Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

2. Dezember 2020

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Richtungsentscheidung

Nicht nur auf deutscher Ebene, auch auf oberster europäischer Ebene wird jetzt über Wasserstoff debattiert. Das Thema ist damit endlich da angekommen, wo es hingehört. Hat etwas gedauert, aber nun ist es so weit. Man kann das erleichterte Durchatmen in der H2-Community regelrecht hören. Es hat zwar nicht den einen großen Knall gegeben, aber es ist absehbar, dass sich jetzt etwas tun wird – viel tun wird.

Was allerdings auch diejenigen auf den Plan ruft, die jahrelang nichts von Wasserstoff wissen wollten, jetzt aber trotzdem ganz oben mitmischen wollen, zum Beispiel im Nationalen Wasserstoffrat (NWR, s. S. 10): Dort sind zum Unmut so einiger ab sofort Personen vertreten, die auf oberster Ebene über Dinge entscheiden, mit denen sie sich bisher eher wenig beschäftigt haben.

Der NWR ist allerdings nur ein Beispiel dafür, wie sich momentan verstärkt Akteure hervortun, die in der Vergangenheit die Weiterentwicklung im H2– und BZ-Sektor eher verzögert oder gebremst haben, nun aber nicht nur Einfluss nehmen, sondern vom aktuellen Geschehen auch profitieren möchten.

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Wir stehen jetzt an einem Punkt, an dem sukzessive Visionäre von damals von Volkswirten ersetzt werden. Ähnlich wie in der Solar- und Windenergiebranche, die von einigen Idealisten über viele Jahre hinweg aufgebaut wurde, wollen jetzt die Geschäftsleute das Ruder übernehmen.

Beim Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV; s. S. 8) ist dieser Prozess besonders gut zu beobachten: Einige alte Recken, die über Jahrzehnte in mühevoller Kleinarbeit ehrenamtlich den Verein aufgebaut haben, traten in diesem Jahr nicht wieder zur Wahl an. Andere wollten ihre Kandidatur von der Marschrichtung des neuen Vorstands abhängig machen. Zum Erscheinungstermin dieser HZwei-Ausgabe dürfte die Mitgliederversammlung in Hamburg bereits stattgefunden haben. Dann werden Sie vielleicht schon wissen, wohin beim DWV die Reise geht und wer den neuen Kurs bestimmt.

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Natürlich ist es wichtig, sich Know-how ins Boot zu holen und sich zu professionalisieren. Industrievertreter können mit ihrem Fachwissen durchaus wertvollen Input, sowohl für den NWR als auch für den DWV, liefern. Ebenso ist eine hauptamtliche Geschäftsführung heutzutage für eine schlagkräftige Verbandsarbeit unabdingbar. Die grundlegende Frage bleibt aber, inwieweit man sich im Zuge dieses Umbaus von bisherigen Werten verabschiedet. Ist das Gemeinwohl das Maß aller Dinge – insbesondere bei einem gemeinnützigen Verein – oder doch eher die Gewinnmaximierung Einzelner?

In eine ähnliche Richtung geht die Frage, auf welche Technologie gesetzt werden sollte – und warum: Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) wies in einer Studie auf die Tatsache hin, dass Brennstoffzellen mehr Teile benötigen als Batterien (s. S. 44). Somit sei in Deutschland mit BZ-Technik ein größerer Mehrwert zu erzielen als mit Akkumulatoren – die ohnehin zumeist aus Asien kommen. Für die deutsche Volkswirtschaft ist es laut dieser Untersuchung sinnvoller, wenn der Automobilsektor, der größte Kunde der hiesigen Maschinenbauindustrie, auf BZ-Fahrzeuge setzt und nicht auf Batterieautos, einfach weil Deutschland damit mehr Wertschöpfung generieren und somit mehr Geld verdienen kann.

Diese Herangehensweise zeigt: Es scheint für die Wirtschaft und ihre Vertreter zweitrangig zu sein, was für die Umwelt – für die Menschheit und die Natur am besten wäre. Es geht vorrangig darum, die bestehenden Strukturen aufrechtzuerhalten, um – bei noch höherem Lebensstandard und noch höheren Gewinnen – weitermachen zu können wie bisher.

Dabei sehen wir gerade jetzt in der Corona-Pandemie, dass genau eine solche Herangehensweise schnell an ihre Grenzen stößt. In einer globalisierten Welt, in der just-in-time produziert wird und alle Wirtschaftsabläufe optimiert sind, ist zu wenig Platz für immer mehr Menschen und die Natur. Deswegen ist es heute wichtiger als je zuvor, wirklich nachhaltig zu denken.

Wer glaubt, es gehe allein um die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus, der sollte mal darüber nachdenken, ob es wirklich eine Lösung sein kann, neue, disruptive Technologien zu bekämpfen, nur um noch ein paar Jahre so weitermachen zu können wie gewohnt. Wenn das Hauptargument für die Brennstoffzelle ist, dass sie dem Verbrennungsmotor ähnlicher ist als ein Batterieantrieb, dass sie also komplizierter ist als ein Akkumulator, dann sollten wir uns ganz schnell von BZ-Stacks verabschieden.

Wer jetzt der Brennstoffzellentechnik das Wort redet, um dadurch länger mit konventioneller Technik Geschäfte machen zu können, der hat nicht verstanden, wie zwingend notwendig eine sofortige Energiewende ist.

Zum Glück geht es nicht allen immer nur um Gewinnmaximierung. Vielen ist auch ein harmonisches Miteinander wichtig und eine saubere, eine nachhaltige Wirtschaft, die im Interesse und zum Wohl aller Menschen und der Umwelt handelt. Und zum Glück hat die Brennstoffzelle viele „echte“ Vorteile, so dass sie in zahlreichen Anwendungen sehr sinnvoll ist, so zum Beispiel beim Lkw (s. S. 31).

Ergreifen wir also jetzt die Gelegenheit und vermeiden wir die Fehler der Vergangenheit. Es wäre doch zu schade, wenn wir diese einmalige Chance auf einen grundlegenden Wandel verpassen würden. Deutschland und Europa können der Welt vorleben, wie eine saubere Zukunft aussehen kann.

PS: Bitte beachten Sie den Einhefter in der Mitte der HZwei-Ausgabe. Freundlicherweise hat der ALTOP Verlag einige Seiten aus seinem aktuellen Heft „forum Nachhaltig Wirtschaften“ zur Verfügung gestellt, damit Sie Ihren Horizont erweitern können. Lesen Sie mal rein!

Herzlichst

Sven Geitmann

HZwei-Herausgeber

Kategorien: Allgemein

4 Kommentare

  1. Reiner Kraa

    Zu bedenken ist aber auch die Tatsache, dass alle elektrischen Antriebe, also auch batteriegetriebene, aber insbesondere alles was mit Wasserstoff und Brennstoffzellen zu tun hat, von allen Nutznießern der fossilen Energien und deren Lobbyisten in den letzten 20 Jahren massiv behindert worden ist. Da muss man sich nicht wundern, wenn insbesondere bei Wasserstoff und Brennstoffzellen, manches noch in den Kinderschuhen steckt. Wenn die europäische Autoindustrie aber kein Feuer unter ihrem Allerwertesten bekommt, bauen die in 100 Jahren noch das selbe wir heute.

  2. Arno A. Evers

    Die seit Jahrzehnten von deutschen, europäischen,
    kalifornischen, japanischen und koreanischen Steuerzahler*innen
    (China hat hier eine Sonderstellung…) ungefragt gezahlten Subventionen
    für Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Forschung sowie Markt-Erschliessung
    waren bisher ohne ein einziges sichtbares Ergebnis,
    das sich „von selbst trägt…“.
    Und ohne Subventionen sowie ökologisch als auch kommerziell funktionieren.
    Oder kennt jemand ein positives Beispiel? Das würde mich freuen.

  3. Joe Schmidt

    „Wenn das Hauptargument für die Brennstoffzelle ist, dass sie dem Verbrennungsmotor ähnlicher ist als ein Batterieantrieb, dass sie also komplizierter ist als ein Akkumulator, dann sollten wir uns ganz schnell von BZ-Stacks verabschieden.“
    Vollste Zustimmung zu diesem Satz!
    Zumindest im Fahrzeugbau, speziell bei den FCEV-PKW ist dies schon geschehen /abzusehen.
    Mehr als Nischenanwendungen sind hier – entgegen blumiger Prognosen (siehe Artikel zur VDMA-Studie „Antrieb im Wandel – Auswirkungen der Brennstoffzellentechnologie auf den Maschinen- und Anlagenbau und die Zulieferindustrie“) nicht erwarten.
    Ich bin gespannt, wohin die zugesagten Subventionen aus Steuergeldern fließen.
    Anwendungen und Potentiale hat der grüne Wasserstoff genug.
    Voraussetzung bleibt halt die ausreichende Verfügbarkeit von grünem Strom …

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