Hzwei Blogbeitrag

24. April 2023

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Solarer Treibstoff per Knopfdruck

Ulmer ForscherInnen ist es nun gelungen, ein System zu entwickeln, das die Herstellung von Wasserstoff aus Lichtenergie zu jeder Tages- und Jahreszeit ermöglicht. Diese photochemische Einheit könnte künftig zur nachhaltigen Wärmeerzeugung bis hin zur Betankung wasserstoffbetriebener Lkw und Busse eingesetzt werden – und zwar genau dann, wenn der Bedarf besteht. Da das Licht gespeichert werden kann, wird es möglich, Wasserstoff nachfrageorientiert und sogar bei Dunkelheit zu produzieren.

Der neue Ansatz der baden-württembergischen WissenschaftlerInnen basiert auf einem einzigen Molekül, das Sonnenlicht aufnehmen, Energie speichern und Wasserstoff herstellen kann. „Lichteinstrahlung führt in unserem Molekül zur Ladungstrennung und Elektronenspeicherung“, erklärt Prof. Carsten Streb vom Institut für Anorganische Chemie der Universität Ulm (s. HZwei-Heft Apr. 2018). Als Reaktion der Spaltung entsteht ein flüssiger, leicht speicherbarer Treibstoff. Die bedarfsgerechte Erzeugung des gasförmigen Wasserstoffs werde durch die Zugabe einer Protonenquelle erreicht, so Streb.

Die Aussichten für den neuen Ansatz sind vielversprechend. Das Team um Prof. Streb hat die Leistungsfähigkeit seines Systems mit verschiedenen Analysemethoden überprüft. Im Ergebnis zeigt die molekulare Einheit eine exzellente chemische und photochemische Stabilität. Der modulare Aufbau des Systems ermöglicht chemische Veränderungen und eine Optimierung des Gesamtsystems. Somit könnte das Modell auch als eine Art Blaupause für dezentrale Energiespeicher dienen.

Vorbild ist die Photosynthese in der Natur

Entwickelt wurde das photochemische System in einem Verbundprojekt. Forschende der Universitäten Ulm und Jena haben sich die natürliche Photosynthese zum Vorbild genommen und neue Materialien für die Energiewandlung entwickelt. Ein Beispiel sind künstliche Chloroplasten für die Wasserstoffherstellung. Die WissenschaftlerInnen haben unter anderem wichtige Strukturanalysen gemacht, die die Reaktion des Katalysators auf Licht beschreiben. Dabei kam unter anderem ein kostenintensives Gerät zur hochauflösenden Massenspektrometrie zum Einsatz, das durch EU-Mittel im Rahmen der regionalen Innovationsstrategie des Freistaates Thüringen angeschafft wurde.

Frühere Systeme zur Umwandlung von Sonnenlicht in chemische Energie waren relativ instabil. Durch die Einbettung der lichtgetriebenen Katalysatormoleküle in weiche Materie ist es dem Konsortium aus Chemie, Physik und Materialwissenschaften gelungen, diesen Prozess zu stabilisieren und zu steuern. Hauptziel des nun verlängerten Sonderforschungsbereichs ist es, Grundlagen für die effiziente Erzeugung von grünem Wasserstoff auf dezentraler Basis zu schaffen.

Nächstes Ziel: Weg von seltenen Materialien

Denn derzeit finden sich noch seltene Materialien wie Ruthenium, Platin oder Rhodium in den Katalysatoren. Diese teuren und teils ökologisch bedenklichen Komponenten sollen nun durch leichter verfügbare Alternativen ersetzt werden, so das Ziel. Zum Beispiel könnten organische Farbstoffe, wie sie in Jena erforscht werden, das Problem lösen. Deren Instabilität lässt sich womöglich bald in den Griff bekommen.

Außerdem soll die Materialverknüpfung in den Solarenergiewandlern optimiert werden. „Ziel ist ein lichtgetriebener Prozess mit gekoppelter Oxidation und Reduktion. Dazu kommt die Weiterentwicklung physikochemischer Analysemethoden“, erklärt Prof. Benjamin Dietzek-Ivanšić von der Universität Jena. Er ist in der nun gestarteten zweiten Förderphase neuer Sprecher des Projekts. Der Kollege Carsten Streb ist derweil an die Uni Mainz gewechselt und arbeitet dort zu dem Thema weiter.

Das Fernziel bleibt die Herstellung künstlicher Chloroplasten: Diese pflanzlichen Zellbestandteile sind dabei für die Photosynthese zuständig. In Zukunft wird das Konsortium auch mit dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Ulm kooperieren.

Effizienter als Elektrolyse

Der Bedarf an Wasserstoff ist bereits jetzt hoch und wird weiter wachsen. Derzeit werden weltweit jährlich etwa 80 Mio. Tonnen Wasserstoff durch Dampfreformierung hergestellt. Dabei werden immer noch fossile Brennstoffe verwendet und so große Mengen an CO2 freigesetzt. In naher Zukunft muss die Produktion von Wasserstoff emissionsfrei werden oder zumindest mit emissionsarmen Methoden möglich sein.

Bisherige Verfahren zur Herstellung von grünem Wasserstoff beruhen oftmals auf der Kopplung mehrerer Komponenten wie Photovoltaikzellen, Batterien und Elektrolyseuren. Der Nachteil: Die Energieverluste summieren sich bei jedem Schritt, weshalb die Wasserstoffproduktion nur wenig effizient ist. Der für elektrolytische Verfahren benötigte grüne Strom kann zwar aus Windkraftanlegen gewonnen werden, allerdings gehen bei elektrolytischen Verfahren rund 40 Prozent der Energie verloren. „Die derzeitigen Ziele für die elektrolytische Herstellung von Wasserstoff innerhalb der EU bis zum Jahr 2050 erfordern 2.800 TWh. Das entspricht dem Strom von 250.000 bis 460.000 neuen Windkraftanlagen“, berechnet Professor Marko Huttula, Leiter eines entsprechenden Projekts, das an der Universität Oulu läuft.

Der Vorteil von Solarwasserstoff im Vergleich zu elektrolytischem Wasserstoff ist, dass er nur die Energie der Sonne benötigt.

Finnland: Sieben Prozent Wirkungsgrad im Labor

Photokatalytische Prozesse werden weltweit bereits seit Jahrzehnten untersucht und erforscht. Herausforderung ist und bleibt es, einen effizienten und langlebigen Katalysator zu entwickeln. Denn meist zersetzen sich die Katalysatoren zu schnell, oder es werden seltene und teure Metalle benötigt. Auch in Finnland, an der Universität Oulu, wird derzeit ein neuer Katalysator entwickelt, der aus sogenanntem Molybdänit besteht. Dabei handelt es sich um ein relativ billiges und natürlich vorkommendes Mineral. Die Verbundstruktur besteht aus geschichtetem Molybdändisulfid sowie Nickel- und Silbernanopartikeln, was den Katalysator nach Angaben der Forscher relativ kostengünstig macht.

Im Labor an der Uni Oulu lieferte der neue Katalysator immerhin 86 Tage hintereinander Wasserstoff, ohne zu zerfallen. Er erreichte dabei einen Wirkungsgrad von sieben Prozent, was mehr ist als der Schwellenwert für einen brauchbaren Wirkungsgrad von mindestens fünf Prozent. Neben der Erzeugung von Wasserstoff reinigt das Verfahren zudem auch das natürliche Wasser, das für die H2-Produktion verwendet wird.

Der Weg ist jedoch noch lang. „Es bedarf noch jahrelanger Forschung, bis die Produktion von Solarwasserstoff in größerem Maßstab möglich ist“, weiß Professor Huttula: „Die Technologie befindet sich derzeit noch in einem kritischen Entwicklungsstadium.“

Autor: Niels Hendrik Petersen

Bild: Photoreaktor: Bestrahlungsapparat im Institut für Anorganische Chemie

Quelle: Heiko Grandel

Kategorien: 2023 | Deutschland | Europa
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