„Wenn es jemals ein Momentum für Wasserstoff gab, dann jetzt“

„Wenn es jemals ein Momentum für Wasserstoff gab, dann jetzt“

Interview mit Dr. Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender Deutsche Messe

„Wir bringen Leute zusammen.“ Mit diesen Worten beschrieb Dr. Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Messe, den Anspruch der Hannover Messe, auch 2024 wieder die Anlaufstelle im Real Life für AusstellerInnen und BesucherInnen im Industriesektor zu sein. Noch stärker als schon 2023 soll dabei in diesem Jahr Wasserstoff in den Fokus rücken. Köckler betonte die Notwendigkeit von mehr Gemeinsamkeit, indem er sagte, der Aufbau einer H2-Wirtschaft werde „nur gelingen, wenn Politik und Wirtschaft zusammen funktionieren“.

HZwei: Herr Dr. Köckler, 2023 zählte Wasserstoff bereits zu den fünf Kernthemen, die Sie während der Hannover Messe bespielt haben. Wird 2024 die Präsenz der H2-Technologie nochmals zunehmen?

Köckler: Wir gehen davon aus, dass wir im Bereich Wasserstoff einen deutlichen Anstieg erleben werden. Sowohl auf der Hydrogen + Fuel Cells Europe als auch in den anderen Ausstellungsbereichen der Hannover Messe stehen die Zeichen auf Wachstum.

HZwei: Was werden Sie vonseiten der Deutsche Messe unternehmen, um die große Bedeutung des Themas Wasserstoff herauszustellen?

Köckler: Mit dem diesjährigen Partnerland Norwegen rücken wir das Thema Energie in den Fokus, und damit insbesondere das Thema Wasserstoff. Deutschland und Norwegen haben bereits im Januar 2023 eine Energiekooperation vereinbart. In der gemeinsamen Erklärung zum Thema Wasserstoff bekräftigten die beiden Länder ihre Absicht, bis 2030 eine großflächige Versorgung mit Wasserstoff inklusive der dafür notwendigen Infrastruktur aufzubauen. Norwegen wird sich daher mit seinem Gemeinschaftsstand im Energiebereich der Hannover Messe positionieren.

HZwei: Mit der Hydrogen + Fuel Cells Europe ist eine der wichtigsten H2-Messen Europas Teil Ihrer Industrieschau. Was können die BesucherInnen dort erwarten?

Köckler: Die Hydrogen + Fuel Cells Europe ist seit rund 30 Jahren der Treffpunkt der internationalen Community. Dort trifft sie sich, dort diskutiert sie in zwei Foren alle relevanten Themen. Im Public Forum geht es um aktuelle Themen, wie zum Beispiel die Frage, welchen Beitrag Wasserstoff zur CO2-Reduktion leisten kann. Im Technical Forum werden neue Produkte und Lösungen präsentiert. BesucherInnen, die sich mit dem Thema Wasserstoff beschäftigen, erhalten dort einen umfassenden Überblick über technische Neuerungen, aber auch über unterschiedliche Anwendungsfelder.

Aber H2-Lösungen werden nicht nur auf der Hydrogen + Fuel Cells Europe in Halle 13 gezeigt, sondern auch in anderen Bereichen der Hannover Messe. Wir freuen uns, dass immer mehr Aussteller mit wasserstoff- und brennstoffzellenrelevanten Produkten vertreten sind. Insgesamt erwarten wir mehr als 500 Unternehmen in Hannover. Damit geben wir der Wasserstoffwirtschaft einen ordentlichen Schub. Die Salzgitter AG informiert zum Beispiel in Halle 13 über klimaneutrale Herstellung von grünem Stahl aus grünem Wasserstoff.

HZwei: Waren Sie auf der Hydrogen Technology Expo in Bremen? Beeindruckt es Sie, wie schnell diese Messe gewachsen ist und wie professionell sie aufgezogen wurde?

Köckler: Wenn ein Thema an Bedeutung gewinnt, dann entstehen natürlich auch neue Möglichkeiten für Messen, das ist normal. Unser Vorteil ist, dass wir das Thema Wasserstoff und Brennstoffzellen bereits seit Jahrzehnten besetzen und in all dieser Zeit eine einzigartige Community etabliert haben. Diese weiß die Einbindung der Hydrogen + Fuel Cells Europe in die Hannover Messe zu schätzen, da sie hier direkten Zugang zur Industrie, zur Energiewirtschaft und zur Politik hat. Das gibt es weltweit auf keiner anderen Messe.

HZwei: Wie ist Ihre Sicht auf den deutschen Veranstaltungssektor? Welches sind die Vorteile der Hannover Messe gegenüber mittlerweile großen europäischen H2-Fachmessen wie beispielsweise in Rotterdam oder Paris?

Köckler: Die Hannover Messe ist eine horizontale Messe, auf der sich alljährlich VertreterInnen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft austauschen. Sie befruchten sich gegenseitig und treiben im Schulterschluss Entwicklungen voran. In der Halle 2 zeigen zum Beispiel WissenschaftlerInnen von führenden Forschungsinstituten, an welchen Produkten und Lösungen geforscht wird. In den anderen Hallen der Hannover Messe geht es um konkrete Anwendungen. Die Politik wird in diesem Jahr noch stärker vertreten sein als in den Vorjahren, da neben dem Bundeskanzler Olaf Scholz sowie dem Wirtschaftsminister Robert Habeck auch Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, erwartet wird.

Die EU wird insgesamt stark vertreten sein. Am ersten Messetag findet die EU-Konferenz „EU as Home of the Decarbonised Industry” im Convention Center auf dem Messegelände in Hannover statt. Auf der Veranstaltung können sich Industrievertreter mit hochrangigen EU-Politikern austauschen, um über relevante Themen wie den Green Deal zu diskutieren. Diese Möglichkeiten bietet nur die Hannover Messe. Insbesondere im Energiebereich ist der Kontakt zur Politik wichtig, da alle politischen Entscheidungen in dem Bereich Auswirkungen auf die Unternehmen haben.

Interviewer: Sven Geitmann

H2Direkt: Blaupause fürs Heizen mit reinem H2

H2Direkt: Blaupause fürs Heizen mit reinem H2

Die Thüga und Energie Südbayern (ESB) sowie Energienetze Bayern haben Teile ihres Gasnetzes in einem Testgebiet auf 100 Prozent Wasserstoff umgestellt. Mitte September 2023 wurde die H2-Einspeiseanlage des Forschungsprojekts H2Direkt in Hohenwart im Landkreis Pfaffenhofen in Betrieb genommen. Schon in dieser Heizperiode werden von dort aus zehn Kunden über das umgewidmete Gasnetz für zunächst 18 Monate mit reinem Wasserstoff versorgt.

„Die Umstellung eines Erdgasnetzes auf 100 Prozent Wasserstoff ist mit geringen technischen Umrüstungen machbar und der Betrieb ist sicher“, sagte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger bei der Inbetriebnahme. H2Direkt sei damit eine Blaupause für eine klimafreundliche Energieversorgung.

Die Einspeiseanlage reduziert den Druck des gelieferten Wasserstoffs und speist ihn mit 250 Millibar in den entsprechenden Netzabschnitt ein. Den dafür benötigten grünen Wasserstoff liefert die Westfalen AG in Trailern per Lkw nach Hohenwart.

Das Forschungsinstitut DVGW-EBI hat zuvor grünes Licht für alle im Verteilnetzbereich verbauten Komponenten gegeben. H2-tauglich sind auch alle verbauten Komponenten in den Heizungsräumen der Haushalte, inklusive der ursprünglich vorhandenen volumetrischen Gaszähler, die für die Messrichtigkeit mit Wasserstoff durchaus geeignet sind. Wegen des größeren Volumenstroms von Wasserstoff werden sie trotzdem durch handelsübliche, aber größer ausgelegte Zähler ersetzt.

Die 100 Prozent H2-fähigen Brennwertthermen kommen vom Kooperationspartner Vaillant. Als Teil des Forschungsvorhabens werden zudem Regularien für die Messung von Wasserstoff aufgestellt. Das Messkonzept ist vom Eichamt beziehungsweise Landesamt für Maß und Gewicht (LMG) für den Feldtest freigegeben. H2Direkt ist Teil des TransHyDE-Projekts Sichere Infrastruktur und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. (s. Bericht S. 15)

Autor: Niels Hendrik Petersen

Einfach umstellen?

Einfach umstellen?

Wasserstoff im Erdgas-Bestandsnetz

Ob Wasserstoff einen Beitrag zur Wärmewende leisten kann, wird auch davon abhängen, wie leicht sich vorhandene Erdgasnetze umstellen lassen. Gasnetz Hamburg will das im Projekt H2Switch100 herausfinden. Dafür nimmt das Unternehmen ein möglichst gewöhnliches Stück seines Bestandsnetzes unter die Lupe.

Etwas Besonderes ist der kleine Netzabschnitt in Hamburgs südlichem Stadtteil Harburg nicht – und genau deshalb hat Gasnetz Hamburg ihn ausgewählt. Insgesamt 16 Anschlüsse, davon 14 in normaler Haushaltsgröße, ein Gewerbehof und ein Sportverein gehören dazu. In den Wohnhäusern sind Gasheizungen installiert. Gewerbehof und Sportverein betreiben ein Blockheizkraftwerk mit Erdgas. Es gibt in dem Teilnetz neue PE-Rohre (Polyethylen) ebenso wie alte Stahlleitungen und Hausanschlüsse aus verschiedenen Jahrzehnten. „Der Netzabschnitt ist repräsentativ für das Hamburger Gasnetz“, sagt Sebastian Esser, Projektleiter bei Gasnetz Hamburg.

Das Ziel ist es, herauszufinden, ob sich auch weitere ganz gewöhnliche Netzabschnitte auf Wasserstoff umstellen ließen. Durch den Mix von Materialien und Bauarten unterscheidet sich H2Switch100 vom zeitlich weiter fortgeschrittenen Projekt H2Direkt der Thüga in Hohenwart. Dort will diese bereits im Winter 2023/24 zehn Haushalte und einen Gewerbekunden mit reinem Wasserstoff beliefen. Allerdings sind dort ausschließlich die als wasserstofftauglich bekannten PE-Leitungen verbaut (s. S. 30).

Machbarkeitsstudie mit Laborversuchen

In Hamburg stehen derweil noch die Voruntersuchungen an. Gemeinsam mit den Partnern TÜV Süd und DBI Gas- und Umwelttechnik will Gasnetz Hamburg in einer Machbarkeitsstudie binnen zwölf Monaten die Integrität des Netzes für Wasserstoff nachweisen. Im ersten Schritt gehen dafür Proben aus dem Originalnetz ins Labor. „Von jedem Komponententyp, der im Netz vorkommt, werden wir mindestens ein Exemplar untersuchen“, sagt Esser.

Namentlich handelt es sich dabei sowohl um einzelne Schieber und Kugelhähne, aber auch um ganze Hauseinführungskombinationen und Stücke der Rohrleitungen. In den Laboren der Partner-Organisationen sollen die Bauteile dann zeigen, dass sie für den Einsatz in einem Wasserstoffnetz geeignet sind. Gibt es eine Versprödung der Stahlteile? Funktionieren die Druckregler? Halten die Absperreinrichtungen dicht? Auf diese Fragen soll die bis August laufende und von der Hamburger Förderbank IFB unterstützte Machbarkeitsstudie Antworten liefern.

„Bei den alten Komponenten und den Leitungen an sich sind wir sehr zuversichtlich, da durch die Leitungen bis in die 1980er Stadtgas mit etwa 50 Prozent Wasserstoffanteil geflossen ist. Einige Komponenten sind aber erst später dazugekommen“, sagt Esser. Die Kosten für diese erste Projektphase liegen laut Gasnetz Hamburg „im niedrigen sechsstelligen Bereich“.

Zähler und Brenner tauschen

Fallen die Labortests positiv aus, folgt Schritt 2: die eigentliche Umstellung des Netzes. Dabei geht es nicht nur um die Machbarkeit, sondern auch um Kosten. Denn auch wenn das Netz wasserstofftauglich ist, werden voraussichtlich mindestens die Brennerdüsen und die Zähler getauscht werden müssen. Schließlich muss das Normvolumen an Gas um den Faktor drei steigen, um den geringeren Brennwert des Wasserstoffs im Vergleich mit Erdgas auszugleichen.

„In den Rohrleitungen selbst ist das kein Problem. Erstens hat der Wasserstoff eine geringere Viskosität und strömt daher schneller, zweitens können wir bei Bedarf den Druck etwas erhöhen, und drittens gibt es bei den Leitungsdurchmessern im Hamburger Gasnetz auch genügend Reserven“, erklärt Esser.

Heizungen, die sich mit reinem Wasserstoff betreiben lassen, haben viele Hersteller bereits für die kommenden Jahre in petto. „Was die Blockheizkraftwerke betrifft, haben Hersteller bereits angekündigt, Geräte für den Test zur Verfügung stellen zu wollen“, so Esser. Die Mehrkosten, die durch den Pilotversuch anfallen, will Gasnetz Hamburg übernehmen. Dank dieser Zusage rennt der Versorger bei den Kunden offene Türen ein. „Sogar einige Nachbarn, die noch keinen Gasanschluss haben, haben nun auch Interesse an Wasserstoff bekundet“, erzählt Esser.

Wasserstoff aus geplantem Industrienetz

Während die Leitungen und die weiteren Bauteile sehr normal sind, ist die Lage des Teilnetzes allerdings eine sehr besondere: Es liegt quasi direkt an der Trasse für das bereits geplante Wasserstoffnetz für die Hamburger Industrie mit dem Projektnamen HH-WIN. Bereits 2024 will Gasnetz Hamburg große Teile von HH-WIN bauen. Im Jahr 2027 will das Unternehmen den ersten Wasserstoff liefern können. Die Bestätigung, dass es sich um ein sogenanntes Important Project of Common European Interest (IPCEI) handelt, welches eine besonders hohe Förderung in Anspruch nehmen darf, stand bei Redaktionsschluss allerdings noch aus.

„Im Vergleich zum Bedarf der Industrie ist der Wasserstoffbedarf für das Pilotprojekt minimal“, sagt Esser. Der Wasserstoff für das Industrienetz soll aus drei Quellen kommen, die nach jetzigen Ankündigungen alle bis zur Inbetriebnahme bereitstehen sollen. Da ist zum einen der 100 Megawatt starke Elektrolyseur, der direkt im besagten Industriegebiet am Standort des einstigen Kohlekraftwerks Moorburg entstehen soll. Nach einiger Unruhe im Projektkonsortium wollen die Hamburger Energiewerke das Projekt nun zusammen mit dem Vermögensverwalter Luxcara als Mehrheitseigner umsetzen. Die Inbetriebnahme ist weiterhin für 2026 angepeilt.

Zweitens soll Wasserstoff über ein Ammoniak-Terminal nach Hamburg kommen, das Mabanaft und Air Products Anfang 2022 angekündigt haben. Mittlerweile hat das Projekt eine nautische Risikoanalyse durchlaufen, und die Unternehmen sind dabei, die Unterlagen für das Genehmigungsverfahren zusammenzutragen. Als Zieljahr für die Inbetriebnahme nennt Mabanaft weiterhin 2026.

Und drittens ist da noch das europäische Wasserstoff-Kernnetz der Fernleitungsnetzbetreiber. Sowohl mit den Niederlanden als auch mit Wilhelmshaven ist Hamburg durch bestehende Fernleitungen verbunden, die in der ersten Projektphase auf Wasserstoff umgestellt werden sollen (s. S. 30).

Wie CO2-arm die Erzeugung des Wasserstoffs jeweils sein wird, ist bisher kaum zu sagen, da sowohl die Regularien als auch die Energieerzeugung und -umwandlung massiv in Bewegung sind.

Rolle von Wasserstoff in der Wärmewende unklar

Falls sich zeigt, dass sich das Leitungsnetz leicht umnutzen ließe, wird Wasserstoff damit allerdings nicht zur ersten Wahl für die Hamburger Wärmewende. Schließlich gibt es für die Gebäudeheizung im Gegensatz zur Industrie viele andere Optionen mit deutlich geringeren Umwandlungsverlusten. Diese Überlegung war einst auch Grundlage der Wasserstoff-Roadmap, die den – zunächst noch knappen – grünen Wasserstoff prioritär den schwer dekarbonisierbaren Sektoren zuspricht, zuallererst der Industrie. Auch die Hamburger Umwelt- und Energiebehörde (BUKEA) folgt dieser Strategie.

Die Hansestadt hat deutlich früher als die meisten anderen Großstädte damit begonnen, Daten für ein Wärmekataster zusammenzutragen, und will 2024 bereits eine vollständige Wärmeplanung vorlegen. In der Innenstadt wird diese voraussichtlich vor allem auf Fernwärme hinauslaufen, in den Randgebieten stehen Wärmepumpen hoch im Kurs.

„Sicherlich ist die Umstellung der Erdgasleitungen auf reinen Wasserstoffbetrieb keine Lösung für ganz Hamburg“, räumt auch der technische Geschäftsführer Michael Dammann von Gasnetz Hamburg ein. „Doch das Weiternutzen einer bereits bestehenden Infrastruktur mit dem grünen Gas kann bei bestimmten Bebauungsstrukturen und Lagen eine sinnvolle Ergänzung zu Optionen wie Fernwärmeausbau und Wärmepumpen sein. Mit H₂-SWITCH100 wollen wir ganz konkret herausfinden, welcher Aufwand und welche Kosten mit einer solchen Umstellung verbunden sind und ob es technische Hürden gibt.“

Autorin: Eva Augsten

55-MW-Elektrolyseur zur Dekarbonisierung des Saarlands

55-MW-Elektrolyseur zur Dekarbonisierung des Saarlands

Regionen-Serie: Reallabor HydroHub Fenne

Am traditionsreichen Kraftwerksstandort Völklingen-Fenne, der in diesem Jahr seinen hundertsten Geburtstag feiert, plant Iqony aktuell die Energieversorgung der Zukunft für die Industrieregion Saarland. Iqony ist eine auf erneuerbare Energien, Wasserstoffprojekte, Energiespeicher, Fernwärmeversorgung und Dekarbonisierungslösungen spezialisierte Konzerntochter der STEAG.

Der Standort ist heute schon ein wichtiger Energieknotenpunkt für das südwestdeutsche Bundesland und die dortige Fernwärmeversorgung. Künftig kommt der „HydroHub Fenne“ hinzu und sorgt dafür, dass der Standort auch zukünftig ein wichtiger Baustein im saarländischen Energiesystem bleibt.

„Wir sehen den Standort aufgrund seiner bestehenden Infrastruktur als ideal geeignet an, um hier eine Wasserstofferzeugung aufzubauen. So können wir über den vorhandenen Netzanschluss hinreichend viel Strom aus erneuerbarer Erzeugung beziehen, um hier verbrauchsnah erneuerbaren Wasserstoff zu erzeugen“, erläutert Dr. Patrick Staudt, der das Thema Wasserstoff bei der Iqony Energies GmbH, einer im Saarland beheimateten Tochtergesellschaft der Iqony, betreut.

Dabei gilt es, die Bestimmungen der Renewable Energy Directive (RED) der Europäischen Union und deren Umsetzung in deutsches Recht zu beachten, damit der in Fenne erzeugte Wasserstoff auch als klimaneutral im Sinne der strengen Kriterien des EU-Rechts einzustufen ist. Damit dies gelingt, steht dem Projekt der unternehmenseigene Handelsbereich von Iqony zur Seite.

Ohne IPCEI-Notifizierung geht’s nicht

Abhängig von der Anzahl der Betriebsstunden wird der HydroHub Fenne künftig etwa 8.200 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr produzieren. „Derzeit planen wir die Inbetriebnahme der Anlage für 2027 – vorausgesetzt, die letzten Aussagen über den Abschluss der IPCEI-Notifizierung durch die Europäische Union treffen zu“, sagt Patrick Staudt.

IPCEI steht für „Important Project of Common European Interest”. Bereits im Frühjahr 2021 hatte Iqony sich darum beworben, dass ihr saarländisches Wasserstoffprojekt als ein solches anerkannt wird. „Eine Anerkennung unseres Vorhabens als IPCEI ist die Voraussetzung dafür, dass die Bundesregierung uns bei der Investition finanziell fördern darf. Ohne IPCEI-Notifizierung geht das aufgrund des europäischen Wettbewerbs- und Beihilferechts nicht“, macht Dominik Waller, der sich gemeinsam mit Patrick Staudt um die Projektentwicklung kümmert, den Stellenwert der Entscheidung klar.

Tatsächlich sieht es für das Projekt in Fenne gut aus. Eine abschließende Entscheidung in Brüssel wird noch bis Ende 2023 erwartet – mehr als zwei Jahre nach dem ursprünglich geplanten Entscheidungszeitpunkt. „Wenn die Fördererlaubnis der EU vorliegt, wird es anschließend darum gehen, dass die Bundesregierung die konkrete Umsetzung der Förderung vornimmt. Das sollte im ersten Quartal 2024 geschehen sein, so dass wir mit Blick auf den Projektzeitplan noch im Soll liegen“, so Patrick Staudt.

Die öffentliche Förderung des Projekts ist notwendig, weil es bisher noch keinen funktionierenden Markt für Wasserstoff im Allgemeinen und grünen, also erneuerbaren Wasserstoff im Besonderen gibt. Wasserstoff kann der Industrie oder etwa auch dem öffentlichen Personennahverkehr helfen, CO2-Emissionen zu vermeiden. Dabei konkurriert der Wasserstoff allerdings wirtschaftlich mit anderen Energieträgern wie etwa Erdgas. Wirtschaftlich kann der Wasserstoff aktuell noch nicht mithalten, eben weil sich noch kein wettbewerblicher Markt entwickelt hat.

„Wir sehen hier ein klassisches Henne-Ei-Problem: Potenzielle Wasserstofferzeuger warten mit ihrer Investitionsentscheidung auf verbindliche Signale künftiger Abnehmer. Umgekehrt investieren potenzielle Abnehmer nicht in die Umstellung ihrer Prozesse und Anlagentechnik, solange sie keine Gewähr haben, dass in Zukunft der benötigte Wasserstoff in hinreichender Menge zur Verfügung steht. Aus diesem Dilemma kommt man nur heraus, indem die öffentliche Hand über Förderungen für Investitionssicherheit auf beiden Seiten sorgt“, weiß Dominik Waller.

Wie hoch die Förderung für den HydroHub in Fenne ausfällt und wie hoch die Investitionskosten insgesamt sein werden, kann Iqony aus wettbewerblichen Gründen nicht konkret beziffern. Klar sei aber, dass für das Projekt ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag veranschlagt werde. „Genaueres lässt sich ohnehin erst sagen, sobald die Ausschreibung für die Anlagentechnik abgeschlossen ist“, so Patrick Staudt. Dies werde jedoch erst der Fall sein, wenn der Förderbescheid vorliege. Hier zeige sich also noch einmal, so Patrick Staudt, wie elementar wichtig der Abschluss des IPCEI-Verfahrens für die weitere Entwicklung des Projekts sei.

Abb. 2: Standortentwicklung

Ausschreibungen auf dem Markt

Eine weitere Auflage, die sich aus den Förderbedingungen für ein als IPCEI anerkanntes Projekt ergibt, ist, dass der erzeugte Wasserstoff nicht einfach so verkauft werden darf. „Wir sind angehalten, unser Produkt im Rahmen von Ausschreibungen auf den Markt zu bringen, so dass alle potenziellen Interessenten eine Chance haben, sich zu beteiligen“, so Dominik Waller. Dabei habe der Standort Fenne das Glück, dass er bereits über einen ausgedienten Gasleitungsanschluss verfüge, der künftig für die Anbindung des HydroHub Fenne an das erst noch entstehende Wasserstofftransportnetz genutzt werden könnte. „Auch deswegen beobachten wir die aktuelle Diskussion über die von der Bundesregierung vorgestellten Planungen für ein Wasserstoffkernnetz sehr aufmerksam – und sehen dabei insbesondere für das Saarland noch Nachbesserungsbedarf“, so Dominik Waller.

Dies gilt ausdrücklich nicht nur für die Andienung des künftigen Elektrolyseurs in Völklingen-Fenne durch den im November 2023 von der FNB Gas e.V. der Bundesnetzagentur vorgelegten Entwurf des Kernnetzes, sondern gerade auch für die bestehenden saarländischen Kraftwerksstandorte von STEAG bzw. Iqony in Bexbach und Quierschied (Kraftwerk Weiher). „An beiden Standorten wollen wir neue, wasserstofffähige Gaskraftwerke errichten – ganz so, wie es die Bundesregierung selbst als Ziel bis 2030 vorgegeben hat, damit wir alte Kohleblöcke abschalten, unsere nationalen Klimaziele erreichen und zugleich weiterhin Versorgungssicherheit auch dann gewährleisten können, wenn Energie aus Wind und Sonne einmal nicht in hinreichendem Maß zur Verfügung steht“, sagt Dr. Andreas Reichel, CEO von STEAG und Iqony.

Reichel ergänzt: „Die dafür notwendige Heranführung des Wasserstoff-Kernnetzes an diese beiden Standorte ist in den laufenden Planungen des Bundes noch nicht vorgesehen. Aber wir sind dankbar für die Zusicherung der saarländischen Landesregierung, sich in Berlin genau dafür einzusetzen.“ Dass dies geschehe, sei die Voraussetzung dafür, dass die Iqony bis 2030 die dort für die Versorgungssicherheit dringend benötigte neue Kraftwerkskapazität errichten könne und die grüne Transformation der Stromerzeugung auch im Saarland gelinge.

Denn mittel- und langfristig sollen diese und andere neue Gaskraftwerke mittels Wasserstoffeinsatz dann auch klimaneutral für gesicherte Energie sorgen. Wenn das H2-Kernnetz in der Planung des Bundes nicht heute in die unmittelbare Nähe der Standorte geführt wird, ist dies schlichtweg unmöglich. Trotz dieser noch offenen Fragen zeigt Iqony sich optimistisch, was die Realisierung seiner Wasserstoff- und Kraftwerksprojekte an der Saar angeht:

„Wir haben die ingenieurfachliche und energiewirtschaftliche Expertise aus mehr als 85 Jahren Erfahrung in Sachen Energie weltweit, wir haben die passenden Standorte und wir haben mit dem Bau und der Inbetriebnahme eines der weltweit modernsten Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke im nordrhein-westfälischen Herne Ende 2022 auch unter widrigen Corona-Umständen unter Beweis gestellt, dass wir anspruchsvolle technische Großprojekte ‚in time and budget‘ realisieren können – wenn man uns regulatorisch die Möglichkeit gibt“, so Andreas Reichel.

Mittelstand fordert mehr Sicherheiten

Mittelstand fordert mehr Sicherheiten

Gastbeitrag von André Steinau, CEO von GP Joule Hydrogen

Immerhin, die Ampelkoalition hat sich kurz vor Jahresende doch noch geeinigt. Und der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft wird – das zweite Immerhin – nicht komplett ausgebremst, sondern weitergehen. Aber: Unter anderem die „Zuschüsse zur Errichtung von Tank- und Ladeinfrastruktur“ werden im Klima- und Transformationsfonds 2024 um 290 Millionen Euro sinken (von 2,21 auf 1,92 Milliarden Euro), und – das zweite Aber – schon der bisherige Rahmen reichte und reicht für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland schlicht nicht aus.

Das ist angesichts der enormen Relevanz, die die Wasserstoffproduktion bei der Erreichung der Ausbauziele der erneuerbaren Energien und damit auch bei der Erreichung der Klimaziele hat, besonders unverständlich. Die Erzeugung von Strom aus Wind und Sonne ist nun mal wetterabhängig. Dementsprechend muss alles, was dabei hilft, die Erneuerbaren in unser Gesamtenergiesystem zu integrieren, zwischenzuspeichern und zu den Verbrauchern zu transportieren, gefördert werden. Die Elektrolyse hat dabei einen besonders hohen Wert, da sie die Energie in Form von Wasserstoff zeitlich unabhängig nutzbar macht und die Verteilung der Energie über den Transport auf der Straße, der Schiene und in Pipelines erst ermöglicht.

Hier wächst ein gigantischer Markt. Nachhaltig und gleichzeitig überlebenswichtig, wollen wir die schlimmsten Folgen der Klimakatastrophe noch abwenden. In den USA wurde das erkannt. Dort werden im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) viele Milliarden in den Aufbau der grünen Wasserstoffwirtschaft und damit auch in die Transformation der Industrie investiert.

Und hier? Hier werden Subventionen noch immer viel zu häufig so betrachtet, als wären sie Geschenke für risikoloses Unternehmertum. Das Gegenteil ist richtig. Allein bei den Wasserstoffprojekten, die GP Joule gerade umsetzt, reizen gut 30 Millionen Euro beantragte oder bewilligte Fördermittel fast 60 Millionen Euro private Investitionen an.

Doch Unsicherheit verschreckt Investoren, egal ob Banken, Unternehmerinnen und Unternehmer oder andere Kapitalgeber. Die Finanzierung grüner Wasserstoffprojekte wird immer schwieriger. Die Banken verlangen höhere Risikoprämien. Gleichzeitig sinkt die Förderung – siehe oben – eher, als dass sie anzieht. Die Bundesregierung verhält sich zögerlich. Einst angekündigte Förderprogramme lassen auf sich warten. Alles keine guten Signale.

Dabei müssten die versprochenen Förderaufrufe für Elektrolyseure, Wasserstofftankstellen und vor allem Brennstoffzellen-Lkw zügig auf die Straße gebracht werden, denn der Hochlauf der Wasserstofferzeugung braucht Abnahmesicherheit. Diese Sicherheit haben Wasserstofferzeuger, Infrastrukturbetreiber und Lkw-Hersteller nur, wenn Fahrzeuge gefördert werden.

Der Staat müsste mit einer kohärenten Politik aber nicht nur Sicherheits-, sondern auch Sicherheitengeber sein. Wenn die Finanzierung von Wasserstoffprojekten – auch aufgrund der internationalen Krisen von der Ukraine bis in den Nahen Osten – immer unmöglicher wird, wird es auch immer schwieriger, grünen Wasserstoff konkurrenzfähig günstig zu produzieren. Banken und Unternehmen aus der Kapital- und Finanzwelt suchen ja nach Wegen der Finanzierbarkeit von H2-Projekten. Doch dabei ist in der aktuellen Markthochlaufphase auch der Staat mit industrie- und wirtschaftspolitischen finanziellen Impulsen zwingend gefordert.

Vorschläge, wie diese Impulse aussehen können, wie der Staat zum Sicherheitengeber werden kann, gibt es genug: Statt einer reinen Investitionsförderung könnte eine Art feste Vergütung auf der Grundlage der Kapazität der Wasserstofftankstellen, die über einen Zeitraum von acht bis zehn Jahren unter der Bedingung einer anhaltend hohen Leistung der Tankstellen ausgezahlt wird, den jetzt benötigten Infrastrukturaufbau kommerziell möglich machen.

Auch könnte der Staat im wahrsten Sinne des Wortes Sicherheitengeber werden und für vergünstigte Kredite für Wasserstoffprojekte sorgen, zum Beispiel über ein KfW-Darlehensprogramm.

Für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland braucht es dringend starke Anreize. Die Instrumente liegen auf dem Tisch. Werden sie nicht genutzt, könnte Deutschland nach der Abwanderung der Solar- und Windkraftanlagenindustrie vor dem Wegbrechen des nächsten entscheidenden Pfeilers der Energiewende stehen. Es wäre nicht nur eine schlechte Nachricht fürs Klima, sondern auch für den Wirtschaftsstandort.

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