Hzwei Blogbeitrag

31. Oktober 2022

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Transite als Treiber für den Osten

H2-Transportbedarf forciert Infrastrukturaufbau
Im Jahr 2045 könnten 54 Terawattstunden (TWh) Wasserstoff in Ostdeutschland fehlen, Jahr für Jahr wohlgemerkt. Wie bei Prognosen üblich, ist das noch von vielen Faktoren wie beispielsweise der genauen H2-Nachfrage in den einzelnen Sektoren abhängig. Aber eines ist klar: Es fehlt an der benötigten H2-Infrastruktur, wenn das Szenario Diversifizierung eintritt. Dann müssen weitere 48 TWh Transitbedarf über Transportleitungen in benachbarte Regionen verteilt werden. Voraussetzung dafür wären zahlreiche Leitungen, die von Erdgas auf Wasserstoff umgerüstet werden, sowie weitere neuinstallierte Pipelines.

Diese Annahme belegt die Studie „Wasserstoffmarkthochlauf in Ostdeutschland bis 2045 – Eine Infrastrukturanalyse anhand der regionalen Erzeugungspotenziale und Bedarfe“. Wissenschaftler des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln, kurz als EWI bekannt, haben diese im Auftrag des Netzbetreibers für Gasfernleitungen Gascade Gastransport verfasst. Das EWI-Team analysiert in der Studie zwei Szenarien zur Entwicklung von Bedarf und Angebot von Wasserstoff in Ostdeutschland: Das Szenario „Diversifizierung“ unterstellt eine größere Rolle des Wasserstoffs bei der Substitution fossiler Energieträger, während das Szenario „Elektrifizierung“ von einer starken Elektrifizierung des Energieverbrauchs ausgeht.

Das Nord-Süd-Gefälle

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„In Ostdeutschland wird sich voraussichtlich ein Nord-Süd-Gefälle des Wasserstoffbedarfs einstellen“, sagt Dr. Eren Çam. Er leitet den Bereich Energierohstoffe am EWI und hat die Studie zusammen mit drei Kollegen verfasst. Farblich dargestellt, ist das Gefälle durch den blauen und roten Bereich in den Abbildungen 2 und 3 besonders gut sichtbar für das Jahr 2045. „Die regionalen Unterschiede und das steigende Potenzial an H2-Transiten durch den Osten Deutschlands könnten entscheidende Treiber der wachsenden Wasserstoffinfrastruktur werden.“

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Die H2-Bilanzen ergeben zusammen mit dem möglichen Import- und Exportbedarf in Ostdeutschland ein Bild des künftigen Transportbedarfs. Demnach zeigt sich bei einer starken Durchdringung strombasierter Anwendungen lediglich ein Wasserstoffdefizit von 2 TWh im Jahr 2045. Wasserstofftransite wären dann kaum nötig.

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Die H2-Produktion hat großes Potenzial im Osten Deutschlands: Neben der ökostrombasierten H2-Produktion könnten auch die Erdgasreformierung oder die Methanpyrolyse mit Abscheidung anfallender CO2-Emissionen klimaneutrale Alternativen sein. Dadurch würden sich die Regionen bis zum Jahr 2030 zu einem Netto-Exporteur von Wasserstoff entwickeln. Die EWI-Wissenschaftler schätzen das Produktionspotenzial auf jährlich bis zu 366 TWh im Jahr 2045. So würde sich ein noch größerer Bedarf an Pipelines ergeben.

Anreize für Investoren schaffen

Wie ein künftiges Wasserstoffnetz aussehen sollte, ist gegenwärtig umstritten und hängt entscheidend davon ab, wie sich Angebot und Nachfrage entwickeln. Unter anderem beeinflussen das die Technologie- und Kostenentwicklungen sowie möglichen Förderungsmechanismen. Diese Unsicherheiten machen Investitionen in Wasserstoffnetze risikoreich. Zudem ist die Herstellung von grünem, mit Ökostromanlagen hergestelltem Wasserstoff zurzeit meist unwirtschaftlich.

Die Vorstellungen zu einem möglichen künftigen Netz reichen deshalb von einzelnen Inselnetzen bis hin zu einem flächendeckenden und umfassend vermaschten Netz. Man kann sich das analog zum heutigen Erdgasnetz vorstellen. „Mit der nun beschlossenen sogenannten Opt-in-Regulierung für Betreiber von Wasserstoffnetzen hat der Gesetzgeber einen Schritt unternommen, die Sicherheit für Investitionen zu erhöhen und einen bedarfsgerechten Ausbau künftiger Wasserstoffnetze sicherzustellen“, erklärt Çam. In einer Übergangsphase soll es den Betreibern von Wasserstoffleitungen demnach freigestellt werden, ob sie sich der Netzregulierung unterwerfen oder nicht.

Nutzung von Erdgasleitungen

Siemens Energy, Gascade und Nowega haben in der Studie „Wasserstoffinfrastruktur – tragende Säule der Energiewende” die Umstellung von Ferngasnetzen auf Wasserstoff in der Praxis betrachtet: Entgegen einer oftmals vertretenen Auffassung liege die transportierbare Energiemenge von Wasserstoff nur wenig unter der von Erdgas, heißt es in dem Papier. Fazit: Deshalb habe die Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff auch nur geringe Auswirkungen auf die Kapazität einer Pipeline.

Der obere Heizwert von Erdgas liegt etwa dreimal so hoch wie der von Wasserstoff. Beim Vergleich des Energieflusses zweier Gase durch eine Pipeline spielt jedoch nicht allein das Volumen eine Rolle, sondern die drei Parameter Dichte, Strömungsgeschwindigkeit und Druck, erklären die Autoren. „Da Wasserstoff eine neunmal geringere Dichte und die dreifache Strömungsgeschwindigkeit von Erdgas aufweist, kann in der Pipeline bei gleichem Druck und in der gleichen Zeit fast dreimal so viel Wasserstoff wie Erdgas transportiert werden.“ Die Energiedichte verringert sich demnach kaum. Eine Umrüstung der Erdgasleitungen, um sie für H2 zu nutzen, ist also durchaus sinnvoll.

Das Henne-Ei-Problem

Wer geht zuerst ins Risiko? Derzeit wird versucht, das sogenannte Henne-Ei-Problem über Pilot- und Demonstrationsprojekte aufzulösen, um eine Skalierung der Projekte sowie eine Kostensenkung der Technologie zu erreichen. Im Ergebnis der EWI-Studie zeigt sich, dass das H2-Startnetz im Rahmen der „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI) bis 2030 einen Großteil des Transportbedarfs abdeckt und in beiden Szenarien auch benötigt wird.

Mittelfristig reicht die reine Finanzierung von Pilot- und Demonstrationsprojekten allerdings nicht mehr aus, um Wasserstoffangebot und -nachfrage dauerhaft anzureizen und die Kommerzialisierung voranzutreiben, resümieren die EWI-Forscher. Es gilt also, Angebot und Nachfrage zusätzlich zu fördern.

Die Kosten für grünen Wasserstoff, der die Erdgasleitungen künftig befüllen soll, hängen vor allem an zwei Komponenten: den Stromkosten inklusive aller Umlagen und den Investitionskosten für den Elektrolyseur. Die Investitionskosten könnten durch gezielte Fördermaßnahmen, beispielsweise durch Zuschüsse oder zinslose Darlehen, gesenkt werden, erklären die Wissenschaftler. Auch könnten innovative Herstellungsmethoden für Elektrolyseure gefördert werden. Denn durch den Ausbau der Produktionskapazitäten ergeben sich Lern- und Skalierungseffekte, und ein höherer Automatisierungsgrad könnte die Kosten reduzieren.

Contracts for Difference

Auf Seiten der Stromkosten hat der Gesetzgeber ebenfalls erste Schritte unternommen: H2-Produzenten werden unter bestimmten Bedingungen von den Netzentgelten befreit. Auch die EEG-Umlage ist zum 1. Juli 2022 weggefallen – davon profitieren natürlich auch die Betreiber von Elektrolyseuren. Schwieriger ist es bei den Strombezugskosten: Mit den zuletzt stark gestiegenen Börsenstrompreisen wird auch die Wirtschaftlichkeit grünen Wasserstoffs schwieriger.

Langfristig hilft deshalb nur der Ausbau der erneuerbaren Energien. Kurzfristig können auch gezielte Fördermaßnahmen, beispielsweise Differenzverträge (Contracts for Difference), helfen, einen Maximalstrompreis oder einen Abnahmepreis für Wasserstoff für Produzenten abzusichern. Das ist ein durchaus gängiges Mittel in der Marktwirtschaft, um eine neue Technologie aufzubauen.

Zu Beginn ist es deshalb sinnvoll, kleinere Inselnetze in Industriezentren (z. B. im mitteldeutschen Chemiedreieck) oder in Ballungsräumen (z. B. Berlin) aufzubauen, um lokale Nachfrager, Erzeuger und Speicher zu verbinden. Im nächsten Schritt können diese Inselnetze untereinander sowie zu möglichen Importpunkten an der Küste oder zu benachbarten Regionen verbunden werden. Langfristig entsteht dann daraus ein deutschlandweites Netz, das den überregionalen Ausgleich und den grenzüberschreitenden Handel ermöglicht.

Auf der Nachfrageseite kann grüner Wasserstoff potenziell sehr unterschiedlich eingesetzt werden, beispielsweise in Brennstoffzellen-Lkw, -Zügen oder -Bussen, um Treibhausgasemissionen im ÖPNV zu reduzieren, um ein paar Beispiele aus der Mobilität zu nennen.

Welche Regionen profitieren besonders? Zum einen sind es vor allem die industriellen Zentren, z. B. der Chemie- und Stahlindustrie, die eine Transformation hin zu einer klimafreundlichen Produktion vor sich haben. Zum anderen Regionen, in denen Produktionskapazitäten für Elektrolyseure errichtet werden. Nicht zuletzt werden hier neue Arbeitsplätze entstehen und zusätzliche Steuereinnahmen erzielt.

Welche Akteure können die Entwicklung voranbringen?

Beim pipelinebasierten H2-Transport liegt es nahe, dass sich Erdgastransport- und Verteilnetzbetreiber auch als künftige Betreiber eines Wasserstoffnetzes anbieten. Sie verfügen über die Möglichkeit zur Umrüstung bestehender Erdgas- zu Wasserstoffpipelines – auch wenn das hoher Investitionen bedarf. Zudem sind sie geübt im Transport von gasförmigen Energieträgern sowie dem Betrieb regulierter Versorgungsleitungen.

Analysen des EWI belegten zudem, dass Energieversorger eine zentrale Rolle auf der Angebotsseite einnehmen könnten. Denn diese haben einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Durch ihre Kernkompetenzen in der Stromerzeugung und im Stromhandel sowie ihre häufig breit gestreuten Erzeugungsportfolios – inklusive Ökostromanlagen – verfügen sie über die nötige Expertise, um die Elektrolyseure mit dem Stromsystem zu koppeln.

Autor: Niels Hendrik Petersen

Abb. 1: Die Verlegung der Europäische Gas-Anbindungsleitung (EUGAL) in Brandenburg: Die Erdgas-Pipeline läuft von der deutschen Ostseeküste bis nach Tschechien.

Quelle: Gascade Gastransport

Kategorien: 2022 | Allgemein
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