Schaffung neuer Ökosysteme

Schaffung neuer Ökosysteme

Interview mit Tomoho Umeda, Gründer von Hynfra

Tomoho Umeda ist wahrlich eine imposante Persönlichkeit. Der japanischstämmige Unternehmer zieht die Blicke auf sich, sobald er einen Raum betritt. Umeda ist der Gründer von Hynfra und Hynfra Energy Storage und fördert als strategischer Berater Wasserstofftechnologien sowie groß angelegte Lösungen für erneuerbare Energien. Er ist zudem Vorsitzender des Ausschusses für Wasserstofftechnologie bei der polnischen Handelskammer, Vorstandsmitglied der Vereinigung Hydrogen Poland und Mitglied von Hydrogen Europe sowie der European Clean Hydrogen Alliance.

HZwei: Herr Umeda, Sie sind Vorstandsvorsitzender eines der wichtigsten Unternehmen der Wasserstoffwirtschaft in Polen. Was motiviert Sie besonders in Hinblick auf die Entwicklung von Wasserstoff?

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Umeda: Ich war vorher an der strategischen Beratung für zwei Branchen beteiligt: für die chemische Industrie und für die Energiewirtschaft – insbesondere für die japanische Energiewirtschaft. Im Jahr 2014 nahmen uns die Japaner mit in ein Werk, das Wasserstoff herstellt. Dort habe ich erkannt, dass ich mit meinem Wissen über die chemische Industrie und die Energiewirtschaft wirklich eine sehr gute Grundlage habe. Und seitdem beschäftige ich mich aktiv mit Wasserstoff. Ich habe einige der besten Leute, die ich in der Energie- und in der Chemieindustrie kennengelernt habe, eingeladen, sich zusammenzutun und dieses Unternehmen gemeinsam zu gründen. Denn Wasserstoff verbindet beide Bereiche sehr gut.

Wenn wir heute über Wasserstoff reden, sprechen wir eigentlich über das gesamte Spektrum, also auch über seine Derivate, einschließlich Ammoniak und Methanol. Was das Ammoniak betrifft, so verfügt Polen seit hundert Jahren über umfangreiche Erfahrungen in der Synthese von Ammoniak und im Umgang mit Wasserstoff. Die effektivsten Syntheseverfahren oder Optimierungen dieser Verfahren wurden ebenfalls in Polen durchgeführt. Damit ist Polen auf der Welt konkurrenzlos. Wenn wir uns heute das Chemieunternehmen Zakłady Azotowe Puławy anschauen, dann basieren deren Prozesse wesentlich auf dieser Technologie. Sie ist damit ein Schlüsselelement der Energieoptimierung in Polen.

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Was den polnischen Markt sicherlich vom deutschen Markt unterscheidet, ist das Vorhandensein von Fernwärme und die Tatsache, dass unsere Wärme ein reguliertes Gut ist. Die Geschäftsparameter für solche Kraft-Wärme-Kopplungs- oder Polygenerationssysteme, die aus erneuerbaren Energien, Wasserstoff und Fernwärme bestehen, können dadurch sicherer vorhergesagt werden. Und das ist in der Tat die Richtung, in die wir weiter gehen wollen. In Polen wird dieser Wasserstoffmarkt ein fragmentierter Markt sein, denn die Fernwärme ist eine Grundlage für uns, um diese erneuerbaren Wasserstoffsysteme zu schaffen. Es sind mehr als 400 Städte, die mit Fernwärme ausgestattet sind.

Die gesamte postkommunistische Region verfügt über genau die gleiche Infrastruktur, denn sowohl in der Ukraine als auch in Russland, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarn und im Norden, in den baltischen Ländern bis hin zu Finnland gibt es im Grunde die gleichen Systeme, auch weiter im Osten, der Mongolei und China. Es ist alles im Grunde sehr ähnlich. Ein ähnlicher Aufbau. Das ist eine großartige Basis für uns. Nicht nur für die Dekarbonisierung einer Stadt oder einer lokalen Regierungseinheit, sondern auch für die Schaffung neuer Ökosysteme auf der Grundlage dieser Netze.

Deutschland will nur grünen Wasserstoff nutzen. Die Projekte, die Sie durchführen, im polnischen Sanok oder dem ukrainischen Butscha, wo Sie ebenfalls aktiv sind, basieren ebenfalls auf grünem Wasserstoff. Würden Sie auch Wasserstoff verwenden, der mit anderen Energiequellen erzeugt wurde?

Wir setzen auf die erneuerbaren Energien, also entweder auf Wasserstoff aus Elektrolyse oder aus Biogas/Biomasse. Im Falle der Biomasse, die immer als erneuerbar gelten wird, schließen wir zumindest die Möglichkeit der Entwicklung von Projekten mit sogenanntem blauem Wasserstoff oder generell mit Systemen, die auf der Eliminierung von Kohlendioxid beruhen, nicht völlig aus. Fossile Brennstoffe hingegen werden wir nicht akzeptieren, weil wir glauben, dass diese EU-Verordnungen oder generell die Richtung, die wir weltweit in den Pariser Abkommen vereinbart haben, eindeutig ist. Ich verstehe ja jene Unternehmen, die versuchen, ihre bestehende Infrastruktur, ihre bestehenden Anlagen zu behalten und sie ein wenig zu modifizieren. Aber das ist das Problem dieser Unternehmen. Es ist nicht unser Problem. Wir sind nicht mit solchen Anlagen belastet und wir sind frei, um erneuerbare Energien zu nutzen.

Wenn ich aber an die Ukraine und Wasserstoff denke, kommt mir sofort die Kernkraft in den Sinn.

Die Kernenergie ist ein ganz anderes Thema, das sehr interessant ist. Ich denke, dass im Zusammenhang mit dem, was in letzter Zeit mit dem Überschuss an erneuerbaren Energien passiert ist, allmählich klar wird, warum Deutschland sich von der Kernenergie abgewendet hat. Denn wenn heute die Kernenergie im deutschen System immer noch einen bedeutenden Teil des sogenannten Sockels ausmachen würde, dann wäre eine Steigerung der Effizienz bei der Produktion aus erneuerbaren Quellen erschwert. Nun, es ist klar, dass die Kernenergie zwar sauber sein mag, aber systemisch gesehen ist sie einfach nicht sehr rational. Generell sehe ich diese Realität aber ein wenig anders, denn ich habe immer noch den Eindruck, dass wir ständig von Dekarbonisierung reden und dass wir uns irren, wenn wir nur über die Stromsysteme reden und nicht über den gesamten Energieverbrauch der Wirtschaft. Ich habe bis jetzt keine schlüssigen deutschen Ideen gesehen, wie man mit der Dekarbonisierung des gesamten Energieverbrauchs in der Wirtschaft umgehen will.

Ist der deutsche Markt für Ihr Unternehmen interessant? Versuchen Sie, dort Projekte vor Ort zu realisieren?

Wir haben darüber nachgedacht und sogar einige Versuche unternommen. Aber wir haben den Eindruck, nachdem wir verschiedene Vorstudien und Berechnungen durchgeführt haben, dass es paradoxerweise viel schwieriger ist, Wasserstoffprojekte auf dem deutschen Markt zu entwickeln als hier. Erstens ist dort schon ein hoher Sättigungsgrad mit erneuerbaren Energien vorhanden. Paradoxerweise würde ich jedoch sagen, dass es angesichts einer gewissen geografischen Ähnlichkeit für uns schwierig ist, die Modelle, die in Polen praktikabel sind und keine finanziellen Lücken aufweisen, auf Deutschland zu übertragen. Dort werden diese finanziellen Lücken, die bei diesen Projekten auftreten, mit Subventionen finanziert. Das wiederum führt zu einem neuen Wettbewerb, einem ungesunden Wettbewerb um Fördermittel. Wir führen unsere Projekte aber im Nullmodell durch, ohne Subventionen. Die Projekte müssen sich finanziell tragen. Deshalb haben wir uns aus dem deutschen Markt vorerst zurückgezogen.

Autorin: Aleksandra Fedorska

 

H2 aus Altholz und Bananenschalen

H2 aus Altholz und Bananenschalen

Biomasse – ein unterschätzter Lieferant für grünen Wasserstoff

Forscher wollen künftig Wasserstoff aus regionalen Holzabfällen gewinnen. Bioabfälle und Klärschlamm können helfen, grünen Wasserstoff für die Energie- und Verkehrswende zu produzieren. Werden Span- oder MDF-Platten verwendet, müssen sie zuvor von Klebstoffen befreit werden. Dann könnte der regenerative Energieträger aber von lokalen Betrieben und Energieversorgern genutzt werden. So hätte biogener Wasserstoff das Potenzial, den Energiebedarf von Industrie und Schwerverkehr regional zu decken – ein echter Joker für die Energiewende.

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Eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft auf der Basis von Holz hätte viele Vorteile, beispielsweise in der Schwarzwaldregion: Hier ist Holz das wichtigste Wirtschaftsgut. Bei der Verarbeitung zu Möbeln und Baustoffen oder beim Abbruch von Gebäuden fallen beachtliche Mengen von Holzresten an. Eine Entsorgung kostet meist sogar noch Geld. Bisher werden Alt- und Restholz allenfalls durch Verbrennungsanlagen energetisch genutzt.

Schon seit dem Sommer 2021 schlägt die süddeutsche Region einen neuen Weg ein: Aus den Holzabfällen soll grüner Wasserstoff werden. „Nach dem Ansatz der Bioökonomie wollen wir mithilfe biotechnologischer Prozesse klimaneutralen Biowasserstoff sowie zusätzlich verwertbare Stoffe wie Carotinoide oder Proteine aus Altholz und Holzabfällen herstellen“, erläutert Ursula Schließmann. Sie arbeitet beim Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) und koordiniert das Verbundvorhaben H2Wood – BlackForest.

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Durch die Verwendung von Altholz kann CO2 auf zwei Wegen eingespart werden: Zum einen ersetzt der regenerative Biowasserstoff bisherige fossile Energieträger, zum anderen werden Rest- und Altholz nicht nur Wasserstoff liefern. Durch den neuen biotechnologischen Ansatz wird die energetische Verwertung der Holzabfälle mit einer stofflichen Nutzung verknüpft. „Das aus dem Holz freigesetzte CO2 wird in Form von kohlenstoffbasierten Koppelprodukten gebunden“, erklärt Schließmann. „So wird es zurück in den natürlichen Kohlenstoffkreislauf geführt.“

Bislang existiert allerdings noch keine Anlage, die Biowasserstoff in größerem Maßstab herstellt. Am Fraunhofer IGB werden nun die dazu nötigen Prozesse vorbereitet und untersucht, bevor sie in der Pilotanlage am Campus Schwarzwald in Freudenstadt umgesetzt werden.

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert das Vorhaben im Schwarzwald bis Mitte 2024 mit rund 12 Mio. Euro. Partner des Projekts sind neben dem Fraunhofer IGB auch das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, das Institut für industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb IFF der Universität Stuttgart sowie der Campus Schwarzwald.

Klebstoffe und Lacke entfernen

Der erste Schritt und Voraussetzung für die biotechnologische Umwandlung ist eine Vorbehandlung. Denn Holzabfälle wie Span- oder MDF-Platten enthalten Klebstoffe wie Harze und Phenole oder auch Lacke. Diese chemischen Bestandteile müssten entfernt werden, denn nur so könnten Bakterien und Mikroalgen ihre Arbeit erledigen, erläutert die Forscherin. Zudem muss das Holz in seine Bausteine zerlegt werden, um die gewonnene Cellulose in einzelne Zuckermoleküle zu spalten, welche wiederum den H2-produzierenden Mikroorganismen als Futter dienen.

Für die biotechnologische Umwandlung der Holzzucker setzt das Fraunhofer IGB auf ein Fermentationsverfahren mit Bakterien, welche die Zuckerarten zu CO2, organischen Säuren und Ethanol verstoffwechseln. Die Stoffwechselprodukte der Bakterien stellen die Nahrung für die Mikroalgen dar. Diese synthetisieren daraus Carotinoide oder Proteine als Koppelprodukte und setzen dabei auch Wasserstoff frei.

Dass grüner Wasserstoff das Potenzial hat, den Energiebedarf von Industrie und Schwerverkehr regional zu decken, belegt die aktuelle Studie „Industrielle Wasserstoff-Hubs in Baden-Württemberg“ des Fraunhofer IPA. Ihr Fazit: Die dezentrale Wasserstofferzeugung und -nutzung zahlt sich aus, wenn man Verteilerzentren, neudeutsch Hubs genannt, strategisch richtig platziert und verbindet. Mit Ökostrom werden dann in diesen Hubs Elektrolyseure betrieben. Um Transportkosten gering zu halten, müssen die Zentren nahe bei den Verbrauchern stehen. Ein weiteres Kriterium: Die Industrie vor Ort muss einen Bedarf an Prozesswärme, Hochtemperaturprozessen und Wasserstoffgas, etwa für die Herstellung von Stickstoffdünger, haben.

„Ideale Standorte befinden sich in der Nähe stark befahrener Straßen mit Lkw-Betriebshöfen, an denen sich H2-Tankstellen einrichten lassen“, sagt Jürgen Henke vom Fraunhofer IPA. Mithilfe der Standortkriterien konnte das Forscherteam geeignete Orte in Baden-Württemberg identifizieren. Vor allem in der Metropolregion Rhein-Neckar und im Großraum Karlsruhe. Computersimulationen am Fraunhofer IPA zeigen, dass sich mit regional erzeugtem grünem Wasserstoff innerhalb von zehn Jahren 30 Prozent der fossilen Energie ersetzen lassen – und das nur auf landeseigenen Freiflächen.

Projekt: Wasserstoff aus Pflanzenresten

Neben Holz ist Bioabfall eine weitgehend ungenutzte Ressource. Rund 4,6 Mio. Tonnen haben die Deutschen im vergangenen Jahr laut Umweltbundesamt allein in ihren braunen Tonnen gesammelt. Hinzu kommen Abfälle aus öffentlichen Parks und Gärten, aus der Landwirtschaft und aus der Nahrungsmittelproduktion, außerdem Klärschlamm und Speisereste aus Kantinen – alles in allem gut 15 Mio. Tonnen.

Der Großteil landet in Kompostieranlagen oder wird verbrannt, um Wärme und Strom zu erzeugen. „Doch dafür ist der Bioabfall viel zu schade“, betont Johannes Full, Leiter der Gruppe nachhaltige Entwicklung biointelligenter Technologien am Fraunhofer IPA. „Sinnvoller wäre es, daraus Wasserstoff zu erzeugen und das dabei entstehende CO2 abzuscheiden, zu speichern oder langfristig zu nutzen.“

Wie das funktioniert, demonstriert das Fraunhofer IPA bei einem Unternehmen aus der Metallbranche. Dort können Abfälle von Obst- und Weinbauern aus der Umgebung, Kartonagen und Altholz sowie Kantinenabfälle in Wasserstoff umgewandelt werden. Dieser wird dann direkt in der Metallverarbeitung genutzt. Dafür werden die Obstreste und Kantinenabfälle zunächst mithilfe von Bakterien in dunklen Behältern fermentiert, wobei H2 und CO2 entstehen. Anschließend wird die fermentierte Masse in einer Biogasanlage zu Methan vergoren.

Blitzlicht zerlegt Bananenschalen

Auch an der TH Lausanne in der Schweiz wandelt ein Team um den Forscher Hubert Girault Biomasse in Wasserstoff – mittels Fotopyrolyse. In einem Reaktor befindet sich eine sogenannte Xenon-Blitzlampe, die energiereiches Licht emittiert. Das Team hat dabei mit Bananenschalen, abgenagten Maiskolben, Orangenschalen, der Haut von Kaffeebohnen und Kokosnussschalen experimentiert. Diese wurden zunächst 24 Stunden lang bei 105 °C getrocknet und dann gemahlen.

Das Pulver geben die Forscher bei Umgebungsdruck in einen Reaktor. Dann wirft die Xenon-Lampe die Blitze in die Biomasse, die sich so in Wasserstoff und Biokohle verwandelt. Der Prozess ist schon nach wenigen Millisekunden abgeschlossen. Aus jedem Kilogramm Biomasse werden rund 100 Liter Wasserstoff und 330 Gramm Biokohle gewonnen. Das entspricht etwa einem Drittel der ursprünglichen getrockneten Masse aus Bananenschalen.

Das junge Schweizer Unternehmen H2Valais will dieses Verfahren nun großtechnisch einsetzen. Die Fotopyrolyse konkurriert allerdings mit der hydrothermalen Vergasung von Biomasse, die Start-ups wie SCW Systems in den Niederlanden und TreaTech in der Schweiz einsetzen. Nasse Biomasse wird dabei einem Druck von 250 bis 350 bar und einer Temperatur von 400 bis 700 °C ausgesetzt. Innerhalb von einigen Stunden bilden sich unter diesen Bedingungen Methan und Wasserstoff. Das zeigt noch mal: Die Ansätze zur H2-Gewinnung aus Biomasse sind vielfältig. Dieses Potenzial sollte im Sinne der Energiewende bald erschlossen werden.

Mobiler Container wandelt Pellets zu reinem H2

Das Verbundvorhaben BiDroGen forciert ebenfalls das Ziel, Holz in Wasserstoff umzuwandeln. Die Firmen BtX Energy und A.H.T. Syngas Technology bekommen dafür vom Bundeswirtschaftsministerium eine Förderung von 630.800 Euro. Das Projekt zielt darauf ab, eine Containerlösung zur dezentralen Erzeugung von Wasserstoff aus pelletierten Holzreststoffen bis zur Marktreife zu entwickeln.

Containerlösung als schlüsselfertige Anlage zur Dampfreformierung von Biogas

Grundlage dafür ist die bereits bestehende Vergasertechnologie von BtX zur Abscheidung von reinem Wasserstoff aus Mischgasen. Ziel ist es demnach, den Wasserstoffgehalt des aus Pellets produzierten Holzgases durch innovative Katalysatoren zu maximieren, die Gasreinheit für die folgenden Prozesse zu garantieren und die H2-Abspaltung aus dem Produktgasstrom zu ermöglichen. So soll sehr reiner Wasserstoff aus pelletiertem Restholz gewonnen werden. Je nach Gasqualität kann aus 12 bis 15 kg Holz ein Kilogramm reiner Wasserstoff gewonnen werden. Das entspricht einem Wirkungsgrad von über 50 Prozent.

Die mobile Containerlösung soll dann dezentral grünen Wasserstoff zur Verfügung stellen. Für die Anwendung sieht die Firma vor allem im ländlichen Raum großes Potenzial. Für die Verkehrswende könnte das ein echter Joker werden: So könnten Kommunen beispielsweise sofort wasserstoffbetriebene Fahrzeuge anschaffen, obwohl es noch keine Wasserstofftankstelle in der Region gibt.

Grüner Wasserstoff für die Dekarbonisierung

Grüner Wasserstoff für die Dekarbonisierung

Reisebericht aus Indien von Sven Jösting

Am 18. und 19. April 2023 hat der Fachkongress „Green Hydrogen in India“ in Neu-Delhi stattgefunden. Aus diesem Anlass wurde ich zu einer Reise von Mumbai über Surat nach Neu-Delhi und dann via Ahmedabad zurück nach Mumbai eingeladen. Für den Weg wurden zahlreiche Meetings mit Topvertretern namhafter indischer Großunternehmen – oftmals in deren Firmenzentralen – eingeplant. Diese Firmen haben allesamt Wasserstoff als neues wachstumsstarkes Wirkungsfeld erkannt und verfügen bereits über große Mengen regenerativer Energie – vor allem Sonnenenergie – für die H2-Produktion. Ziel ist, den Wasserstoff in Form von grünem Ammoniak auf dem Schiffsweg zu exportieren.

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Da gibt es eine Reihe von indischen Großunternehmen, die nicht nur bereits Solarenergie in einer Größenordnung von bis zu 5 GW installiert haben, sondern zusätzlich jeweils 1 GW Photovoltaikleistung jährlich generieren. Damit könnten rund 1 Million Tonnen grünes Ammoniak pro Jahr produziert werden – gewaltige Mengen und sehr ehrgeizige Pläne. Noch ist Indien Importeur von Ammoniak als Düngemittel, will dies aber in wenigen Jahren ändern und nicht nur Selbstversorger werden, sondern einen gewaltigen Exportmarkt für grünes Ammoniak und grünes Methanol erschließen. Die Planungsvorgaben liegen bei 70:30, das heißt 70 Prozent dieser Produktionsmengen für den Eigenverbrauch und 30 Prozent für den Export.

Präsident Modi adressiert das H2-Thema

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Am Vorabend des Wasserstoffkongresses hält Präsident Narendra Modi im indischen Staatsfernsehen India News eine Rede über den Klimawandel. Er führt aus, was Indien zu tun gedenkt, um diesem Wandel mit zahlreichen Programmen und Maßnahmen zu begegnen. Jeder einzelne Inder sei aufgerufen, vernünftig mit der Umwelt und den Ressourcen umzugehen.

Indien hat im Januar dieses Jahres ein umfassendes H2-Programm auf den Weg gebracht. Solarenergie und Windkraft wird dabei eine besondere Bedeutung als Grundlage für die Produktion von Wasserstoff beigemessen. Grünes Ammoniak und auch grünes Methanol werden eindeutig als der Weg gesehen, Wasserstoff international nachhaltig transportierbar zu machen und für Indien als Exportgut zu entwickeln. Da Indien jedoch selbst großen Appetit auf nachhaltig erzeugte Energie hat, um den Import von fossilen Energieträgern zu reduzieren und nach Möglichkeit zu ersetzen, wird die Exportquote prozentual kleiner ausfallen als die im Land verbleibende H2-Menge.

Natürlich geht es neben dem Klimawandel auch um Energiesicherheit, und wie damit technologisch umzugehen ist. Dieser Fachkongress in Neu-Delhi konzentriert sich ausschließlich auf Wasserstoff.

National Green Hydrogen Mission

Das erst im Januar lancierte Programm zum Themenkomplex Wasserstoff „National Green Hydrogen Mission“ ist allumfassend. Jeder Aspekt – von der Produktion bis hin zu den vielen Nutzungspotentialen – wird behandelt. Zusätzlich wird es viele Förderprogramme geben. Ein Beispiel: Die Einspeisung von Wasserstoff in die Gasnetze (blending) wird staatlich subventioniert, das heißt, der Staat übernimmt die Transportkosten in den Pipelines. Da das Gasnetz derzeit nicht voll ausgelastet ist, kann Wasserstoff perfekt eingesetzt werden. Bislang kann bis zu 18 Prozent Wasserstoff eingeleitet werden.

Green Hydrogen in India

Indien hat die Potentiale von grünem Wasserstoff vollends erkannt. Das asiatische Land arbeitet an sehr anspruchsvollen Plänen, wobei vor allem die Unternehmen die Umsetzung übernehmen sollen. Der weltgrößte Energiekonzern, die indische staatliche NTPC, spielt bei diesem Dekarbonisierungsprozess, der durch zahlreiche Einzelprojekte im ganzen Land vorangetrieben wird, ebenfalls eine wichtige Rolle.

Indien will und muss von Gas- und Ölimporten wegkommen und auch für Kohle Alternativen finden, um Energiesicherheit, aber auch das Thema der Dekarbonisierung anzugehen. Über 90 Mrd. US-$ gibt das Land bislang jährlich für den Einkauf von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas aus. 40 Prozent der Primärenergie wird importiert. Demgegenüber verfügt Indien über schier unendliche Potentiale, sehr kostengünstig erneuerbare Energien zu erzeugen – vor allem via Sonnenkraft und zunehmend auch via Windenergie – hier zukünftig vor allem offshore. Indien sieht sich selbst in der Rolle eines H2-Frontrunners, da regenerative Energie via Sonnenkraft vor Ort im weltweiten Vergleich sehr günstig produziert werden kann.

Man spürt eine wahre Aufbruchstimmung und den Willen, die Grundlagen für die Wasserstoffproduktion in großem Stil zu legen. Für Projekte rund um die Erzeugung regenerativer Energien wird es zügige und schnelle Genehmigungsverfahren geben. Man spricht von Wochen oder wenigen Monaten statt wie bei uns in Deutschland von Jahren. Viele Flächen eignen sich perfekt, da es sich um sogenanntes Wasteland handelt, das heißt um Landflächen, die sich nicht für den Anbau von Nahrungsmitteln oder für Viehzucht u. Ä. eignen.

Die Regierung und die zuständigen Ministerien arbeiten daran, den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft durch vereinfachte regulatorische Verfahren zu beschleunigen und zu unterstützen wie auch Fördermechanismen einzuführen. Regierungschef Modi fordert mit großem Druck, dass die Behörden zügig für die Umsetzung sorgen und konstruktiv die Wirtschaft unterstützen. Modi wird im positiven Sinne unterstellt, dass er mit seinem unternehmerischen Denken die richtigen Weichenstellungen vornimmt. Dafür sei er im Land bekannt, wie zu hören ist.

Grünes Ammoniak als Devisenbringer der Zukunft

Führt Indien bislang noch über 3 Mio. Tonnen Ammoniak – erdgasbasiertes – als Düngemittel ein, so kann das Land mittels der vielen vorhandenen erneuerbaren Energien und der darauf beruhenden zukünftigen Wasserstoffproduktion in den kommenden Jahren nicht nur Selbstversorger, sondern auch zum Exporteur von Ammoniak werden. Wir sprechen von 3 bis 5 Mio. Tonnen grünem Ammoniak pro Jahr bereits bis zum Jahr 2030, um so grünen Wasserstoff transportierbar zu machen. Eine Vielzahl von Projekten zum Bau von Ammoniakanlagen befindet sich bereits in der Planung und Umsetzung. Viele Projekte befinden sich in der Nähe von Häfen und sind somit logistisch perfekt aufgestellt.

Größte Unternehmensgruppen sind Vorreiter

Der Bedarf an grünem Wasserstoff ist gigantisch – vor allem in der chemischen Industrie, der Stahlerzeugung und anderen industriellen Einsatzgebieten. In der Mobilität wird ein Anteil von zehn Prozent gesehen, was unter anderem den Einsatz von Wasserstoff im Nutzfahrzeugverkehr, auf Schiffen und in der Eisenbahn angeht. Aber auch bei Pkw wird mittel- bis langfristig Bedarf für Wasserstoff gesehen, so der Tenor des zuständigen Topmanagers der Reliance Group, deren Großaktionär Ambani über 50 Mrd. US-$ in den Komplex Wasserstoff zu investieren plant.

Letztendlich geht es immer um die Dekarbonisierung. Überhaupt gehen Indiens Milliardäre in Sachen Wasserstoff voraus. So berichteten Topmanager von Reliance, Adani und anderen Unternehmen gegenüber HZwei von ihren Wasserstoffplänen. Tata beispielsweise hat bereits 2004 zusammen mit Rand Corp. einen Think-Tank zum Thema Wasserstoff initiiert. Außerdem unterhält die Tochter Tata Motors ein Joint Venture mit Cummins Engine, welches kürzlich um H2-Technik ergänzt wurde.

Indien will Elektrolyseurproduktion im eigenen Land

Einen Flaschenhals gibt es indes bei der Verfügbarkeit von Elektrolyseuren, die für die H2-Produktion benötigt werden. Dabei geht es nicht um die Energie, die der Elektrolyseur benötigt, sondern die Verfügbarkeit der notwendigen Mengen der Komponenten beziehungsweise deren Kapazitäten. Bei der gängigsten Variante, der alkalischen Elektrolyse, bestimmen noch chinesische Hersteller das Bild. Indien will da eine eigene Industrie auf die Beine stellen, das heißt ausländische Hersteller dafür gewinnen, deren Know-how durch den Aufbau von Produktionsstätten im Land zum Einsatz zu bringen und dies auch mittels staatlicher Programme zu fördern.

Marktführer in Sachen regenerative Energien wie Greenko haben deshalb Partnerschaften und Joint Ventures mit Unternehmen wie John Cockerill (Elektrolyseure) etabliert, um bei den sehr ehrgeizigen Unternehmenszielen, u. a. in der Nutzung von Wasserstoff für die Ammoniakproduktion, über die notwendigen Mengen an Elektrolysekapazität auch selbst verfügen zu können. Mit Uniper besteht bereits ein Abnahmevertrag, der sich auf zukünftige Produktionsmengen bezieht.

Für europäische, vor allem auch deutsche Unternehmen entwickeln sich hier sehr interessante Perspektiven, Wasserstoff zu kaufen, aber auch via Technologietransfer über Kooperationen und Joint Ventures in Indien mit Partnern eine Produktion (Brennstoffzelle, Elektrolyse, H2-Tanks und Zulieferteile) aufzubauen – nach der Devise: local for local.

Indien ist auf gutem Weg ins H2-Zeitalter

Indien hat das Potential der Eigenproduktion von Wasserstoff vollends erkannt und arbeitet an der Umsetzung. Sicherlich wird nicht alles von heute auf morgen realisierbar sein, da ein enormer Kapitaleinsatz erforderlich ist und die Projekte bestimmte Kriterien für ihre Finanzierung erfüllen müssen. Eine Reihe an persönlichen Gesprächen mit Topvertretern von Ministerien, Unternehmen und wichtigen Provinzen hat mich zu der Erkenntnis gebracht, dass sich Indien hier perfekt positioniert und ein weltweit führender Player werden wird.

Der steigende Energiebedarf wird vorerst noch von fossilen Energieträgern, aber step by step von regenerativen Energien und Wasserstoff gedeckt werden. Indien ist auf dem richtigen Weg. Bis zum Jahr 2047 will man energieautark und bis zum Jahr 2070 bei Net Zero im CO2-Ausstoß sein. Indien ist mit über 1,4 Mrd. Menschen seit wenigen Wochen der einwohnerstärkste Staat der Erde – vor China. Da sprechen wir von einem gewaltigen Energiehunger, der stark zunimmt – aber glücklicherweise mittel- bis langfristig regenerativ gestillt werden wird.

Ich konnte an diesem Kongress als Mitglied der Delegation der deutschen Beratungsinitiative Lili Navitas (der Name steht für grüne Energie) partizipieren. Der Unternehmenszweck: deutsche und indische Unternehmen in Sachen Wasserstoff und für dessen Produktion notwendige Technologien (u. a. Elektrolyse) zu verbinden und Kontakte mit dem Ziel gemeinsamer Projekte in Indien und Deutschland herzustellen. Initiator war Kiran Bhojani, selbst indischer Abstammung, der beruflich früher in Topposition bei E.ON in Deutschland gearbeitet hat. Er sieht es als seinen Auftrag an, Indien auf seinem Weg zu einer Wasserstoffgesellschaft zu begleiten und durch die Vermittlung von Kontakten und Unternehmensverbindungen zu unterstützen.

Nikola Motors

Nikola Motors

Nikola – Den Gewitterwolken folgt der Sonnenschein

Die Aktie von Nikola Motors ist unter Druck geraten. Die Gründe dafür liegen – gefühlt – beim Abgang von Michael Lohscheller als CEO (Krankheitsfall in der Familie) sowie bei der Ankündigung, dass die Absatzziele für den batteriegetriebenen BEV-Tre (es sollten 350 bis 500 in 2023 werden) nicht erreicht werden. Außerdem wurde eine 5-Prozent-Wandelanleihe über nominal 325 Mio. US-$ angekündigt, und der Bereichsvorstand für den Wasserstoffbereich der Tochter HYLA hat das Unternehmen verlassen. Daneben geht es um die Untersuchung von zwei Ereignissen: Es gab einen Brand wegen zwei defekten Zellen (von insgesamt 3.100) in batterieelektrischen Lkw und ausgelaufenes Kühlwasser. Daraufhin gab es einen Rückruf der ausgelieferten Fahrzeuge zwecks Prüfung. Zudem ging Batteriezulieferer Proterra unter Konkursschutz (Chapter 11 – Betrieb geht weiter). Soweit die negativen News.

Was ist von alledem zu halten?

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Für Shortseller eine Steilvorlage, was sich im jüngsten Kurseinbruch widerspiegelt, haben diese doch über 158 Mio. (Stand per 15.8.) Aktien leer verkauft, um an fallenden Aktienkursen zu partizipieren. Aber die Story hat auch eine andere Seite – eine für mich relevantere:

CEO Lohscheller wurde durch Steve Girsky ersetzt. Der Mann ist seit IPO-Beginn bei Nikola dabei. Er hat Lohscheller zu Opel und dann auch zu Nikola geholt. Bei General Motors war er im Vorstand und gilt als verantwortlich für deren damalige Sanierung (Staatskredit/Bürgschaft der Regierung Obama).

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In einem – dem ersten – Interview mit der Fachzeitung Freightwaves vom 17. August 2023 – äußerte sich der neue CEO. Darin beschreibt er den Weg, den Nikola in turbulenten Zeiten gegangen ist. O-Ton: „ Meine oberste Priorität ist es, den Schwung nicht zu rauszunehmen.“ Nikola habe so viel schon erreicht und werde seinen Weg gehen, so das Resümee des Interviews.

Kapitalsituation

Bedingt durch die Genehmigung für die Erhöhung der auszugebenden Aktien von 800 Mio. auf 1,6 Mrd. Aktien auf der Hauptversammlung Anfang August hat Nikola nunmehr die Möglichkeit, mehr Aktien auszugeben, um damit Eigenkapital zu generieren. Dazu wurde ein bestehendes ATM-Programm (at the market – Verkauf über die Börse) im Wert von 600 Mio. US-$ am 4. August 2023 mit der Citicorp verlängert.

Hinweis: Nikola benötigt nach eigener Aussage insgesamt 600 Mio. US-$, um das Unternehmen in den kommenden zwei Jahren so aufzustellen, dass es in die Gewinnzone kommt. Dies ist für das Jahr 2025 (Cash-Flow-positiv) prognostiziert.

Nun wird ergänzend eine Wandelanleihe (Convertible) mit fünf Prozent Coupon im Nominalwert von 325 Mio. US-$ an den Markt gebracht. Das Gute daran ist, dass institutionelle Anleger solche Anlagen (eventuell ein Green Bond – hängt mit der Verwendung der Mittel zusammen) sehr gerne erwerben und mehr Sicherheit erhalten, als wenn sie Aktien beziehen. Da eine Wandelanleihe optional in Aktien getauscht werden kann, kann hieraus eventuell Eigenkapital werden, wenn die Aktie stark steigt und dem Halter dieses Wertpapiers einen Sondergewinn (Kursgewinn) bringt. Dann wird aus Fremdkapital Eigenkapital.

Ausreichend Liquidität vorhanden

Addiert man alle nur möglichen Formen der Finanzierung bzw. Liquiditätsbeschaffung, so verfügt Nikola rechnerisch per Anfang Juli über 743 Mio. US-$ an Potential. 295,4 Mio. US-$ betrug der Liquiditätsbestand am Ende des zweiten Quartals – siehe oben. Darin enthalten ist der Erlös aus dem Abschluss mit Iveco in Höhe von 26,5 Mio. US-$ und der Landverkauf (Sale + Lease Back) über 49 Mio. US-$ des Firmengeländes in Coolidge. Der Verkaufserlös der geplanten Wasserstoffproduktion in Buckeye an Fortescue Future Industries in Höhe von 20,7 Mio. US-$ ist in der Gesamtliquidität im Juli enthalten, nicht jedoch in der Zahl per 30. Juni 2023, so dass Nikola damit über 316,1 Mio. US-$ an Cash verfügt.

Was ist von all den Kapitalmaßnahmen zu halten?

Nikola hätte meines Erachtens warten sollen, Kapital über die Börse (ATM) und Wandelanleihe zu beschaffen. Gute Nachrichten wie Absatzerfolge beim FCEV-Tre wären hierfür die Vorlage – steigende Aktienkurse. Auf der anderen Seite will Nikola über die kommenden zweiJahre voll durchfinanziert sein. Liegen erst einmal 600 Mio. US-$ auf der Bank, dann wird da Ruhe reinkommen und Nikola kann sich auf den Absatz vor allem der FCEV-Tre konzentrieren. Dann haben auch Shortseller Argumentationsprobleme, wenn Nikola keinen Kapitalbedarf mehr hat, der extern gedeckt werden müsste.

Absatz der BEV-Tre

Dass es hier zu weniger Auslieferungen der batterieelektrischen Fahrzeuge im weiteren Jahresverkauf kommen wird, liegt an vielen Gründen. Die jüngste Rückrufaktion mag da belastend wirken. Indes sieht Nikola seine Zukunft eher beim wasserstoffbetriebenen Lkw und nicht so sehr dem batterieelektrischen, und der FCEV-Tre wird erst seit Ende Juli überhaupt erst in Serie produziert. 200 Vorbestellungen liegen dafür vor. Immerhin gibt es Förderprogramme, die gut 320.000 US-$ pro Lkw ausmachen – kostet wohl 400.000 US-$. Hier wird es spannend, wenn größere Aufträge kommen – die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr groß.

Kapitalbedarf sinkt beträchtlich

Benötigte Nikola noch vor 2 Jahren über 200 Mio. US-$ pro Quartal (darin enthalten der Bau der Hallen und Infrastruktur), so soll der Kapitalbedarf pro Quartal auf 100 Mio. US-$ bis Ende 2023 sinken. Noch liegt der Liquiditätsabfluss (Cash Burn) bei circa 150 Mio. US-$ im Quartal. In 2022 waren es noch über 240 Mio. US-$ im Quartal. Dies zeigt, dass Nikola sich gut aufstellt, bis das Unternehmen voll im Laufen ist.

LoI mit Anheuser Busch in Vergessenheit geraten

Der große Brauereikonzern Anheuser Busch (BUD) hält Nikola die Stange. Gemeinsam haben beide vor Jahren eine Absichtserklärung (LoI) abgeschlossen, wonach 800 FCEV-Tre geordert werden könnten. Mehrere fahren bereits im Testbetrieb des Subunternehmers Biagi Brothers ohne Probleme und wohl schon über 12.000 Meilen. Was wohl an der Börse passiert, wenn BUD aus dem LoI einen Auftrag macht und den Auftragsbestand damit allein schon auf 1.000 FCEV-Tre hoch katapultiert?

Die Meldungen der vergangenen Wochen

Gleich zwei Programme zur Förderung der Wasserstoffinfrastruktur in Kalifornien konnten für Nikola gewonnen werden. Für acht Wasserstofftankstellen gibt es dazu Zuschüsse von über 58 Mio. US-$. Das ist sehr positiv zu bewerten, da Nikola mit Volterra (Tochter von EQT, einem Fonds) bereits ein Abkommen für den Bau von 50 H2-Tankstellen (bis zu 1 Mrd. US-$ Invest?) über die kommenden Jahre abgeschlossen hat und durch die Förderung weitere Unterstützung erfährt.

Einen Auftrag über 13 E-Lkw (10 batterieelektrische und 3 wasserstoffbetriebene) konnte von J.B. Hunt eingenommen werden. Dieses Unternehmen betreibt einen eigenen umfassenden Fuhrpark, liefert aber zudem Dienstleistungen rund um den Waren-/Gütertransport für über 1 Million Lkw in den USA. Das sieht wie eine Steilvorlage für viel mehr aus.

Fazit

Nikola ist ein Start-Up in einem neuen Wachstumsmarkt und auch First Mover. Start-Ups haben meist (immer) Startschwierigkeiten – aber die vergehen und können gelöst werden. Problem erkannt – Problem gebannt. Nikola macht sehr gute Krisen-PR – geht mit allen Problemen umgehend an die Öffentlichkeit. Sind alle Kapitalmaßnahmen erfolgreich abgeschlossen, ist Nikola gut durchfinanziert und kann sich voll auf den Auf- und Ausbau des Unternehmens konzentrieren. Aktuelle Unsicherheiten lassen auf die Börsenregel verweisen: Buy on bad news. Im Aktienkurs sind alle negativen Nachrichten enthalten, nicht aber die möglichen positiven (z.B. Aufträge). Den Gewitterwolken folgt der Sonnenschein.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

verfasst von Sven Jösting am 22. August 2023

Auch im H2-Sektor herrscht Fachkräftemangel

Auch im H2-Sektor herrscht Fachkräftemangel

Riesiger Fortbildungsbedarf

Allerorts ist derzeit die Rede vom Fachkräftemangel – auch im Energiesektor, insbesondere im Wasserstoffbereich. Während in anderen Industriezweigen immerhin ein bereits existierendes Aus- und Weiterbildungssystem etabliert ist, geht es im H2– und BZ-Sektor jetzt erst so richtig los. Da noch kein Markt für Elektrolyseure oder Brennstoffzellenanwendungen existiert, müssen zunächst Fachkräfte ausgebildet werden, die diese neuen Produkte bauen sowie dann auch installieren, warten und reparieren können. Dafür bedarf es aber erst einmal entsprechender Ausbildungswege sowie fachkundiger Personen, die den zukünftigen TechnikerInnen etwas beibringen können. Die gute Nachricht ist, dass sich in den vergangenen Monaten mannigfaltige Akteure dieser verantwortungsvollen Aufgabe angenommen haben. Deutschlandweit sprießen derzeit H2-Akademien und BZ-Seminare aus dem Boden.

Vor Jahren gab es bereits zaghafte Versuche, das Thema Aus- und Weiterbildung im H2– und BZ-Sektor zu bespielen. Einige der damaligen Akteure sind allerdings auf der Strecke geblieben oder haben sich aus diesem Bereich wieder zurückgezogen, weil es bislang immer nur kurzzeitige Hypes um Wasserstoff gab, aber keinen Markt.

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Dies ist heute anders: Nach einhelliger Meinung ist der derzeitige Boom rund um Wasserstoff kein Kurzzeitphänomen, sondern der Anfang einer Zeitenwende im Energiesektor. Dementsprechend groß ist die Nachfrage nach Personal, das sich mit H2– und BZ-Technik auskennt. Doch dies ist Mangelware. In den vergangenen Jahren existierten kaum adäquate Studiengänge oder auch Lehrberufe.

Vor 15 Jahren gab es einige zaghafte Bemühungen, im Rahmen des NIP-Leuchtturms Callux entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen für das Handwerk einzurichten, aber davon ist heute nichts mehr übrig. Auch das OTTI gibt es nicht mehr. Das Ostbayerische Technologie-Transfer-Institut e. V., das Fachveranstaltungen auch für H2-Technik angeboten hatte, hat 2017 seinen Betrieb nach vier Jahrzehnten eingestellt.

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Immerhin hat das ehemalige Weiterbildungszentrum Brennstoffzelle Ulm (WBZU) trotz vieler magerer Jahre durchgehalten und mit Hilfe der Handwerkskammer Ulm überdauert. Seit vielen Jahren heißt es inzwischen Weiterbildungszentrum für innovative Energietechnologien. In den vergangenen Monaten war es damit beschäftigt, die alte Expertise im H2-Sektor wieder neu aufzubauen. So ist mittlerweile auf der Website ein neues Bildungsangebot für den Umgang mit Wasserstoff zu finden.

Andere Anbieter sind da schon deutlich weiter: Sowohl die verschiedenen Schwesterunternehmen des TÜV als auch der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) haben die Zeichen der Zeit erkannt und bieten seit geraumer Zeit Seminare rund um die rege nachgefragte H2-Technik an.

Verbandsebene

Ein entscheidender Akteur ist der Deutsche Verband des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Der technisch-wissenschaftliche Verein mit Sitz in Bonn ist seit zig Jahren in der Normierung, Zertifizierung und Standardisierung im Erdgassektor tätig. Seit einigen Jahren hat er sich nun den grünen Gasen angenommen. Mit sehr viel Vehemenz versucht der Verband sowohl seine Mitglieder als auch die Politik sowie die gesamte Energiewirtschaft davon zu überzeugen, dass es zukünftig nicht nur Elektronen bedarf, sondern auch Moleküle – am besten grüner Moleküle.

Dementsprechend bietet der DVGW inzwischen bereits ein umfangreiches Programm an Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen an: Praxis-Workshops, Zertifikats- und Sachkundigenlehrgänge sowie Schulungen und E-Learning-Module rund um Wasserstoff.

Diesen Wandel von der fossilen zur nachhaltigen Energieversorgung nimmt ihm noch nicht jeder ab, deswegen scheint sich der DVGW umso stärker für eine grüne Wasserstoffwirtschaft einzusetzen, wobei allerdings ausdrücklich auch der Weg über blauen Wasserstoff befürwortet wird. Dass der DVGW weiterhin eine wichtige Rolle im Gassektor spielen wird, liegt in der Natur der Sache, da seine Mitglieder über millionenschwere Assets verfügen, die möglichst lange weiter genutzt werden sollen. Eine Stilllegung des gesamten Gasversorgungssystems erscheint gerade in der jetzigen Situation wenig sinnvoll, da es vergleichsweise einfach auf Wasserstoff umgerüstet werden kann.

Hochschulebene

Im Hochschulsektor bleibt das Angebot nach wie vor recht dünn. Lediglich in Dresden gibt es Bemühungen, einen Masterstudiengang für Wasserstoff zu etablieren. Die Teilnehmerzahlen sind allerdings bislang sehr überschaubar. Einer der Vorreiter war hier Prof. Hans Quack, der bereits 2008 einen Masterstudiengang Wasserstofftechnik an der Dresden International University (DIU) initiierte.

Der ehemalige Inhaber des Lehrstuhls für Kälte- und Kryotechnik der TUD konnte damals das Who-is-who (z. B. Dr. Johannes Töpler sowie Dr. Ulrich Schmidtchen vom DWV, Prof. Dr. Jürgen Garche vom WBZU Ulm, Prof. Dr. Ulrich Bünger vom LBST und Arno A. Evers) als Dozenten gewinnen. Auch ich durfte einmal über „H2 in den Medien“ referieren. Das Studium zum Master of Science in Hydrogen Technology umfasste 600 Präsenzstunden, die auf jeweils drei Wochen pro Semester innerhalb von zwei Jahren verteilt wurden (s. HZwei Oktober-Heft 2008). Heutige Lehrstuhlinhaberin an der TU Dresden ist seit September 2022 Prof. Christiane Thomas.

Schon damals stand Christoph Haberstroh an der Seite von Prof. Quack, der offiziell 2008 emeritierte, aber noch bis 2010 weiter lehrte. Seitdem kümmert sich Prof. Haberstroh als Gruppenleiter um die Kryogentechnik am Institut für Energietechnik in Dresden. Unter anderem arbeitete er mit seinem Team an der Entwicklung von Kryogenpumpen sowie den LH2-Tanks für die Brennstoffzellen-Trucks von Daimler und Volvo. Ein Ziel ist hierbei, das spezifische Tankgewicht deutlich zu reduzieren. Wogen herkömmliche Kryogenspeicherbehälter noch 17 kg pro Kilogramm Wasserstoff, liegt dieser Wert derzeit bei 11 bis 12 kg/kgH2. Mit Hilfe leichter Verbundwerkstoffe werden jedoch 1 kg/kgH2 angepeilt.

Derartige Entwicklungen spiegeln wider, dass momentan im gesamten Kryogensektor seit einigen Monaten eine merkliche Themenverschiebung von flüssigem Helium zu Wasserstoff festzustellen ist. Wie die Doktoranden Henrik-Gerd Bischoff, Thomas Just und Maximilian Grabowski (s. Abb. 1) gegenüber HZwei mitteilten und wie auch Prof. Haberstroh bestätigte, werden derzeit „klassische Kernthemen von flüssigem Wasserstoff an den Rand gedrängt“. Insbesondere in den USA steht LH2 stark im Fokus, auch weil dort infolge der Raumfahrttechnik bereits umfassende Erfahrungen beim Umgang mit flüssigem Wasserstoff vorliegen.


Bild: Präzisionsprüfstand von Sebastian Eisenhuth zur Ermittlung des Konzentrationsverhältnisses von Ortho- und Para-Wasserstoff

Wie Prof. Hans Müller-Steinhagen in den Räumlichkeiten der DIU gegenüber HZwei berichtete, starteten im Herbst 2022 zwölf Teilnehmer mit dem komplett neu gestalteten H2-Studiengang der DIU. Müller-Steinhagen war nach langjähriger Tätigkeit beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) von 2010 bis 2020 Rektor der TU Dresden und anschließend bis September 2022 Präsident der DIU. Inzwischen ist er im Ruhestand, ist aber noch wissenschaftlicher Leiter für den Studiengang Wasserstofftechnologie und -wirtschaft (M.Sc.).

Seinen Ausführungen zufolge sei es mit diesem Studiengang gelungen, ein attraktives Angebot für Fachleute zu schaffen, die berufsbegleitend Weiterbildung im Wasserstoffsektor anstreben. „Wir wollen Generalisten ausbilden, die das Thema aus mittlerer Flughöhe kennen und beurteilen können – keine Wissenschaftler“, so der Maschinenbau-Ingenieur. Häufig sei es so, dass die Betriebe die nicht ganz unerheblichen Weiterbildungskosten zumindest zum Teil übernehmen oder Mitarbeitende von der Arbeitszeit freistellen. Erklärtes Ziel sei, dieses Mal die Studierendenzahl bis auf 15 Personen zu erhöhen und zukünftig weiter auszubauen.

Auch für Dr. Johannes Töpler, der bei diesem Studiengang das Modul Mobilität leitet, ist die Aus- und Weiterbildung ein Herzensthema. Der Physiker war einer der H2-Pioniere bei Daimler und lange Jahre Vorsitzender des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbands e. V. Obwohl er längst im Ruhestand ist, treibt er insbesondere im DWV Bildungsthemen unermüdlich voran, lehrte unter anderem durchgehend jahrelang seit 2004 an der Technischen Akademie Esslingen (TAE) sowie für das Haus der Technik (HdT) in Zusammenarbeit mit dem DWV und hat wesentlich am Zustandekommen dieses Studienganges mitgewirkt.

Studiengang „Wasserstofftechnologie und -wirtschaft (M.Sc.)“

Der neue Studiengang aus dem Fachbereich Ingenieurwissenschaften, der von der Dresden International University (DIU) auch in Kooperation mit der Technischen Akademie Esslingen angeboten wird, ist in Deutschland einzigartig. Er verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem Studierende berufsbegleitend sowohl die Fach- als auch die Managementkompetenz auf dem Gebiet von wasserstoffbasierten Energiesystemen erlangen. Er richtet sich an IngenieurInnen, NaturwissenschaftlerInnen sowie AbsolventInnen anderer techniknaher und wirtschaftlicher Studiengänge, die in der beruflichen Praxis tätig sind und ihre Kompetenzen im Hinblick auf die Gestaltung dieses Zukunftsfeldes erweitern wollen.

Die im Jahr 2003 gegründete DIU beschäftigt rund 40 Mitarbeitende, die wiederum 1.400 Studierende aus unterschiedlichen Bereichen (z. B. Gesundheitswesen, Medizin, Ingenieurwesen, Recht) betreuen. Insgesamt sind über 300 DozentInnen aus Wissenschaft und Wirtschaft über Werksverträge eingebunden.

An der DIU in Dresden und der TAE in Ostfildern kann nach drei Semestern und dem Erwerb von 60 ECTS-Punkten als Abschluss der Master of Science erlangt werden. In Dresden wird zusätzlich zum Master (895 € pro Monat) auch das CAS (Certificate of Advanced Studies – Small: 4.500 € und Advanced: 6.500 €) angeboten. Nächster Starttermin in Dresden und Esslingen ist nicht wie ursprünglich geplant das Wintersemester 2023, sondern das Sommersemester 2024.


Bild: Prof. Hans Müller-Steinhagen

Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES) und der Leibniz Universität Hannover bietet die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg eine berufsbegleitende Weiterbildung für Fach- und Führungskräfte an. Diese praxisnahe Maßnahme mit Teamarbeiten und Exkursionen ist für ein Semester konzipiert und kostet 6.000 Euro.

In ähnlicher Weise offeriert auch das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik (IST) vierteljährig einen Zertifikatkurs an, um Unternehmen fit für das Wasserstoffzeitalter zu machen. In Präsenz auf dem Wasserstoff-Campus Salzgitter bei der Robert Bosch Elektronik GmbH sowie mit Online-Kursen kann die gesamte Wertschöpfungskette der H2-Wirtschaft kennengelernt und ein Personenzertifikat als „Fachkundige*r Wasserstoff mit TÜV Rheinland geprüfter Qualifikation“ erworben werden – Teilnahmegebühren: ca. 5.700 Euro.

Akademieebene

Die Hydrogen Academy ist ein neuer Player im Weiterbildungssektor. Sie wurde im Sommer 2022 von Lifte H2 und TesTneT gegründet und verfügt inzwischen über rund 20 Personen, die sich um praxisorientierte, kundenspezifische Schulungen kümmern. Tom Elliger, der früher beim TÜV Süd arbeitete und im Sommer 2021 zu Lifte H2 wechselte, erklärte gegenüber HZwei: „Das Interesse ist riesig.“

Nach eigener Aussage ist die Hydrogen Academy das „derzeit einzige Trainingszentrum, das sich rein auf Wasserstoff spezialisiert“. Die Kurse werden teils online und teils bei TesTneT nahe München, bei Lifte H2 in Berlin oder beim Kunden durchgeführt.

Ein weiterer Akteur ist seit einigen Monaten die Heinze Akademie. Gemeinsam mit der Handwerkskammer Hamburg und anderen Partnern bietet diese norddeutsche Einrichtung ein Expertentraining in Vollzeit sowie eine berufsbegleitende Weiterbildung für Fachkräfte rund um Wasserstoffsysteme an.

Etwas internationaler geht es bei der Renewables Academy (RENAC) AG zu. Diese in Berlin ansässige Institution hat ein zertifiziertes 120-stündiges E-Learning-Programm zu Green Hydrogen and Renewable Power-to-X Professional (PtX) entwickelt, das asynchron (24/7) in Eigenregie durchgeführt werden kann und die wichtigen technischen und wirtschaftlichen Aspekte von PtX-Anwendungen wie Wasserstoff, Wärmepumpen und Elektromobilität abdeckt. Das nächste Semester startet im Oktober 2023 – Teilnahmegebühren: 1.710 Euro.

Im November beginnt dann auch die nächste Runde der HySchool, allerdings auf sehr viel einfacherem Niveau. Dieses Weiterbildungsangebot wird von dem Ferngasnetzbetreiber Open Grid Europe (OGE) sowie der RWTH Business School organisiert. Wahlweise kann das H2-Kick-Starter- zum Einstieg in die Materie oder das H2-Deep-Diver-Programm für einen vertieften Einblick belegt werden. Die Teilnehmenden erhalten dann an zwei Tagen das erforderliche Wissen, um die H2-Strategie in ihrem Unternehmen vorantreiben zu können – Teilnahmegebühren: 1.450 Euro.

Sollten dann auch irgendwann die Gelder für die Innovations- und Technologiezentren für Wasserstoff bewilligt werden, könnte auch in Duisburg unter Beteiligung des Zentrums für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) ein großer Komplex für die Aus- und Weiterbildung entstehen (s. HZwei-Heft Jan. 2023). Dort wird beispielsweise bereits daran gearbeitet, dass der Sicherheitsleitfaden für Berufsfeuerwehren erneuert wird. Aber solange noch keine Freigabe vom Bund erfolgt ist (s. HZwei-Heft April 2023), darf noch nicht wie gewünscht losgelegt werden.

Derweil wird in Nordrhein-Westfalen ein „europaweit einzigartiges Schulungszentrum“ aufgebaut. Wie Open Grid Europe vermeldete, erfolgte am 7. August 2023 in Werne der erste Spatenstich durch Ministerpräsident Hendrik Wüst für eine H2-Trainingsstrecke, wo der Fernleitungsnetzbetreiber ab 2024 sein Personal zu Experten im praktischen Umgang mit Wasserstoff im Ferngasnetz schulen will.

www.di-uni.de, www.dvgw-veranstaltungen.de, www.heinze-akademie.de, www.hydrogen-academy.net, www.hyschool.eu, www.renac.de, www.tu-dresden.de, www.uol.de, www.tae-studium.de

Autor: Sven Geitmann

 

Infrastruktur für H2-Lkw im Fernverkehr

Infrastruktur für H2-Lkw im Fernverkehr

Aktueller Entwicklungsstand und Perspektiven

Im Klimaschutzgesetz von 2021 wurde für den deutschen Verkehrsbereich das Ziel einer Reduzierung der Emissionen um 85 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent (Mt CO2 äq) bis 2030 festgelegt. Dies entspricht ungefähr einer Halbierung der Emissionen in zehn Jahren. Etwa 35 Prozent der Emissionen im Verkehrssektor stammen von Nutzfahrzeugen, und wiederum mehr als die Hälfte dieser Emissionen werden im Fernverkehr verursacht. Wasserstoff gilt als vielversprechender Treibstoff, um den CO2-Ausstoß bei Nutzfahrzeugen im Fernverkehr zu verringern. Ausgewählte Inhalte einer aktuellen Studie zum Entwicklungsstand und den Perspektiven der H2-Betankungsinfrastruktur für Nutzfahrzeuge im Fernverkehr sind im Folgenden zusammengefasst.

Die derzeitigen Prototypen und Kleinflotten von Wasserstoff-Lkw verwenden meist die 350-bar-Druckspeichertechnologie. Ursprünglich wurde diese für Busanwendungen im ÖPNV entwickelt und ist dadurch bereits erprobt und schnell verfügbar. Diese Speichertechnologie ermöglicht im vorhandenen Bauraum eine Reichweite von etwa 400 km, was für viele Anwendungen (z. B. im Verteilverkehr) ausreichend ist.

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Für den Lkw-Fernverkehr sind höhere Reichweiten von etwa 1.000 km gewünscht. Um diese im vorhandenen Bauraum zu ermöglichen, werden H2-Speichertechnologien mit erhöhter Energiedichte benötigt. Drei alternative H2-Kraftstoffoptionen werden aktuell diskutiert: 700-bar-Druckwasserstoff, tiefkalter Flüssigwasserstoff (sLH2) und tiefkalter Druckwasserstoff (CcH2).

Unterschiedliche Hersteller wie Nikola Motor und Toyota erproben die 700-bar-Technologie bereits in Vorserienfahrzeugen. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Technologie für den Fernverkehr zur Anwendung kommen wird. Derzeit ist, u. a. aufgrund des frühen technischen Entwicklungsstadiums, noch nicht einschätzbar, ob sich eine der beiden anderen Speichertechnologien zusätzlich am Markt durchsetzen wird.

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Hinsichtlich umsetzbarer Betankungsmengen und -geschwindigkeiten unterscheiden sich die drei H2-Kraftstoffoptionen kaum. Eine Betankung von 80 kg Wasserstoff für eine Reichweite von 1.000 km kann jeweils innerhalb von 10 bis 15 Minuten durchgeführt werden (s. Abb. 1). Allerdings handelt es sich bei den erzielbaren Betankungsgeschwindigkeiten beziehungsweise den Betankungsdauern um Erwartungswerte der Industrie, die zunächst im realen Betrieb bestätigt werden müssen.

Vor der Markteinführung muss für alle drei H2-Kraftstoffoptionen noch der internationale Normierungsprozess, sowohl für den Betankungsprozess als auch für die Betankungskupplungen, durchlaufen werden. Dadurch wird die Interoperabilität zwischen Fahrzeugen und Tankstellen unterschiedlicher Hersteller und Länder gewährleistet. Erste Normierungsprozesse im Rahmen der ISO wurden bereits gestartet.

H2 per Tanklaster, Pipeline oder Elektrolyse vor Ort

Die Versorgung einer Tankstelle mit Wasserstoff sowie einer Betankungsanlage selbst unterscheidet sich für die drei H2-Kraftstoffoptionen deutlich (s. Abb. 2). Zur Bereitstellung von 700-bar-Druckwasserstoff kann der Kraftstoff gasförmig oder verflüssigt an die Tankstelle geliefert werden. Liegt er gasförmig vor, erfolgt die Bereitstellung an das Fahrzeug mittels Hochdruckverdichter und Hochdruckspeicher, die mit Drücken von bis zu 1.000 bar betrieben werden. Die Betankung erfolgt durch Überströmen beziehungsweise durch die direkte Verdichtung in die Fahrzeugtanks durch Booster-Kompressoren.

Wird verflüssigter Wasserstoff angeliefert, erfolgt die Druckerhöhung im verflüssigten Zustand mittels Kryo-Pumpe. Anschließend wird der bereits verdichtete Wasserstoff verdampft und an das Fahrzeug abgegeben. Der elektrische Energiebedarf der Tankstelle ist für den Flüssigwasserstoffpfad deutlich geringer als für die Verdichtung von gasförmigem Wasserstoff. Allerdings ist die vorgelagerte Verflüssigung von Wasserstoff mit erhöhtem Energiebedarf verbunden.

Soll sLH2– oder CcH2-Kraftstoff angeboten werden, ist die Belieferung der Tankstelle mit Flüssigwasserstoff die erste Wahl. Dieser kann aus dem Speicherbehälter der Tankstelle mittels Transfer- oder Kryo-Pumpe direkt in das Fahrzeug getankt werden.

Die Verfügbarkeit von Flüssigwasserstoff in Europa ist derzeit sehr eingeschränkt. Europaweit bestehen drei Standorte mit Verflüssigungskapazitäten, die jedoch bereits für andere Anwendungen genutzt werden. Des Weiteren ist ihre Kapazität nicht ausreichend, um künftige Lkw-Flotten mit Kraftstoff zu versorgen. Dies wird deutlich, wenn man die Kapazitäten heutiger Verflüssiger mit den erwarteten Kapazitäten künftiger H2-Tankstellen vergleicht.

Heutige H2-Verflüssiger haben meist eine Kapazität von 5 bis 30 Tonnen pro Tag. Am einzigen Verflüssigungsstandort in Deutschland, in Leuna, beträgt die Kapazität beispielsweise 2 x 5 t/Tag. Mittelfristig werden für H2-Tankstellen je Standort Kapazitäten von 1 bis 8 t/Tag erwartet. Unterschiedliche Studien gehen für Deutschland von einer H2-Kraftstoffnachfrage in Höhe von 1,2 bis 1,8 Mt/a für das Jahr 2045 aus, was größtenteils durch die Nachfrage aus dem Bereich des Lkw-Fernverkehrs getrieben wird.

Es ist klar erkennbar, dass dafür die Kapazität für Flüssigwasserstoff deutlich ausgebaut und gegebenenfalls durch den Import von Flüssigwasserstoff ergänzt werden muss. Dies gilt auch dann, wenn ein Teil der H2-Kraftstoffnachfrage durch die Belieferung mit gasförmigem Wasserstoff gedeckt wird (z. B. zur Versorgung von Fahrzeugen mit 350- oder 700-bar-Speichertechnologie).

Abbildung 3 zeigt zwei unterschiedliche Layouts von Wasserstofftankstellen mit einer Abgabekapazität von mehr als 2 t pro Tag. Je nachdem, ob der Wasserstoff gasförmig oder verflüssigt angeliefert wird, unterscheiden sich die benötigten Hauptkomponenten. Für beide Konzepte sind Gasführungskomponenten, Ventile, Sensoren und ein Prozessleitsystem erforderlich.

Sinkende H2-Kosten

Betrachtet man die kilometerbezogenen Kraftstoffkosten, entspricht ein Dieselpreis von 1,4 Euro/l (inkl. Steuern) einem H2-Kraftstoffpreis von etwa 5 Euro/kg. Die Metaauswertung vorliegender Studien ergibt einen Rückgang der H2-Kraftstoffkosten von über 10 Euro/kg heute auf einen Bereich von etwa 4 bis 6 Euro/kg (ohne Steuern). Studienabhängig wird dieses Kostenniveau bis 2030 oder in den darauffolgenden Jahren erwartet. Die verfügbaren Kostendaten beziehen sich dabei fast ausschließlich auf 700-bar-Kraftstoff. Kostendaten zu sLH2 und CcH2 sind nur sehr eingeschränkt verfügbar, deuten aber auf ein vergleichbares Kostenniveau hin.

Um diese Kostensenkungen zu erreichen, sind entlang der gesamten H2-Bereitstellungskette, von der H2-Erzeugung bis zur Betankungsanlage, Einspareffekte durch Massenfertigung und Skaleneffekte erforderlich. Zusätzlich muss die gesamte Bereitstellungsinfrastruktur gut ausgelastet und es müssen optimierte Versorgungs- und Logistikkonzepte eingesetzt werden. Um für den Endanwender eine kilometerbezogene Kostenparität von Diesel und H2-Kraftstoff zu erreichen, müssen differenzierte Abgaben und/oder Steuern auf beide Kraftstoffe erhoben werden.

Die Energiesteuer für Diesel beträgt derzeit 0,47 Euro/l. Hinzu kommt bis 2025 eine CO2-Abgabe von etwa 0,15 Euro/l. Mit diesen Abgaben ist perspektivisch eine kilometerbezogene Kostenparität erreichbar, solange die Steuerbefreiung von H2-Kraftstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge erhalten bleibt. Wird künftig eine Steuer für H2-Kraftstoff erhoben, müssten parallel die Abgaben für Diesel erhöht werden, um Kostenparität der Kraftstoffe weiterhin zu ermöglichen.

Um Brennstoffzellennutzfahrzeuge im Fernverkehr zukünftig außerhalb von Förderprojekten zu etablieren, dürfen die Gesamttransportkosten maximal das Niveau für konventionelle Lkw mit Dieselantrieb erreichen. Die in der Studie betrachteten Kraftstoffkosten sind dabei nur ein Element. Kostensenkungen bei den Fahrzeugen oder entsprechend gestaltete CO2-Abgaben bzw. emissionsabhängige Mautgebühren oder Energiesteuern könnten insgesamt eine Kostenparität ermöglichen.

Über die Studie

Die Studie entstand im Auftrag der e-mobil BW GmbH und wurde von der Plattform H2BW, die die Aktivitäten im Bereich der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie in Baden-Württemberg bündelt, herausgegeben. Autoren sind die Firma Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH und das Institut für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Im Rahmen dieser Studie wurden der aktuelle Entwicklungsstand und die Perspektiven der H2-Betankungsinfrastruktur für Nutzfahrzeuge im Fernverkehr erarbeitet.

Autoren:
Jan Zerhusen, Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH, München/Ottobrunn, Jan.Zerhusen@LBST.de

Mathias Böhm, DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte, Berlin, Mathias.Boehm@dlr.de

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