Methan ohne Wasserstoff

Methan ohne Wasserstoff

Synthetische Energieträger wie künstlich hergestelltes Methan können Ökoenergie transportierbar und langfristig speicherbar machen. Das Problem: Die Herstellung ist mit relativ hohen Energieverlusten verbunden. Bisherige Verfahren benötigen zudem eine zusätzliche Aufreinigung des Methans. Forschende der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) wollen das ändern. Sie haben nun ein neues Konzept für die Methanisierung entwickelt.

Künstlich erzeugtes Methan zählt zur Kategorie synthetischer Gase – und es bietet ein enormes Potential, wenn es aus atmosphärischem CO2 und erneuerbar erzeugtem Wasserstoff hergestellt wird. Die Methanisierung stellt jedoch einige Herausforderungen dar: Die katalytische Umwandlung von Wasserstoff und CO2 zu Methan führt zu einem Produkt, das noch Wasserstoff und gegebenenfalls auch CO2 enthält. Das verhindert eine direkte Einspeisung ins Gasnetz.

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Direkte Einspeisung ins Erdgasnetz

Schweizer EMPA-Forschende um Florian Kiefer haben deshalb ein neues Reaktorkonzept entwickelt. Das wasserstofffreie Methan wird durch eine sogenannte sorptionsverstärkte Methanisierung erzeugt. Die Idee dahinter: Das bei der Reaktion entstehende Wasser wird während des Prozesses auf einem porösen Katalysatorträger fortlaufend adsorbiert. Dieser kontinuierliche Wasserentzug führt dazu, dass als Produkt nur Methan anfällt. Damit entfällt die Aufreinigung des Produktegemisches. Das Katalysatorträgermaterial wird nach Ende der Reaktion mittels Druckabsenkung wieder getrocknet und steht für den nächsten Reaktionszyklus bereit.

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Bereits seit drei Jahren forscht das Team an einem neuen Reaktorkonzept mit sogenannten Zeolith-Pellets. Diese dienen als poröser Katalysatorträger und adsorbieren gleichzeitig das während der Methanisierungsreaktion entstehende Wasser. „Wir erreichen eine relativ hohe Reinheit des Produktes durch den Effekt der sorptionsverstärkten Katalyse“, so Florian Kiefer, der Projektverantwortliche für die Methanisierung. „Das bedeutet, wir verschieben das Reaktionsgleichgewicht der Sabatier-Reaktion durch eine kontinuierliche Entnahme eines Teils der Produkte.“

In diesem Fall wird das Wasser entzogen. So entsteht nahezu reines Methan oder eben CH4. „Die Entnahme des Wassers findet im Reaktor kontinuierlich durch Adsorption auf dem Katalysatorträger statt“, beschreibt Kiefer. Um dies zu erreichen, muss der Katalysatorträger eine hohe Wasseraufnahmekapazität haben.

Was machen Zeolith-Pellets?

Mit dem verwendeten Zeolith kreieren die Wissenschaftler am EMPA genau diese Eigenschaft der Speicherung. Zeolithe verfügen über eine hohe Wasseraufnahme, selbst unter den Bedingungen, unter denen die Reaktion stattfindet. Doch was ist das für ein Material? „Zeolithe sind kristalline mikroporöse Alumosilikate mit großer innerer Oberfläche“, beschreibt der Wissenschaftler, „und daher kommt die hohe Wasseraufnahmekapazität.“

Das Adsorbieren des Wassers ist unter anderem für die Einspeisung ins Gasnetz, die Verflüssigung zu LNG oder auch zur Nutzung in CNG-Fahrzeugen wichtig. Je nach Anwendung werden unterschiedliche maximale CO2– und H2-Anteile vorgeschrieben, die man mit möglichst geringem energetischem Aufwand zuverlässig erreichen möchte. Darüber hinaus ist eine möglichst vollständige Umwandlung der Ausgangsstoffe H2 und CO2 wichtig für die Gesamteffizienz des Prozesses. „Alternativ wäre natürlich eine Abtrennung und Rückführung von Wasserstoff und CO2 möglich, was allerdings mit energetischem und technischem Aufwand verbunden ist“, erklärt Kiefer.

Einer der entscheidenden Vorteile des neuen Reaktorkonzepts ist der hohe Methananteil im Produktgas, der ohne Gasrückführung auskommt. Zudem kann der Prozess sowohl bei niedriger Teillast als auch bei schwankender Zufuhr von CO2 und H2 stabil betrieben werden. Diese Lastflexibilität ist insbesondere für die Kopplung mit erneuerbaren Energien wichtig.

Elektrolyseur toleriert keine Unreinheiten

Das Wasser muss zur Elektrolyse im PEM-Elektrolyseur aufbereitet werden (z. B. durch Umkehrosmose), denn der Elektrolyseur toleriert keine Unreinheiten, da diese die Membranen schädigen würden. Für die Bereitstellung des Wasserstoffs für die Methansynthese könne allerdings auch eine andere Elektrolysetechnologie verwendet werden, berichtet Kiefer. Um 1.000 kg Wasserstoff zu erzeugen, benötigt man rein rechnerisch 8.936 kg Wasser. Wird aus dem Wasserstoff Methan erzeugt, kann theoretisch die Hälfte des Wassers wieder zurückgeführt werden.

Synfuels lassen sich in herkömmlichen Benzin-, Diesel- oder Gasfahrzeugen nutzen. Ein Nachteil sind allerdings die hohen Umwandlungsverluste. Bei der Herstellung der Synfuels aus erneuerbarem Strom geht derzeit rund die Hälfte der Primärenergie verloren. Diese Verluste können laut Angaben des EMPA in Zukunft voraussichtlich auf 40 bis 45 Prozent gesenkt werden. Der synthetische Kraftstoff ist deshalb nur dort sinnvoll, wo eine direkte Elektrifizierung nicht möglich ist. Mögliche Einsatzbereiche wären der Lastverkehr, Frachtschiffe und Flugzeuge.

Bei allen Verlusten haben Synfuels aber auch einen Vorteil: Sie lassen sich einfach über weite Strecken transportieren. Und so könnten auch weit entfernte Erneuerbare-Energie-Ressourcen, z. B. in Wüstengebieten, erschlossen werden. Die synthetischen Energieträger können dann auch über längere Zeiträume verlustfrei gespeichert werden. Sie stellen damit einen interessanten Puffer für ein regeneratives Energiesystem dar – das schon in weniger als drei Jahrzehnten komplett oder fast komplett erneuerbar sein soll.

Vom Labor zur Industrieanlage

Noch spielt sich all dies im Labor ab. Im Fokus des neuen Verfahrens stand aber von Anfang an die Skalierung. Die Forschenden haben also ein Konzept gesucht, das auch in Großanlagen umsetzbar ist. Finanziell unterstützt wurde das Projekt unter anderem durch den Kanton Zürich, Avenergy Suisse, Migros sowie Lidl Schweiz, Armasuisse und Swisspower. Zudem hat die EMPA mit verschiedenen Industriepartnern zusammengearbeitet.

Entscheidend für die Reaktorauslegung und Prozessplanung ist dabei vor allem die Regenerationszeit, also die für die Trocknung des Reaktors benötigte Zeit. Um eine kontinuierliche Methanproduktion zu gewährleisten, müssen deshalb mindestens zwei Reaktoren abwechselnd arbeiten. Für die Trocknung der Reaktoren ist zudem ein geeignetes Wärmemanagement zentral, entweder durch die Ableitung der Wärme aus dem Reaktor oder durch die interne Speicherung von Wärme im Katalysatorbett. In diesem Bereich hat Kiefers Team ein Patent angemeldet. Details dazu will oder kann er jedoch noch nicht verraten.

„Für die Wasserstofferzeugung benötigt man neben erneuerbarer Elektrizität aber auch viel Wasser“, weiß Kollege Christian Bach, Leiter der Abteilung für Fahrzeugantriebssysteme. In einem Mobilitätsdemonstrator soll deshalb neben dem CO2 auch das Wasser für die Wasserstoffherstellung mithilfe eines CO2-Kollektors des Spin-offs Climeworks der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) direkt vor Ort aus der Atmosphäre gewonnen werden. Solche Konzepte wären dann künftig auch in Wüstenregionen ohne flüssige Wasservorräte umzusetzen. Das Schweizer Start-up Climeworks betreibt mit Orca in Island bereits eine Anlage mit einer jährlichen Abscheidekapazität von 4.000 Tonnen CO2 aus der Luft (s. Kasten).

Climeworks will CO2 aus der Luft holen

Diese neudeutsch bezeichnete CO2-Direct-Air-Capture-Anlage basiert auf dem Prinzip der selektiven Adsorption von CO2 in einem Material, das mit Luft durchströmt wird. Neben CO2 wird hierbei auch Wasser aus der Luft aufgenommen. Durch eine Temperaturerhöhung wird das aufgenommene CO2 wieder aus dem Material ausgetrieben und in reiner Form für die Methanisierungsanlage bereitgestellt. Dabei wird Strom für die Ventilatoren benötigt, um die Zirkulation des Luftstroms zu gewährleisten. Zum Austreiben des adsorbierten CO2 ist eine Wärme von rund 100 °C erforderlich. „Diese Wärme stellen wir mindestens zur Hälfte mit Abwärme aus dem Gesamtprozess zur Verfügung“, erklärt Kiefer. Zudem bringt eine Wärmepumpe die Abwärme des Elektrolyseurs auf das benötigte Temperaturniveau.

Ende 2023 soll der Demonstrator in Betrieb gehen. Die nächsten Schritte in der Entwicklung stünden schon fest, berichtet Kiefer: Optimierung des gesamten Betriebsablaufs und des lastflexiblen Betriebs sowie die Einbindung der Methanisierung in den Gesamtprozess. Eine genaue Beurteilung der Energieeffizienz wird erst dann möglich sein.

Climeworks startet erste Großanlage zur Abscheidung

Im September 2021 hat Orca ihren Betrieb auf Island aufgenommen. Hierbei handelt sich aber nicht um einen großen Schwertwal, wie der Name suggerieren könnte, sondern um eine Anlage zur direkten Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid. Laut der Schweizer Firma Climeworks handelt es sich um die weltweit größte Abscheideanlage ihrer Art.

Die Anlage besteht aus acht Sammelbehältern mit einer jeweiligen Abscheidekapazität von 500 Tonnen jährlich. Die Container sind um eine Prozesshalle herum angeordnet. In dieser ist die gesamte Elektrik der Aufbereitungseinheit untergebracht, so dass diese auch aus der Ferne bedient und gesteuert werden kann.

Die erforderliche Wärme und Elektrizität für den Prozess der Lufterfassung kommt direkt vom Geothermiekraftwerk Hellisheidi. Die Orca nutzt also reine Ökoenergie für die Abscheidung. Dabei wird das konzentrierte CO2 in der Erde gespeichert. Durch eine natürliche Mineralisierung reagiert der Kohlenstoff mit Basaltgestein und versteinert so innerhalb weniger Jahre. Mitte 2022 wurde der Baustart für einen weiteres Projekt auf Island verkündet. Die neue Anlage heißt: Mammut.

Autor: Niels Hendrik Petersen

Ein riesiger Hebel, den es nun zu nutzen gilt

Ein riesiger Hebel, den es nun zu nutzen gilt

Kürzlich hat die Bundesregierung den Entwurf für eine Richtlinie zu Klimaschutzverträgen, auch Carbon Contracts for Difference (CCfD) genannt, vorgelegt. Wer seine Produktion klimafreundlich macht, soll auf der Basis eines 15-jährigen Vertrags zwischen Staat und Betrieb sowohl Geld für Investitionen als auch jährlich Mittel für die teurere grüne Produktion bekommen. Ziel der Maßnahme ist vor allem, die Umsetzung zu ermöglichen und zu beschleunigen. Interessant ist dieses Instrument unter anderem für die Transformation der Industrie in Richtung einer grünen Wasserstoffwirtschaft. Dr. Uwe Lauber, Vorstandsvorsitzender der MAN Energy Solutions, bewertet das Instrument aus Sicht eines Anlagenherstellers.

HZwei: Wie bewerten Sie diesen Aufschlag zu Klimaschutzverträgen aus der Bundespolitik?

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Dr. Lauber: Wir sehen die von der Bundesregierung geplanten Klimaschutzverträge als einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Der deutsche Industriesektor hat 2021 120 Mio. Tonnen CO2 ausgestoßen. Hier hat die Politik einen riesigen Hebel, den es nun zu nutzen gilt. Wichtig ist, dass Unternehmen, die auf CO2-ärmere oder CO2-freie Technologien umsteigen, in einem marktkonformen Rahmen vor wirtschaftlichen Nachteilen geschützt werden. Die geplanten Klimaschutzverträge geben eine solche Perspektive, werden sich aktuell aber nur auf einige wenige Industrieunternehmen beschränken.

Unter anderem muss laut Entwurf nach zwei Jahren die geförderte Anlage im Vergleich zur herkömmlichen Technologie eine CO2-Ersparnis von 60 Prozent erzielen. Zudem wird gefordert, mit der eingesetzten Technologie oder dem Energieträger theoretisch eine Reduktion um 95 Prozent zu ermöglichen. Inwieweit sehen Sie die Vorgaben als realistisch an? Sind diese zu hochgesteckt oder könnten sie sogar noch ambitionierter sein?

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Technologisch ist diese Zielerreichung möglich, denn die Technologien zur CO2-Vermeidung liegen bereits vor und sind ausgereift. Wichtig ist, dass die Messlatte mit Augenmaß und wirtschaftlichem wie technischem Sachverstand gelegt wird. Entscheidend für die deutsche Volkswirtschaft ist im Moment, dass es endlich gelingt, industrielle Großprojekte auf den Weg zu bringen – etwa im Bereich der Wasserstoffwirtschaft, synthetischen Kraftstoffe oder der CO2-Abscheidung.

Welche weiteren Verbesserungsvorschläge für den Richtlinienentwurf haben Sie?

Der aktuellen Fassung zufolge werden nur einige wenige große Industriebetriebe von den Klimaschutzverträgen profitieren. Das ist sinnvoll, um Erfahrungen mit dem neuen Instrument zu sammeln und Projekte mit besonders großer Hebelwirkung vorrangig anzustoßen. Mittelfristig müssen Klimaschutzverträge aber auch für kleine und mittelgroße Industrieunternehmen möglich werden. Wir dürfen zudem nicht aus den Augen verlieren, dass ein wirkungsvoller CO2-Preis nach wie vor der bedeutendste und marktgängigste Hebel ist. Derzeit ist aber der Preis deutlich zu niedrig.

Wie wichtig ist das Thema Geschwindigkeit? Wie schnell sollte die Richtlinie in Kraft gesetzt werden?

Die Zeit läuft uns davon und wir müssen endlich anfangen, klimafreundliche Technologien in industriellen Größenordnungen umzusetzen. Nur so können wichtige Betriebserfahrungen gewonnen und vor allem Skaleneffekte erzielt werden, die lang- und mittelfristig zu Kostensenkungen und Wettbewerbsvorteilen führen und letztlich gut bezahlte Industriearbeitsplätze sichern und schaffen. Die aktuellen Pläne der Bundesregierung zu Klimaschutzverträgen sind ein Schritt in die richtige Richtung.

Details des Entwurfs zu Klimaschutzverträgen (Carbon Contracts for Difference, CCfD)

Laut dem Ende vergangenen Jahres vorgelegten Entwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hinsichtlich einer Förderrichtlinie sollen sich Unternehmen in Ausschreibungen für Klimaschutzverträge bewerben können.

•           Dabei handelt es sich um Verträge zwischen dem Staat und einem Unternehmen für die klimafreundliche Produktion eines Gutes. Dies gilt etwa für den Wechsel vom Hochofen auf die Direktreduktion mit Wasserstoff in der Stahlerzeugung.

•           Solch ein Vertrag garantiert dem Unternehmen für einen Zeitraum von 15 Jahren eine Ausgleichszahlung, die es für die höheren Kosten der klimaneutralen Produktion entschädigt. Gleichzeitig sichert er das Unternehmen gegen Schwankungen des CO2-Preises und andere Risiken ab.

Die Umsetzung soll an diverse Kriterien gebunden sein:

•           Für das Vorhaben muss grüner oder blauer Wasserstoff als Energieträger vorhanden sein bzw. muss der eingesetzte Strom aus erneuerbaren Energien stammen.

•           Wer einen Vertrag abschließt, ist gefordert, seine Anlage innerhalb von zwei Jahren in Betrieb zu nehmen.

•           Die CO2-Ersparnis im Vergleich zu herkömmlichen Technologien muss nach zwei Jahren bei 60 Prozent liegen, und mit der eingesetzten Technologie oder dem Energieträger muss theoretisch eine Reduktion um 95 Prozent möglich sein.

•           CO2-Zertifikatepreis als Gradmesser: Laut Entwurf endet die staatliche Förderung dann, wenn während der Vertragslaufzeit der tatsächliche CO2-Preis den bei Abschluss zugrundeliegenden Preis übersteigt.

•           Der Einsatz von Biomasse soll nur in Ausnahmefällen förderfähig sein.

Inwieweit gehen Sie davon aus, dass diese Fördermaßnahme dazu geeignet ist, Projekte im Bereich grüner und blauer Wasserstoff konkret anzureizen? Wie würde sich der Markt ohne solche Maßnahmen entwickeln?

Die spannende Frage ist: Wie vermeidet man das sogenannte Henne-Ei-Dilemma, bei dem potenzielle Hersteller von Wasserstoff ihre Investition an eine gesicherte Nachfrage knüpfen, die potenziellen Abnehmer ihre aber wiederum an ein gesichertes Angebot. Hier können Instrumente, die entsprechende Investitionen anregen, helfen.

Unter anderem soll auch die CO2-Verpressung im Untergrund gefördert werden. Wie bewerten Sie diese Maßnahme? Welche Potenziale sehen Sie hier etwa in puncto Wirtschaftlichkeit und Realisierbarkeit, auch im Vergleich zu Wasserstoff?

Wasserstoff und Carbon-Capture-Technologien (CCUS) gehen ein Stück weit Hand in Hand. CCUS ist nicht nur unverzichtbar, um unvermeidbare Restemissionen zu eliminieren, sondern die Technologie kann auch die Basis einer CO2-Kreislaufwirtschaft bilden, die die Abscheidung, anschließende Nutzung und erneute Abscheidung von CO2 sicherstellt − eine Art Pfandsystem. CO2 ist beispielsweise ein wichtiger Rohstoff, um grünen Wasserstoff in dringend benötigte synthetische Kraftstoffe umzuwandeln.

Welche Chancen eröffnet das Instrument für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau, etwa beim Bau von Elektrolyseuren?

Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau ist bereits führend bei der Wasserstoff- und auch CCUS-Technologie. Auch die vielfältige Industriedichte in Deutschland bietet optimale Voraussetzungen, um Deutschland als Klimachampion und Vorreiter zu positionieren. Die Gefahr ist aber groß, dass andere Länder und Regionen uns überholen, und das liegt vor allem daran, dass die bürokratischen Verfahren für die Umsetzung von konkreten Projekten viel zu langwierig sind. Da sind andere Länder deutlich effektiver, effizienter und dadurch auch schneller.

Inwieweit erfüllen Ihre Anlagen die Vorgaben der Richtlinie?

Wir bieten bereits eine Vielzahl von Technologien an, die Industriekunden helfen, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Unter anderem haben wir beträchtlich in unser Tochterunternehmen H-Tec Systems investiert, um das Unternehmen in den nächsten Jahren zu einem der Top-3-Anbieter für Elektrolyseure zur Erzeugung von grünem Wasserstoff zu entwickeln. Schon heute bietet H-Tec Systems das sogenannte Hydrogen Cube System (HCS) an, ein modulares Baukastensystem, um große PEM-Elektrolyseanlagen im Bereich 10 bis 100 MW zu realisieren. Wie alle anderen Hersteller arbeiten wir mit Hochdruck an einer Serienfertigung von Elektrolyse-Stacks und planen dazu den Bau einer Gigafactory bei Hamburg. Zudem kommen unsere Kompressoren weltweit bereits in mehr als 30 Carbon-Capture-Projekten zum Einsatz und sind somit bereits technisch ausgereift. Außerdem bieten wir industrielle Großwärmepumpen an, um große Industrieanlagen nachhaltig mit Prozesswärme und -kälte zu versorgen.

Was sind die Spezifika und Unterscheidungsmerkmale ihrer Komponenten im Wettbewerb?

Wir decken mit unseren Technologien zum einen die gesamte Wasserstoffwertschöpfungskette von der Elektrolyse über den Transport bis hin zu Reaktoren zur Umwandlung in synthetische Kraftstoffe ab. Zum anderen sind wir weltweit führend in der Produktion von Getriebekompressoren für die CO2-Verdichtung. Weltweit hat kein Unternehmen in diesem Bereich mehr Erfahrung als wir. Auch unsere Wärmepumpentechnologie beruht auf erprobten und ausgereiften Technologien. Wir sprechen also nicht von Zukunftsplänen, sondern von Technologien, die bereits seit vielen Jahren im Feld im Einsatz sind.

Welche konkreten Markterwartungen für die kommenden Jahre haben Sie im Bereich Wasserstoff und gegebenenfalls CO2-Verpressung?

Wir haben eine Reihe von Kerntechnologien identifiziert, auf die wir uns künftig konzentrieren werden. Alle diese Technologien haben einen immensen CO2-Hebel, um die Emissionen der Industrie und anderer energieintensiver Sektoren, die nur schwer zu elektrifizieren sind, zu reduzieren. Konkret sind das neben Elektrolyseuren und CCUS-Großwärmepumpen und klimaneutral betriebene Motoren für Schifffahrt und Energiegewinnung. Wir gehen davon aus, dass wir allein mit diesen Technologien bis zu zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen adressieren können.

Die Bundesregierung erwägt neben den Klimaschutzverträgen auch das Instrument der grünen Leitmärkte umzusetzen (s. Infokasten). Der Staat kann dabei klimaneutral hergestellte Grundstoffe in seiner eigenen Beschaffung bevorzugen oder durch regulatorische Maßnahmen deren Einsatz vorschreiben. Der Wissenschaftliche Beirat empfiehlt, den grünen Leitmärkten den klaren Vorrang gegenüber Klimaschutzverträgen zu geben. Wie bewerten Sie die Ergebnisse dieses Gutachtens?

Über den Prozess der eigenen Beschaffung könnte die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangehen und zugleich einen großen Hebel umlegen. Umso größer ist dieser Hebel, wenn aus den grünen Leitmärkten regulatorische Rahmenbedingungen hervorgehen, die Standards vorschreiben, welche sich mithilfe klimafreundlicher Technologie adressieren ließen. Am Ende brauchen wir eine smarte Kombination aus wirksamer Förderung und einem regulatorischen Rahmen, in dem es stets wirtschaftlicher ist, das CO2 abzuscheiden und anschließend wieder zu nutzen oder zu speichern, als es zu emittieren.

Klimaschutzverträge versus grüne Leitmärkte

Die Bundesregierung setzt bei der Förderung klimaneutraler Produktionsprozesse in der Grundstoffindustrie grundsätzlich auf zwei neue Instrumente: Klimaschutzverträge und grüne Leitmärkte. Ein grüner Leitmarkt ist ein staatlich geschaffener oder geförderter Markt für klimaneutral produzierte Grundstoffe. Dabei kann der Staat grüne Grundstoffe in seiner eigenen Beschaffung bevorzugt verwenden oder er kann durch regulatorische Maßnahmen vorschreiben, dass private Haushalte und Unternehmen in bestimmten Bereichen nur Produkte verwenden dürfen, die einen bestimmten Anteil grüner Grundstoffe beinhalten.

Der Wissenschaftliche Beirat beim BMWK empfiehlt, dem Instrument der grünen Leitmärkte den klaren Vorrang gegenüber Klimaschutzverträgen zu geben. Laut dem Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats, Prof. Klaus Schmidt, sind Klimaschutzverträge anfällig für eine Überförderung. Zudem bestehe die Gefahr, den Wettbewerb zu behindern und die Entwicklung neuer Technologien auszubremsen. Prof. Achim Wambach, Mitglied der Arbeitsgruppe, begründet seine Einschätzung so: „Grüne Leitmärkte fördern den Wettbewerb, neue Anbieter können in den Markt kommen, und über die Preiswirkung gibt es starke Anreize, klimafreundliche Technologien zu verbessern und kostengünstiger zu machen.“

Autor: Michael Nallinger


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