Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

1. August 2023

Titelbild: Lorenz Jung

Bildquelle: H2 Mobility Deutschland/Max Jackwerth

Wichtiger strategischer Shift

Interview mit Lorenz Jung, Sprecher von H2 Mobility Deutschland

Seit Jahren arbeitet H2 Mobility am Auf- und Ausbau der Infrastruktur für Wasserstofftankstellen. Trotz ehrgeiziger Ziele wurde die 100-Stationen-Marke immer noch nicht überschritten. Es werden zwar weitere neue H2-Tankstellen aufgebaut und eingeweiht, aber in gleichem Maße auch alte abgebaut. Sechseinhalb Jahre nach der Gründung vollzog H2 Mobility Deutschland im April 2023 einen Führungswechsel: Nikolas Iwan, der die Gesellschaft von Anbeginn an alleine leitete, wechselte in den Beirat, dessen Vorsitz er im Laufe des Jahres übernehmen soll. Iwan wurde von einem dreiköpfigen Geschäftsführer-Team abgelöst. HZwei sprach mit dem CCO und Sprecher Lorenz Jung über die Gründe für diese Umstrukturierung sowie die weiteren Ziele des Unternehmens.

HZwei: Herzlichen Glückwunsch nachträglich zu Ihrer Beförderung und Ihrer neuen Position bei der H2 Mobility Deutschland GmbH & Co. KG. Wie fühlt es sich an, jetzt in der ersten Reihe zu stehen?

Jung: Sehr gut! Man merkt aber auch sehr schnell, dass der Wind dort etwas kräftiger weht.

HZwei: Sie sind quasi seit der Gründung der H2 Mobility mit dabei und haben sich rasch hochgearbeitet. Anfangs waren Sie die Teamleitung für den Netzaufbau, 2021 wurden Sie Chief Projects Officer (CPO) und 2022 Chief Commercial Officer (CCO). Jetzt sind Sie auch Managing Director und Sprecher des Unternehmens nach außen. Kam die Berufung zum Geschäftsführer überraschend, oder haben Sie quasi darauf hingearbeitet?

Die Entscheidung von Nikolas Iwan hat uns tatsächlich überrascht. Das Management Team – Frank Fronzke, Martin Jüngel und ich – waren uns aber sehr schnell einig, dass wir die Geschäftsführung gemeinsam übernehmen wollen.

Sie haben vor Ihrer Zeit bei H2 Mobility bei Siemens Energy und Linde gearbeitet. In welcher Weise können Sie Ihre damaligen Erfahrungen in Ihre heutige Arbeit mit einbringen?

Es hilft mir in der Tat sehr, dass ich viel Vorerfahrung und Kenntnisse sowohl im Anlagenbau, in der Gasindustrie als auch im Stromerzeugungs- und Stromübertragungsbereich habe sammeln können. Denn bei H2 Mobility geht es im Kern nicht nur um das große Thema Verkehrswende, vielmehr ist sie Teil der großen Energietransformation. Es hilft also zu verstehen, wie große Energiemengen transportiert und gelagert werden können und welche Vor- und Nachteile Moleküle bzw. Elektronen haben.

Sie sagten gerade selbst, dass Sie sich die Geschäftsführung teilen: Frank Fronzke kam von Praxair und ist seit 2016 Chief Operation Officer (COO). Martin Jüngel wechselte 2020 von Air Liquide als Chief Financial Officer (CFO) zu H2 Mobility. Beide sind bislang öffentlich noch nicht so richtig in Erscheinung getreten. Was können Sie uns über beide noch berichten?

Ich bin sehr froh und dankbar, die Geschäftsführung mit diesen beiden Kollegen zu teilen. Beide sind in ihren Fachbereichen absolute Vollprofis. Uns drei verbindet vor allem die Leidenschaft, das Thema Wasserstoff in der Mobilität mit unserem Unternehmen zum Erfolg zu führen. Frank Fronzke, unser COO, ist ein genialer Ingenieur. Er hat es mit dem Operations-Team in den letzten Jahren geschafft, die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit unseres Wasserstofftankstellennetzes trotz etlicher Herausforderungen auf ein sehr hohes Niveau zu heben. Dank des nun entstehenden Wettbewerbs wird man das bald erst so richtig wertschätzen können. Frank zeichnet aus, dass er für jedes noch so komplizierte technische Problem mit viel Kreativität, Ehrgeiz und Weitsicht eine Lösung findet.

Martin Jüngel ist als CFO das Mastermind hinter unseren Zahlen. Er verantwortet nicht nur die Unternehmensfinanzen, er ist auch für Buchhaltung, Controlling und IT, Einkauf und öffentliche Fördermittel verantwortlich. Martin kombiniert Überblick und Weitblick und kann dies sehr gut vermitteln. Mit Scharfsinn und Sorgfalt räumt er so alle kaufmännischen Hürden aus dem Weg.

Wie wird Ihre Aufgabenteilung aussehen?

Jeder behält im Prinzip die Verantwortung für seinen bisherigen Aufgabenbereich. Martin übernimmt zusätzlich die Sprecheraufgabe in Richtung unserer Gesellschafter. Bei der bunten und nicht gerade kleinen Runde eine große Aufgabe. Frank konzentriert sich komplett auf die technischen Themen. Daher haben wir dort nun auch die Projektabwicklung angesiedelt. Ich kümmere mich als Sprecher der Geschäftsführung um die Vertretung von H2 Mobility nach außen, bin außerdem für Vertrieb, Kunden, Produkt- und Projektentwicklung sowie Digital Solutions und Personal verantwortlich.

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Fronzke, Jung, Iwan, Jüngel (v. l.)

Können Sie uns etwas darüber sagen, welche Rolle Nikolas Iwan zukünftig einnehmen wird? Auf seinem LinkedIn-Profil steht: „in transition“. Ist schon klar, wohin er wechseln wird?

Für uns bleibt er als Chairman of the board erhalten. Da er diese Rolle aber erst offiziell im Sommer antritt, ist „in transition“ eine zutreffende Beschreibung.

Kommen wir von den Personalien zu den Inhalten: Wie ist der aktuelle Stand beim Aufbau einer H2-Betankungsinfrastruktur in Deutschland?

Wie Sie aus der Presse entnehmen können, steigen nun immer mehr Unternehmen in den Markt ein. Ein sehr gutes Zeichen. Bis allerdings aus Ankündigungen auch erste Wasserstofftankstellen werden – also für Kunden zur Verfügung stehen –, braucht es Zeit, wie wir aus Erfahrung wissen.

Warum kommt es da nun schon seit Jahren nicht voran? Werden Sie als Dreier-Team jetzt eine andere Strategie verfolgen als zuletzt? Wenn ja, welche?

Gemessen an der Stückzahl mag dieser Eindruck entstehen. Tatsächlich hat sich aber die Voraussetzung geändert. Als H2 Mobility angetreten ist, hat man sich auf einen H2-Pkw-Markt vorbereitet. Die Idee war, schnell viele, kleine Stationen zu errichten. Nun entwickelt sich der Nutzfahrzeugmarkt wesentlich schneller als erwartet. Größere Fahrzeuge mit größerem Bedarf müssen jetzt an weniger, dafür aber zentraleren und robusteren Stationen teilweise mit einer anderen Technologie versorgt werden. Wir bauen entsprechend nicht einfach das Netz weiter aus, sondern rüsten dort nach, wo H2-Nutzfahrzeuge angekündigt sind. Außerdem sind unsere neuen Stationen mit einer bis zu 15-mal größeren Kapazität eine andere Dimension.

Im Februar 2023 hieß es in Ihrer Pressemeldung, dieser Geschäftsführerwechsel stelle den Abschluss einer grundsätzlichen Neuausrichtung dar. Dazu gehörte unter anderem die Aufnahme des mittlerweile achten Gesellschafters Hy24. Was bedeutete deren Einstieg für H2 Mobility?

Der Abschluss der letzten Finanzierungsrunde und der Beitritt von Hy24 markiert tatsächlich einen wichtigen strategischen Shift: Unser Ziel ist es, unser Wasserstofftankstellennetz wirtschaftlich und damit nachhaltig zu betreiben. Nach den ersten Jahren, in denen es in erster Linie um den Nachweis der technischen Machbarkeit ging, ist das eine andere Ausrichtung. Damit geht eben auch einher, dass wir uns auf absatzstarke Nutzfahrzeugtankstellen mit gasförmigem Wasserstoff konzentrieren. Im Übrigen: Hy24 ist der erste Finanzinvestor, der nur in H2-Projekte investiert. Und dass wir dort als erstes Unternehmen zum Zuge kamen, ist ein großer Vertrauensvorschuss. Es zeigt auch, dass Wasserstoff auch in der Mobilität ein wichtiger Bestandteil der Verkehrs- und Energiewende ist.

Gab es noch weitere Umstrukturierungsmaßnahmen?

Bis auf die oben erwähnten, nein.

Wie sehen Sie die Rolle anderer Akteure, die jetzt ebenfalls verstärkt H2-Tankstellen installieren möchten? Verfolgen Sie weiterhin Ihren bislang kooperativen Ansatz oder sehen Sie GP Joule, Maximator usw. als Konkurrenten?

Wir freuen uns, dass es nun auch andere Unternehmen wagen. Das zeigt, dass nun der Markthochlauf beginnt. Wo es geht, arbeiten wir gerne zusammen. Wettbewerb vergrößert aber auch das Angebot für die Kunden und gibt uns die Chance, uns mit den Produkten der Konkurrenz zu messen. Ich bin sehr gespannt auf die ersten Auswertungen und den direkten Vergleich.

Letzte Frage: Wie groß ist der Anteil von grünem Wasserstoff an Ihren Tankstellen heute und wie wollen Sie bis 2028 hundert Prozent erreichen?

Vorneweg, es ist gut und wichtig, dass es endlich mit der Verabschiedung des Delegated Acts Klarheit darüber gibt, was mit grünem Wasserstoff gemeint ist. Der Anteil an grünem Wasserstoff ist abhängig von den Quellen in der Nähe unserer Wasserstofftankstellen noch sehr unterschiedlich. Bis 2028 ist nicht mehr viel Zeit. Viele der grünen Wasserstoffquellen sind erst im Aufbau. Mit der Nachfrage können wir diesen unterstützen. Es gibt also ein gegenseitiges Interesse, Abnahmeverträge abzuschließen. Da wir unser Netz mittelfristig ausschließlich mit grünem Wasserstoff betreiben wollen, sind wir schon länger an diesem Thema dran. Wir sprechen mit potentiellen, aber auch unseren bestehenden Lieferanten und ersetzen Stück für Stück alte Lieferverträge durch neue. Hier ist der Einkaufspreis teilweise (noch) eine große Herausforderung. Mit dem THG-Quotenhandel wird aber das richtige Werkzeug angesetzt, um die H2-Kosten zu senken.

HZwei: Herzlichen Dank für das Interview.

Hy24
Im März 2022 hat H2 Mobility Deutschland eine Kapitalerhöhung über 110 Mio. Euro durchgeführt, an der sich neben den industriellen Alt-Gesellschaftern Air Liquide, Daimler Truck, Hyundai, Linde, OMV, Shell und TotalEnergies auch Hy24 beteiligte. Hy24 ist ein 50/50-Joint-Venture zwischen Ardian, einem weltweit führenden privaten Investmenthaus, und FiveT Hydrogen, einer Investitionsplattform für sauberen Wasserstoff. Gemeinsam steuern sie 70 Mio. Euro zu der Kapitalerhöhung bei. Das Geld soll für den Bau neuer Wasserstoffstationen verwendet werden. Ziel sind 300 Stationen bis 2030.

Hy24 fungiert als Fondsmanager für den Clean H2 Infra Fund, die – nach eigener Aussage – weltweit größte Investitionsplattform für sauberen Wasserstoff. Eingerichtet wurde dieser Fonds auf Initiative von Air Liquide, TotalEnergies und VINCI Concessions sowie von Plug Power, Chart Industries und Baker Hughes. Außerdem beteiligen sich industrielle Ankerpartner wie LOTTE Chemical oder Snam, Enagás und GRTgaz, finanzielle Ankerinvestoren wie AXA, CCR und JBIC sowie weitere Investoren (Groupe ADP, Ballard, EDF, Schaeffler). Der Fonds strebt ein Volumen von 1,5 Mrd. Euro an.

Pierre-Étienne Franc, CEO von Hy24 und Manager von Clean H2 Infra Fund S.L.P., sagte: „Wasserstoff ist ein entscheidender Bestandteil der ‚Fit-for-55‘-Pläne der Europäischen Union, die durch den jüngsten REPowerEU-Vorschlag noch unterstrichen wurden. Unsere Investition an der Seite von Pionieren unterstützt auch die Bemühungen der Europäischen Kommission, die Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) umzusetzen, um das europäische Wasserstofftankstellennetz maßgeblich auszubauen. Das passt zu unserem Bestreben, als Katalysator einer Wasserstoffwirtschaft in großem Maßstab zu fungieren – und zwar über die gesamte System- und Wertschöpfungskette hinweg, um einen echten Wandel für unseren Planeten zu erreichen.“

Kategorien: 2023 | Deutschland | Meldungen

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