Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

21. Oktober 2014

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Reichlich Wirbel um NanoFLOWCELL

Portrait_Nunzio_La_Vecchia-web

Nunzio La Vecchia weiß sich zu vermarkten. (Quelle: nanoFLOWCELL)


Die bis dato eher unbekannte Firma nanoFLOWCELL AG macht seit Anfang dieses Jahres mit einem neuen Antriebskonzept von sich reden: Das Start-up aus Vaduz, Liechtenstein, präsentierte im März 2014 auf dem Auto-Salon in Genf einen rein elektrisch betriebenen Sportwagen, der den benötigten Strom aus einer Redox-Flow-Batterie bezieht. Der QUANT e verfügt über Flügeltüren, ein äußerst sportliches Design und seit dem 22. Juli 2014 auch über eine Straßenzulassung.
Nunzio La Vecchia, Entwicklungschef und technischer Geschäftsführer der nanoFLOWCELL AG, erklärte anlässlich der Aushändigung des Nummernschildes durch den SGS-TÜV Saar: „Die erfolgreiche Straßenzulassung für Deutschland und Europa ist natürlich ein wichtiger Meilenstein für uns.“ Über seinen Sportwagen sagte La Vecchia, der auch Leiter des eigenen Forschungszentrums nanoFLOWCELL DigiLab in Zürich ist: „Es handelt sich bei der neuen QUANT e-Sportlimousine weder um ein Show-Car noch um ein Concept-Car, sondern um das erste mit nanoFLOWCELL® ausgestattete Automobil, bei dem alle Elemente auf Homologationsanforderungen ausgelegt sind.“
Die in diesem Fahrzeug zum Einsatz kommende neuartige Batterie, die sogenannte nanoFLOWCELL®, basiert nach Unternehmensangaben auf der Flusszellentechnologie. Über ihre Funktionsweise ist im Pressematerial allerdings lediglich ein Absatz zu lesen: „Die nanoFLOWCELL® funktioniert wie eine Mischung aus Batterie und Brennstoffzelle mit flüssigem Elektrolyt, welches in zwei Tanks bewahrt und durch die Zelle befördert wird. Im Kern des Systems steht ein Membransystem, das innerhalb der Zelle die zwei verschiedenen Elektrolytflüssigkeiten trennt und durch den kontrollierten Austausch der Ladungen Energie für den Elektroantrieb freisetzt.“
Die daran anknüpfende Auflistung der Vorteile dieser Technik umfasst zwei Absätze und nennt Vorzüge wie beispielsweise „hohe Ladungsdichte“, „hohe Leistungsdichte“, „kalte Verbrennung“ sowie „geringes Gewicht“, „unkritische Bestandteile“ und „ein sehr guter Wirkungsgrad“. Die Dauerleistung wird mit 30 kW angegeben. Weiter heißt es: „Im Vergleich zur gegenwärtigen Lithium-Ionen-Technik gilt der Faktor fünf, gleichbedeutend mit fünffach größerer Reichweite […] bis zu 600 Kilometer.“ Zudem kursieren Angaben in den Medien, denen zufolge insgesamt vier Elektromotoren für eine Spitzenleistung von 680 kW sorgen. Die Befüllung der Tanks mit frischer, energiereicher Flüssigkeit – teilweise ist die Rede von reinem Salzwasser – soll innerhalb weniger Minuten realisierbar sein. Zusätzliche Energie, auch die Bremsenergie, werde in Supercaps gespeichert, heißt es.
Demgegenüber sind die firmeneigenen Ausführungen über Konzeption und Outfit des QUANT e deutlich detaillierter und erstrecken sich über fünf Absätze. Sie sind gespickt mit Attributen wie „elegant“, „sportlich“ und „außergewöhnlich“. Eingebunden ist dies alles in einen äußerst modern designten Internetauftritt, bei dem den User ein spektakuläres Video empfängt, das in eindrucksvoller Weise und mit imposanten Bildern die Vorzüge der neuen Fahrzeugtechnik vermitteln soll.
Im Mittelpunkt dieser Inszenierung steht – neben dem QUANT e – Nunzio La Vecchia, „Physiker und Autodidakt“ und „führender Kopf“ des Unternehmens, der eher wie ein Musikstar und weniger wie ein Wissenschaftler auftritt. Der 1965 in Brugg geborene Schweizer begann mit seinen ersten energietechnischen Arbeiten im Jahr 1991. 1996 gründete er die JUNO Technology Products AG, die später in die nanoFLOWCELL AG überging. Er gilt als Allroundtalent; ist Physiker, Erfinder, Unternehmer, Patentinhaber, Rennfahrer, Kampfjetpilot, Musiker, Songwriter und Träger eines Doktortitels – alles in einem. 2009 präsentierte er auf dem Auto-Salon in Genf den NLV Quant, ebenfalls ein E-Sportwagen (512 PS, 500 km Reichweite). Die Energie wurde in diesem Fall allerdings durch eine hauchdünne, fast unsichtbare Dünnfilm-Solarzelle gewonnen, die die gesamte Fahrzeugkarosserie überzog. Diese Zelle sollte ausreichend Strom generieren, um das Rennauto in 5,2 Sekunden von 0 auf 100 Stundenkilometer zu katapultieren (Spitzentempo: 275 km/h). Außerdem sollten – neben dem großzügig dimensionierten Kofferraum – vier Erwachsene Platz finden.
La Vecchia vermittelt durch sein Auftreten den Eindruck, dass bei ihm alles ein bisschen mehr, größer, besser ist. Auf die Frage der Basler Zeitung nach seinem Doktortitel im Jahr 2009 soll La Vecchia entgegnet haben: „Ach, Sie wissen ja, dass Titel käuflich sind. Soll sich doch jeder Doktor nennen, der will. Ich hätte es zwar nicht nötig, aber er macht mir Freude.“ Zu einem früheren Gerichtsverfahren, bei dem er trotz vorliegender Indizien für arglistige Täuschung in zweiter Instanz vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen worden war, äußerte er sich hingegen nicht. Brauchte er auch nicht, denn die Urteilsschrift sagte alles. Dort stand: „Wer als geschäftserfahrener Investor [gemeint war die Klägerin, Anmerk. d. Red.] trotz der sich geradezu aufdrängenden Hinweise auf einen fehlenden Gegenwert einen Kauf vornimmt, ohne entsprechende Abklärungen zu tätigen, wird nicht in arglistiger Art und Weise getäuscht.“
Trotz derartiger Ungereimtheiten verkündete La Vecchia im Januar 2014, dass sein neues Unternehmen eine Kooperation mit der Bosch Engineering GmbH eingegangen ist. Seitdem nutzt der Gitarrist und Medienprofi den guten Namen des neuen Partners und versucht, Seriosität zu vermitteln. Ziel der Zusammenarbeit ist die „individuelle Systementwicklung” der Bordelektronik bei der Sportlimousine. Gemeint sind damit insbesondere das Kommunikationsbordnetz und das Energiemanagement sowie die Steuerung des Energiespeichers. Auf Nachfrage von HZwei nach Details über die Batterietechnik erklärte eine Bosch-Pressesprecherin allerdings: „Die Informationen über die Beschaffenheit der NanoFLOWCELL®, also des Energiespeichers, können wir weder bestätigen noch dementieren. Ebenso haben wir die NanoFOWCELL® nicht selbst untersucht. Dafür sind wir durch unseren Kunden nicht beauftragt. Wir nutzen die Energie des ‚Puffermediums‘ im Fahrzeug, um diese Energie mit leistungsstarken und speziell für dieses Fahrzeug entwickelten Elektroniksystemen sicher und effizient auf die Straße zu bringen.“
Daraufhin erklärte eine Sprecherin von NanoFLOWCELL gegenüber HZwei: „Aktuell gilt unsere gesamte Konzentration der Weiterentwicklung der nanoFLOWCELL® und der Homologation der QUANT e-Sportlimousine, welche wir für 2015 anpeilen.“ Zu den konkreten Leistungsdaten sagte sie: „Die QUANT e-Sportlimousine […] ist ein Forschungsfahrzeug, das, wie der Name schon sagt, kontinuierlich und patentrechtlich natürlich erst einmal intern weiterentwickelt wird, sprich Analysen zu Leistungswerten und Messprotokollen liegen intern vor, werden aber geschützt.“ Auch Dr. Christian Doetsch, Experte für Redox-Flow-Batterien am Fraunhofer UMSICHT, sagte gegenüber HZwei: „Wir haben bisher leider keine belastbaren technischen Angaben gefunden. Daher fehlt uns jegliche Basis, um das auch nur ansatzweise fundiert beurteilen zu können.“ Weiter sagte er, dass seine „Recherche eher werbewirksame, für Redox-Flow-Batterien aber eher untypische Aussagen geliefert hat“.
Auch wenn nach wie vor unklar scheint, was genau hinter dieser neuen Batterietechnik beziehungsweise in diesem neuen Elektroauto steckt, läuft die Marketingmaschinerie von Nunzio La Vecchia stetig weiter. Dazu gehörten auch wieder die Messebesuche des Auto-Salons in Genf sowie der Top Marques Monaco, einer der weltweit größten Messen exklusiver Luxusautos, bei der auch Fürst Albert II. von Monaco für ein Pressefoto am NanoFLOWCELL-Stand vorbeikam.
Sollten allerdings nicht bald konkrete Leistungsdaten von unabhängiger Seite bestätigt werden, dürfte es selbst für den Medienprofi La Vecchia schwer werden, allmählich aufkeimende Vermutungen, dass sich da jemand einen großen teuren Spaß macht und die Automobilindustrie mal so richtig an der Nase herumführt, zu zerstreuen.
PS: Im September zeigte der „Stern“, wie leicht er zu beeindrucken ist: Elektroauto mit Salzwasser (Beitrag wurde mittlerweile beim „Stern“ gelöscht)

3 Kommentare

  1. Tom Berger

    Der sehr starke Verdacht, dass es sich hier um Schwindel und Scharlatanerie handelt, wird auch durch die alten Angaben bzgl des Solarautos gestützt:
    Zitat: „Die Energie wurde in diesem Fall allerdings durch eine hauchdünne, fast unsichtbare Dünnfilm-Solarzelle gewonnen, die die gesamte Fahrzeugkarosserie überzog. Diese Zelle sollte ausreichend Strom generieren, um das Rennauto in 5,2 Sekunden von 0 auf 100 Stundenkilometer zu katapultieren (Spitzentempo: 275 km/h).“
    Nehmen wir sehr großzügige 10 Quadratmeter Sonneneinstrahlfläche an, dann ist bei allerbesten Verhältnissen eine Einstrahlleistung von 10 kW anzunehmen. Davon setzen die allerbesten am Markt erhältlichen Solarzellen etwa 3 kW in elektrischen Strom um. Mit 3 kW Leistung kann das Rennauto aber nict in 5.2 Sekunden von 0 auf 100 km/h gebracht werden, und auch nicht auf ein Spitzentempo von 275 km/h.

  2. Hydrogeit

    „Reichlich Tamtam“
    Trotz vielfach begeisterter Medienberichte gab es auch kritische Stimmen über NanoFLOWCELL: Gregor Honsel von Heise war einer der Ersten, der zahlreiche Ankündigungen, die in Verbindung mit dieser Technologie gemacht werden, für zweifelhaft hielt und offen darüber schrieb. In seinem Online-Kommentar erklärte er: „Aktuelle Redox-Flow-Zellen erreichen gerade mal eine Energiedichte von rund 50 Wh/kg. […] Die Werte, die NanoFLOWCELL verspricht, sind mithin eine unglaubliche Ansage. Robin Vanhaelst von der Ostfalia-Hochschule in Wolfsburg, der selber an Redox-Flow-Zellen arbeitet, nennt die Daten ‚absolut utopisch‘.“
    Weiter kritisierte Honsel: „Unabhängige Belege für seine Behauptung liefert NanoFLOWCELL nicht. Sowohl für die Bosch Engineering GmbH, welche im Auftrag von NanoFOWCELL die Autoelektronik entwickelt, als auch für den TÜV Saar, der einen Prototypen des Quant als Erprobungsfahrzeug zugelassen hat, ist die Energiequelle bisher nur als Black Box in Erscheinung getreten. ‚Analysen zu Leistungswerten und Messprotokollen liegen intern vor, werden aber geschützt‘, schreibt mir die von NanoFLOWCELL beauftragte PR-Agentur. Welches Elektrolyt verwendet werde? Betriebsgeheimnis.“
    Weiterhin schreibt er über „reichlich Tamtam und große Pläne“ und kommt zu dem Schluss: „Die Belege für die Existenz einer Wunder-Flowzelle sind kein bisschen überzeugend.“

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