Alles hat zwei Seiten: So stellt sich die geplante Kooperation mit General Motors wie auch die Stornierung von 2.500 batterieelektrischen Müllfahrzeugen für Republic Services im Nachhinein als Glückfall heraus. Im Fall GM hätte Nikola selbst, unter anderem für Werkzeuge, über 700 Mio. US-$ in die Hand nehmen müssen. Die Beteiligung von GM mit 2 Mrd. US-$ als „geldwerter Leistung“ hätte zu einer Verwässerung der Zahl der ausgegebenen Aktien geführt.
Nun hat Nikola ein neues Abkommen, welches die Zulieferung der Brennstoffzellensysteme von GM bedeutet und damit zu einem weiteren Schlüssellieferanten neben Bosch führt, was für mehr Sicherheit bzw. Unabhängigkeit sorgt. Der SUV Badger ist indes Vergangenheit. Im Fall der Müllfahrzeuge für Republic Industries – 2.500 Stück – hätte Nikola Kosten von über 200 Mio. US-$ gehabt. Die Lieferzeiten hätten sich um 12 bis 24 Monate verschoben, so dass die Stornierung letztendlich einvernehmlich erfolgt ist. Ansonsten läuft alles nach Plan, wie auch der Pressekonferenz zum vierten Quartal zu entnehmen ist, denn man ist nun wieder voll auf den Businessplan und dessen Umsetzung fokussiert.
Im Verlustausweis für das vierte Quartal in Höhe von 147,1 Mio. US-$ sind immerhin über 67,5 Mio. US-$ an Aufwendungen für Forschung und Entwicklung enthalten. Der Mitarbeiterstand hat 450 erreicht und soll zum Jahresende bei 1.000 liegen. Vom Nikola Tre sollen dieses Jahr 50 bis 100 Stück ausgeliefert werden, was für das vierte Quartal anvisiert wird.
Spannend ist die Situation rund um die eigene Produktion von Wasserstoff. Hier hat man einen recht günstigen Stromtarif des Versorgers APS gefunden, der grünen Wasserstoff auf der Preisparität mit Dieselkraftstoff sieht. Überschüssige regenerative Energie wird hier zu Zeiten umgewandelt, wenn der Strombedarf niedrig ist, also sich der Wasserstoff als das ideale Speichermedium anbietet. 8 Tonnen Wasserstoff sollen so pro Tag selbst produziert werden. Nikola wird H2-Produktionsstätten bauen, von denen aus dann perspektivisch H2-Tankstellen inhouse beliefert werden können. Man muss da auch verstehen, dass Nikola nicht nur den Lkw-Markt in Sachen Brennstoffzelle angeht, sondern eben auch den Consumables-Sektor und mit dem Wasserstoff Geld verdienen will.
Was die Auslieferungen angeht – die Produktion wird step by step entwickelt und dann hochgefahren –, so sollen 2022 über 1.200 Lkw vom Band laufen, 2023 über 3.500. Die Langversion Nikola 2 mit über 900 Meilen Reichweite kommt bis 2024 auf den Markt.
Am Rande: Der Rechtsstreit mit dem Shortseller-Mediums Hindenburg Research hat das Unternehmen gut 19,5 Mio. US-$ an Anwalts- und Rechtsgebühren gekostet. Da war wohl an einigen Vorwürfen was dran. Ein Kunde der ersten Stunde, der Brauereikonzern Anheuser Busch (AB) blieb indes bei seiner Abnahmeverpflichtung.
Mein Fazit: An einer weiteren Kapitalmaßnahme kommt Nikola nach eigener Aussage nicht vorbei, um den Businessplan umzusetzen. Noch liegen circa 841 Mio. US-$ auf der Bank. Ich gehe davon aus, dass man entweder ein ATM-Programm durchführt (Platzierung von Aktien step by step direkt an der Börse) oder eventuell ein Bought Deal an das Unternehmen herangetragen wird, der bis zu 1 Mrd. US-$ einbringen könnte. Meines Erachtens könnte sinnvollerweise auch ein strategischer Partner aus dem Lkw-Bau einsteigen. Eine Anteilserhöhung durch CNH sollte ebenfalls nicht ausgeschlossen werden.
Die Nennung weiterer Unternehmenspartner (Öl- oder Gasekonzern), beispielsweise für H2-Tankstellen, wird – in case – den Börsenkurs positiv beeinflussen. Wäre ich Plug Power, würde ich bei Nikola als „strategischer Investor“ einsteigen, aber das ist ja nur eine Idee von mir. Wer in Nikola investiert, setzt unaufgeregt auf die Umsetzung des Businessplans und muss Zeit mitbringen. Auf jeden Fall wird hier der erste richtig große BZ- und H2-Markt mit Nfz angegangen.
Risikohinweis
Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.
Autor: Sven Jösting, verfasst am 20. März 2021
So so, mit dem SUV Badger und den Müllfahrzeugen für Republic Industries sind zwar zwei großspurig angekündigte Projekte (mit ihrem Anteil an den über 67,5 Mio. US-$ abgeschriebenen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung) gecancelt – aber ansonsten läuft alles nach Plan!
Zum Nikola Tre (der zuerst auf Iveco-Basis nur in einer reinen Akkuversion als BEV kommen soll) weiß man immer noch nicht allzu viel (geschweige denn die Leasing-Kosten, die lt. Firmenwebseite die Gesamtbetriebskosten für Flotten- und LKW-Besitzer senken sollen) …
Aber wenn ein Stromlieferant für grünen H2 schon eine Preisparität mit Dieselkraftstoff sieht – was kann dann für Nikola noch schief gehen?!?
(Vorsicht: kann Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten!)
Natürlich darf jeder „strategisch“ in Nikola investieren. Wenn große Player im LKW-Geschäft wie Traton ins Batterielager wechseln und Daimler seine erst vor wenigen Monaten verkündete FCEV-LKW-Strategie mit Volvo-Trucks „überdenkt“ – dann bin ich gespannt, was von den mobilen Wasserstoffambitionen – und von Nikola – am Ende übrigbleibt.
Abgesehen davon, dass ich die wirtschaftliche (!) Produktion von grünem Wasserstoff lediglich auf der Basis von überschüssiger (!) regenerative Energie zu Zeiten wenn der Strombedarf niedrig ist für nicht realistisch halte.
Für grünen H2 braucht es einen massiven Ausbau der Nutzung der regenerativen Energien und genau dabei vermisse ich das Engagement der eifrigsten Verfechter …