In den 1960er und 1970er Jahren war Frankreich im Bereich Brennstoffzellen sehr aktiv – sowohl seitens der Forschung als auch seitens der Industrie. Dann kam 1974 die „Atomwende“. Die Anzahl der Projekte sank drastisch und blieb bis etwa Ende der 1990er Jahre auf einem niedrigen Niveau. In der Zwischenzeit wurde die Atomforschung stark subventioniert. Milliarden sind in diesen Bereich geflossen und fließen immer noch über das Institut CEA (Commissariat à l’Énergie Atomique). Ironischerweise wurde die Wiederbelebung der Wasserstoff- und Brennstoffzellenforschung auch über das CEA finanziert, und dies spielt nach wie vor eine wichtige Rolle.
Frankreich ist ein Land mit großen Firmen und kleinen Betrieben. Der Mittelstand ist kaum präsent. Das ist auch im H2- und BZ-Bereich der Fall. Mit Ausnahme von wenigen Firmen (z. B. McPhy) sind viele Akteure zu klein und manchmal unterfinanziert, als dass sie eine Rolle als Global Player spielen könnten. Pragma Industries, SymbioFCell, Mahytec, Ataway usw. haben meistens weniger als 50 Mitarbeiter, manche weniger als zehn. Größere Betriebe (Air Liquide, AREVA) haben ihre Aktivität im Bereich Brennstoffzellen auf Sparflamme gestellt (Axane, Helion). Universitäten und Industrie pflegen meistens wenig Kontakt, was auch in vielen anderen Branchen Frankreichs festzustellen ist.
Verbände wie der AFHYPAC sind zwar vergleichsweise aktiv, haben aber auf eine Industrialisierung von Projekten wenig Einfluss. Ehrgeizige nationale oder europäische Programme haben nach ihrem Ablauf wenig oder keine Chance auf die Entwicklung einer Dynamik.
Einer der Gründe für diese Lage ist, was man in Frankreich „colbertisme“ nennt (Colbert war Finanz- und Wirtschaftsminister von Ludwig XIV und hat als Erster die damalige Industrie unter königlicher Unterstützung und Kontrolle gefördert). Gemeint ist damit die bis heute übliche Denkweise der politischen Klasse in Frankreich: Die „Grande Nation“ denkt nur an große Betriebe, wo der Staat eingreifen kann (EDF, Areva, Alstom usw.). Staatliche Programme wie zum Beispiel Nouvelle France Industrielle von Arnaud Montebourg haben eine kurze Lebensdauer und ändern sich oder sterben beim Ministerwechsel.
H2-BZ-Infrastruktur ist sehr dünn
Es gab Ende 2015 nur fünf Wasserstofftankstellen, die in Betrieb waren (keine öffentlichen). Die Anzahl von H2-Fahrzeugen, die tatsächlich im Straßenverkehr fahren, ist schwer zu ermitteln, liegt aber nicht sonderlich hoch (meistens Kangoo ZE mit BZ als Range Extender; Verkaufspreis ca. 30.000 €). Weder Renault noch Peugeot sind in diesem Bereich aktiv.
Einige „Régions“ haben ihr eigenes Programm, dessen Verlauf und Finanzierung von der finanziellen Lage und vom Interesse der Politik abhängig ist. Beispielsweise wurde im Südwesten die Initiative pHyrenees 2009 mit ehrgeizigen Zielen gegründet (2012 sollten bis 500 Nm3/h Wasserstoff produziert werden). Leider findet man seit Ende 2014 keinen Bericht über die Weiterentwicklung dieses Programms. Dies gilt auch für nationale Vorhaben, die mit öffentlichen Geldern subventioniert wurden. Beispielsweise wurde bereits im Jahr 2007 H2E gestartet, hat aber seine Webseite seit 2013 nicht mehr aktualisiert.
Zahlreiche Brennstoffzellen im Haushalt (KWK) wurden seit 2002 getestet, aber bis jetzt fand keine Vermarktung statt. Seit 2014 läuft derzeit ein Versuch mit drei Anlagen. Was Power-to-Gas betrifft, ist der Glaube an Atomstrom in Frankreich zu stark und wird so gut wie nie in Frage gestellt. Die einzige Anlage MYRTE läuft seit 2012 in Korsika mit gemischten Ergebnissen (Leistung und Wirkungsgrad zu niedrig, zu hohe Stromkosten). Die anderen Projekte (GRHYD und Jupiter 1000) kommen frühestens Ende 2017/2018 in Betrieb.
Wird sich die Lage ändern?
Die Regierung legt weiterhin die Priorität auf Atomkraft (der Traum vom Export von AKW-EPR besteht immer noch). Eine Wasserstoffwirtschaft, die Teil einer Energiewende sein könnte, gibt es nur als Traum (Bericht einer France Stratégie im Jahr 2014). Die Aussichten für die Entwicklung einer Wasserstoff-Brennstoffzellen-Alternative in Frankreich sind somit trotz euphorischer Meldungen wenig überzeugend. Eine Analyse in drei bis vier Jahren wird zeigen, wie sich die heutigen Programme entwickelt haben werden.
Méziane Boudellal ist Franzose und Doktor für physikalische Chemie. Er veröffentlichte die erste Auflage seines Buches über Wasserstoff (La pile à combustible – Structure – Fonctionnement – Applications) im Jahr 2007. Die zweite Auflage trug den Untertitel L’hydrogène et ses applications (s. HZwei-Heft April 2012). Sein nächstes Buch über Power-to-Gas erscheint am 1. Juni 2016 – ebenfalls wieder beim Dunod Verlag. Sein vorliegender Beitrag ist eine Ergänzung zu dem Bericht von Alexandra Huss aus dem HZwei-Heft vom Januar 2016 (Frankreich auf dem Weg zur Energiewende).
Kommentar zur aktuellen Lage in Frankreich vom Autor Méziane Boudellal
Der Durchbruch für H2 und BZ wird wohl erst kommen, wenn Wasserstoff pro KWh nicht teurer ist als Benzin. Dann lohnt es sich auch für Benziner, auf H2 umzustellen (ähnlich wie mit Flüssiggas).