Aus- und Fortbildung sowie für spezielle Einsatzmittel.
Wir beobachten, dass Wasserstoffanwendungen bereits etabliert sind, die Einsatzkräfte jedoch oft noch nicht über die entsprechenden Fähigkeiten zur Gefahrenabwehr verfügen.
EU-Projekte HyResponder und HyTunnel-CS
Im Rahmen des HyResponder-Projekts wurde in den letzten Jahren ein „European Emergency Response Guide“ entwickelt. Dieser wird gerade auf Länderebene präsentiert. In Deutschland fand die Veranstaltung dazu Ende Mai 2023 in Oldenburg statt, um die vorgeschlagenen Reaktionen auf „Wasserstoff im Einsatzfall“ in die Deutschen Fachkreise der Brandbekämpfung zu kommunizieren, in Österreich gab es die entsprechende Veranstaltung bereits im April.
Das wichtigste Ergebnis des europäischen Forschungsprojektes HyTunnel-CS, in dem die IFA die Perspektive der Feuerwehren vertrat, ist: „Gegen Rauch, Hitze und Stichflammen können sich Feuerwehr-Einsatzkräfte schützen, nicht aber gegen die Druckwelle von Explosionen von Wasserstofffahrzeugen in Tunneln. Deshalb gilt es, sicheren Abstand zu halten. Wie aber sollen dann Menschen gerettet und Brände wirksam bekämpft werden? Auf diese Frage gibt es noch keine befriedigende Antwort – obwohl immer mehr wasserstoffbetriebene Fahrzeuge zugelassen werden. Deshalb müssen die Feuerwehren jetzt sofort an geeigneten Lösungen arbeiten.“
Neben den Empfehlungen aus den Forschungsprojekten gibt es national und international noch andere wichtige Einsatzhilfen, wie etwa die ISO 17840 als erste weltweite Norm für die Feuerwehren. Zu wissen, wie die Energie in einem Fahrzeug gespeichert wird, kann den Unterschied bedeuten zwischen einem erfolgreichen Einsatz und einer möglicherweise unerwarteten Explosion, einem Gasaustritt, einer Stichflamme oder einem tödlichen Stromschlag.
Mehrere Hunderttausend Benutzer haben die Euro Rescue App heruntergeladen. Sie bietet Zugriff auf 1.400 Fahrzeugrettungsblätter in vier Sprachen. Der Internationale Feuerwehrverband (CTIF) forciert die Verbreitung und die Nutzung.
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Einsatzkräfte den Fahrzeugtyp identifizieren können. Bei Bränden etwa in Tunneln oder Tiefgaragen ist das sehr schwer. Darauf zielt auch die erwähnte Aussage der IFA ab, denn die Einsatzkräfte gehen wie gewohnt vor und treffen dann plötzlich auf ein Brennstoffzellenfahrzeug. Selbst wenn das richtige Rettungsdatenblatt gefunden wird, sind die Informationen, etwa über notwendige Sicherheitsabstände für die Einsatzkräfte beim Brand des H2-Fahrzeuges, „ausbaufähig“.
Bei Bränden und Unfällen ist zu beachten, dass immer ein Szenario zu betrachten ist. Dazu zählt zwingend die Umgebung der Einsatzstelle, die bei den Einsatzplanungen mitzuberücksichtigen ist. Der Brennstoffzellenbus brennt beispielsweise nachts in der Garage, weil er neben einem brennenden anderen Fahrzeug steht. Der H2-Bus ist dabei nicht die Ursache, aber er verschärft das Szenario wesentlich. Es sind zwei grundlegende Bereiche zu betrachten: Die Wasserstoffanlage (H2-Bus, H2-Pkw) ist selbst die Ursache, oder – das ist wahrscheinlicher – die Wasserstoffanlage wird durch ein externes Ereignis betroffen. Im Genehmigungsverfahren müssen beide Varianten betrachtet werden.
Künstliche Intelligenz hat großes Potential
Auf der anderen Seite stehen durch neue Anwendungen der Digitalisierung, insbesondere durch die künstliche Intelligenz (KI), künftig Möglichkeiten rascher Informationsbeschaffung zur Verfügung, um die Gefahrenabwehr zu unterstützen. Viel kritisiert ist die lange Bearbeitungszeit bei den Behörden für ein Genehmigungsverfahren. Hier verspricht die Politik eine wesentliche Beschleunigung. Gerade hier kann mit KI viel Zeit gespart werden.
Insbesondere kann die Feuerwehr mit einem geeigneten KI-Modul die eingereichten Unterlagen schnell analysieren und die Plausibilität prüfen. Für Einsätze in Explosionsbereichen können Roboter und Drohnen – mit KI – entscheidende Vorteile bringen. So kann ein Roboter beispielsweise eine Tiefgarage einscannen. Insbesondere können Brennstoffzellenfahrzeuge in Tiefgaragen und Tunnelanlagen ohne Gefährdung des Einsatzpersonals identifiziert werden.
Ein Lösungsansatz wäre es, Fahrzeuge mit alternativen Kraftstoffen mit einem Chip auszustatten, damit der Roboter oder die Drohne Fahrzeuge rascher identifizieren kann. Mit Messtechnik am Roboter könnte man auch den Austritt von Wasserstoff detektieren.
Explosionslagen können in der Realität nicht geübt werden, daher bieten sich für das Training Virtual Reality (VR) beziehungsweise Augmented Reality (AR) an. Wie Abbildung 3 zeigt, kann man bereits mit herkömmlichen, kostenfrei zugänglichen Programmen ein brauchbares Einsatzleiter-Training realisieren.
Gratwanderung
Wenn die Feuerwehr eine Aus- und Fortbildung sowie spezielle Einsatzmittel benötigt, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass die H2-Technik fehlerhaft oder anfällig wäre. Es sind die neuen Szenarien (Massenunfall im Tunnel mit beteiligten H2-Lkw oder -Bussen), die das Risiko für die Einsatzkräfte wesentlich erhöhen.
Das alles ist in der Umsetzung „politisch brisant“, denn eigentlich sollte es bei Wasserstoff ja möglichst keine Probleme geben. Finanzielle Mittel für die Gefahrenabwehr sind „eher nicht“ vorgesehen. Die Einsatzorganisationen sind zunehmend mit einer Vielzahl an neuen Technologien und Energieträgern konfrontiert. Während der Umstellungsphase sind viele verschiedene Energieträger parallel in Anwendung. Für die Mitarbeiter im vorbeugenden Brand- und Gefahrenschutz sowie in der Einsatzplanung bedeutet das zurzeit häufig noch Neuland und „Learning by doing“. Der Arbeitsschutz ist dabei nicht nur für die H2-Tankstellenmitarbeiter und für die Fahrer der Tankwagen sicherzustellen, sondern auch im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung für die Einsatzkräfte.
Wie viel Fortbildung wollen wir unseren Feuerwehrangehörigen zukommen lassen? Derzeit gibt es noch keine speziellen Übungsanlagen in Deutschland. Die deutsche Innenministerin warnt vor „Anschlägen“ auf die Energieinfrastruktur, und auch gewalttätige Aktionen von Aktivisten sind zu berücksichtigen. Da ist nun die Einsatzplanung der Feuerwehr gefordert. Alternative Energien sind „eng“ damit verzahnt: Für die Gefahrenabwehr ist es sinnvoll, Synergieeffekte zu nutzen, beispielsweise sollten die Themen LNG und CNG bei den Wasserstofffortbildungen gleich mit eingebaut werden.
Literatur
- mdr.de/nachrichten/sachsen/chemnitz/zwickau/brand-tankstelle-lkw-zapfsaeule-meerane-100.html
- kleinezeitung.at/oesterreich/5779092/Niederoesterreich_Zwei-Schwerverletzte-nach-WasserstofftankExplosion
- heise.de/autos/artikel/Wasserstofftankstelle-in-Norwegen-explodiert-4445144.html
- noen.at/moedling/schwierige-bergung-unfall-mit-wasserstoff-fahrzeug-gumpoldskirchen-wasserstoff-bergung-133570154
- ifa-swiss.ch/magazin/detail/wasserstoff-fahrzeuge-in-tunneln-grosse-gefahr-fuer-einsatzkraefte
- ISO 17840: Die erste weltweite Norm für Feuerwehren | CTIF – International Association of Fire Services for Safer Citizens through Skilled Firefighters
- Petter, F.: First on site: Decision-making training for incident commanders in vehicle fires, interne Studie, unveröffentlicht
- 000 Nutzer haben die Euro Rescue App heruntergeladen – Zugriff auf 1.400 Fahrzeugrettungsblätter in 4 Sprachen | CTIF – Internationaler Verband der Feuerwehren für sicherere Bürger durch qualifizierte Feuerwehrleute
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