Das SHIMMER-Projekt

Das SHIMMER-Projekt

Europäisches Multi-Gasnetzwerk geht an den Start

Im EU-Projekt SHIMMER arbeitet die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) an einer umfassenden Wissensdatenbank. Dort sollen wichtige Informationen zu Standards für sichere Materialien und Komponenten sowie zur europäischen Gasinfrastruktur bereitgestellt werden. SHIMMER wird von der norwegischen Forschungsorganisation SINTEF geleitet. Das Projekt vereint zwölf europäische Institutionen, darunter staatliche Einrichtungen und Gasnetzbetreiber aus Spanien, Italien, Norwegen, Polen, Belgien, den Niederlanden und Deutschland.

Die Einspeisung von Wasserstoff (H₂) in bestehende Gasnetze bringt sowohl technische als auch regulatorische Herausforderungen mit sich. Diese betreffen insbesondere die Materialintegrität von Pipelines und die Harmonisierung gesetzlicher Anforderungen. Im Projekt SHIMMER (Safe Hydrogen Injection Modelling and Management for European Gas Network Resilience) geht es darum, das Verständnis für die Integration von Wasserstoff in die bestehende Gasinfrastruktur zu verbessern und damit den Markthochlauf sicherer Wasserstofftechnologien insgesamt zu unterstützen. Das Forschungsvorhaben startete bereits im September 2023 und wird im August 2026 enden. Die Finanzierung erfolgt durch das EU-Programm „Horizon Europe – Clean Hydrogen Partnership“.

Funktionalität und Sicherheit des Gasnetzes
Bereits der Titel „Safe Hydrogen Injection Modelling and Management for European Gas Network Resilience“ verweist auf die mit dem Projekt verbundene Zielsetzung: Für eine geplante höhere Einspeisung von Wasserstoff ins existierende Gasnetz sollen zuverlässige Modelle beziehungsweise Simulationswerkzeuge und sicheres Management bereitgestellt werden, um die Ausfallsicherheit beziehungsweise Robustheit des europäischen Gasnetzes zu gewährleisten.

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„Die Einspeisung von H₂ ins existierende Gasnetz in höheren Anteilen oder in höherer Konzentration ist mit technischen Herausforderungen verbunden, weil die Infrastruktur ursprünglich nicht dafür vorgesehen ist. Deshalb müssen Werkzeuge, Prüfmethoden, Simulationsprogramme zum Planen und zum Betrieb, aber auch eine Übersicht über die bereits existierende Infrastruktur geschaffen werden, um die Sicherheit des Netzes und dessen Funktionalität zu gewährleisten“, erläutert der Projektverantwortliche Dr.-Ing. Oded Sobol von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung.

Im Rahmen des genannten übergeordneten Ziels werden weitere spezifische Ziele verfolgt, wie die Kartierung und Bereitstellung einer Übersicht über die existierende Infrastruktur in Bezug auf verwendete Materialien, Komponenten, Technologien und die Eignung dieser für H2. Diese Daten werden Bestandteil einer öffentlichen Wissensdatenbank sein, die dem Nutzer frühzeitig Informationen über die Eignung der Infrastruktur zur Verfügung stellt. Zudem sollen geeignete Materialtestverfahren sowie Werkzeuge oder Methoden für die Inspektion und zum Auffinden von Lecks bzw. Undichtigkeiten entwickelt werden.

Auch gelte es, Simulationswerkzeuge, zum Beispiel für die Planung oder Simulation der Gasqualität bei variierender Einspeisung und variierendem Verbrauch, bezogen auf Rate und Konzentration, zu schaffen. Die Gaszusammensetzung bei den Projektpartnern ist ebenfalls eine Fragestellung der Forschenden. Eine bestimmte Gasqualität soll durch das Projekt sichergestellt und Strategien für die Einspeisung von H₂ ins Gasnetz sollen entwickelt werden. Nicht zuletzt ist geplant, Guidelines für das Risikomanagement zu erstellen und Simulationsstudien für das Durchspielen verschiedener Szenarien zu erarbeiten.

Für die Projektpartner ist die Thematik indes nicht neu. So haben die Gasnetzbetreiber die H₂-Einspeisung in ihren Strategien und Zukunftsplänen fest verankert. Und auch die involvierten Forschungsgesellschaften haben auf ihren jeweiligen Spezialgebieten bereits Erfahrungen mit dem Thema sammeln können.

Vorgängerprojekte werden berücksichtigt
Somit werden in SHIMMER Daten von teilnehmenden Industriepartnern (hauptsächlich europäischen Fernnetz- und Verteilnetzbetreibern) gesammelt. Im Projekt wird auch auf den SyWeSt-H2-Bericht (Tests mit repräsentativen Materialproben von Rohren des deutschen Gasnetzes) zurückgegriffen. „Möglicherweise wird es auch eine Korrelation zur VerifHy-Datenbank (www.verifhy.de) geben, in der Hersteller für Rohrleitungen die Informationen zur H2-Readiness ihrer Produkte zusammengefasst haben“, erläutert der Projektverantwortliche bei SINTEF Industry, Dr. Heiner Schümann.

Weitere Projekte, die auf für die Datenbank nutzbare Resultate hin untersucht werden, sind zum Beispiel:

  • das EU-Projekt HIGGS (Liste über Eignung von TSO-Rohrmaterial – unvollständig)
  • das britische Projekt HyDeploy (Feldtests mit 20 % H2-Einspeisung in Großbritannien)
  • die EU-Projekte THyGA (Testen von Verbraucherendgeräten und ihrer Eignung für H2-Erdgas-Mix, z. B. Wärmepumpen, Boiler, Öfen, CHP [combined heat and power], Verteiler etc.), CEN H2 PNR (Literaturrecherche für viele relevante Bereiche, unter anderem Gasqualität und Stahlrohre), CANDHy (Kompatibilität für nicht-metallische Materialien).

Mit den an diesen Projekten Beteiligten wird über die Möglichkeit einer Zusammenarbeit diskutiert.

Europäische Projekte

Fünf Arbeitspakete
Inhaltlich besteht das Projekt aus fünf Arbeitspaketen, welche zeitgleich durchgeführt werden sollen. „Es gibt jedoch Abhängigkeiten von unterschiedlichen Aufgaben innerhalb der Arbeitspakete, die bei der zeitlichen Planung zu berücksichtigen sind“, sagt Schümann.

Das erste von SINTEF geleitete Arbeitspaket trägt den Titel „Project Manangement and Coordination“ (Projektmanagement und Koordination). „Hier geht es darum sicherzustellen, dass das Projekt mit den gegebenen Mitteln und der erwarteten Qualität innerhalb des Zeitplans durchgeführt wird“, so Schümann. „Gasinfrastruktur und Betriebsbedingungen“

Das zweite Arbeitspaket „Gas Infrastructure and Operational Conditions“ (Gasinfrastruktur und Betriebsbedingungen) steht unter der Regie der BAM. „Unsere Aufgabe ist es, Informationen über die existierende europäische Gasinfrastruktur in Bezug auf metallische Materialien (Rohre) zu beschaffen. Dabei nutzen wir sowohl existierende Daten von anderen Projekten als auch aus der Literatur und sammeln außerdem neue Angaben von unseren Partnern“, sagt Sobol. Zudem beschaffe man Informationen über Betriebsbedingungen. Auch geltende Standards und Gesetze würden gesichtet, zusammengestellt sowie hinsichtlich ihrer Eignung überprüft. „Letztendlich wollen wir alle Informationen in einer benutzerfreundlichen Datenbank organisieren und diese öffentlich zugänglich machen“, so Sobol.

Das dritte Arbeitspaket ist überschrieben mit „Integrity Management and Safety“ (Integritätsmanagement und Sicherheit) und fällt unter die Zuständigkeit des spanischen Forschungszentrums TECNALIA (Zentrum für angewandte Forschung und Technologieentwicklung). Hier geht es darum, die Eignung von gängigen Material- und Kompatibilitätstestverfahren für die geplante höhere H2-Einspeisung zu überprüfen. Außerdem erfolgt eine GAP-Analyse unter dem Gesichtspunkt des Bedarfs nach Anpassung, Änderungen oder neuen Verfahren und Vorschriften. Auch werden Guidelines für Inspektionsmethoden für Rohrleitungen erarbeitet und Empfehlungen für Lecktestmethoden konzipiert. Schließlich geht es darum, Empfehlungen für die Risikoanalyse in Bezug auf Lecks zu geben und Werkzeuge dafür zu erarbeiten.

Im vierten Arbeitspaket „Flow Assurance“ (Sicherung des Durchflusses), geleitet von der Niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (TNO), werden realistische Testverfahren beschrieben und existierende Simulationsprogramme auf ihre Eignung hin bewertet. Zudem soll eine Auswahl geeigneter Programme verbessert und angepasst werden, so dass damit entsprechende Szenarien durchgespielt werden können. Schließlich sollen geeignete Technologien für die Messung und Kontrolle der Gasqualität bewertet werden.

Im fünften und letzten Arbeitspaket „Dissemination, Communication and Exploitation“ (Verbreitung, Kommunikation und Verwertung), geleitet von GERG – Die Europäische Gas-Forschungsgruppe, wird die Verbreitung der Ergebnisse gesichert, das heißt, es wird dafür gesorgt, dass diese die richtigen Endnutzer, Entscheidungsgremien und Interessengruppen erreichen. Auch ist die GERG für die Publikation von Artikeln in Zeitschriften und weiteren öffentlichen Medien ebenso zuständig wie für die Organisation von Konferenzen. Des Weiteren besteht ihre Aufgabe in der Kommunikation mit Interessengruppen während der Projektphase, um Rückmeldung und notwendige Informationen zu bekommen.

Bei ihrer Arbeit sehen sich die Forschenden im Konsortium vor einige Herausforderungen gestellt: „Zunächst wäre die Vertraulichkeit der Informationen von Industriepartnern zu nennen. Gleichzeitig haben wir die Intention, so viel wie möglich zu veröffentlichen“, sagt Sobol. Außerdem sei die Bezeichnung von Materialien, zum Beispiel Stahlqualitäten, nicht hundertprozentig standardisiert, und es würden europaweit unterschiedliche Materialien mit teilweise unterschiedlicher Namensgebung verwendet. Auch differiere die Umgebung (Gasqualität, Klima), der die verschiedenen Materialien ausgesetzt sind. Zudem verfolgten die Industriepartner im Hinblick auf die Szenarien für Simulationsstudien verschiedene Interessen. Eine Einigkeit über die Beimischung von H₂ (z. B. 2,5 oder 20 %) bestehe ebenfalls nicht. „In unserem Projekt sind sieben Länder repräsentiert. Das Problem besteht auch darin, wie wir die Informationen aus den restlichen europäischen Ländern abdecken sollen“, sagt Schümann.

Publikation der Zwischenergebnisse steht kurz bevor
Erste Ergebnisse gibt es bereits. „Wir warten jedoch derzeit auf die Genehmigung und Freigabe durch die European Commission. Danach werden diese online zugänglich sein und auch auf unserer Webseite verlinkt werden“, sagt Schümann. Die Veröffentlichung der Datenbank auf der Projektwebseite (https://shimmerproject.eu/) sowie anderer wissenschaftlicher Publikationen sei, so Sobol, bis zum Projektende vorgesehen.

Industrie und Gesetzgebung profitieren
Nach Abschluss des Projekts im August 2026 sollen die meisten Ergebnisse, einschließlich der Datenbank, öffentlich zugänglich sein. Davon profitieren kann zum einen die Industrie: Die Planung bei der H2-Einspeisung wird vereinfacht. Netzbetreiber, Lieferanten und Hersteller von Rohren und Ausrüstung sparen Zeit und Kosten. Zum anderen können gesetzgebende Organe ihre Richtlinien anpassen. „Heutzutage gibt es für Europa weder harmonisierte Anforderungen oder Einspeiselimits noch Vorschriften für Prüf- und Eignungsverfahren für die H2-Einspeisung. Die Ergebnisse dieses Projektes sind eine Grundlage für einen solchen Standardisierungsprozess“, sagt Schümann.

https://shimmerproject.eu

Keine Zweifel am Kernnetz

Keine Zweifel am Kernnetz

Gasnetzbetreiber rechnen weiterhin mit politischer Unterstützung

Im Oktober 2024 hat die Bundesnetzagentur die Pläne für das Wasserstoff-Kernnetz genehmigt. Durch manche Abschnitte soll schon 2025 Wasserstoff fließen. Trotz trubeliger Zeiten bleiben die Netzbetreiber zuversichtlich in Bezug auf die neue Infrastruktur.

Planungssicherheit für die Betreiber von Speichern und Netzen sowie für die Wasserstoffnutzer sollte die Genehmigung des H2-Kernnetzes schaffen. Das erklärte der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck am 22. Oktober 2024.

Nur 15 Tage später platzte die Ampel-Koalition. Das Wort „Planungssicherheit“ schien wie ein schlechter Witz. Mittlerweile sortieren sich einige Dinge, sogar einige wichtige Gesetzesnovellen könnten es noch durch den Bundestag schaffen.

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Keine Zeit für Sorgen
Die angehenden Betreiber des H2-Kernnetzes zeigen sich von dem Trubel weitgehend unbeeindruckt. Sie sind optimistisch, weiterhin politische Unterstützung zu erhalten. Das hängt teilweise sicher damit zusammen, dass der fortgeschrittene Projektstatus keine Zeit zum Zweifeln mehr lässt. Schon 2025 sollen erste Wasserstoffleitungen in Betrieb gehen. Und umgekehrt erhöht jeder Meter gebaute Wasserstoffleitung den Druck auf die Politik zum Weitermachen.

Zudem zeigte unter anderem die Anhörung zum Wasserstoffbeschleunigungsgesetz, dass nahezu alle Parteien hinter dem Rohstoff Wasserstoff stehen – von der AfD abgesehen. „Die gegenwärtige politische Lage hat auf diese Entscheidungen keinen Einfluss“, sagt Sebastian Luther aus der Unternehmenskommunikation der Ontras Gastransport, die bereits am Umbau einer Leitungsstrecke arbeitet. „Ich gehe nicht davon aus, dass sich die Lage für das Wasserstoff-Kernnetz bei einem Regierungswechsel verschlechtert. Vielleicht wird es mit einer CDU-geführten Regierung sogar besser“, sagt ein Mitarbeiter einer anderen Netzgesellschaft. Womöglich würden dann sogar die Pipeline-Verhandlungen mit Norwegen wieder aufgenommen, hofft er.

Und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fasst zusammen: „Die Umsetzung des Wasserstoff-Kernnetzes läuft nun. Der Antrag wurde genehmigt und die Unternehmen können mit der Realisierung beginnen.“

Eckdaten
Das H2-Kernnetz soll nach und nach bis 2032 in Betrieb gehen und 101 GW Einspeiseleistung haben. Die von der Bundesnetzagentur im Oktober genehmigte Variante ist gegenüber dem Antrag etwas geschrumpft: 9.040 statt 9.666 km Leitungslänge, 18,9 statt 19,8 Milliarden Euro.

Wasserstoff für Raffinerie
Drei Netzbetreiber, die schon 2025 erste Abschnitte fertigstellen wollen, sind Ontras Gastransport, Gascade sowie das Konsortium um den GET H2 Nukleus. Bei Ontras soll als Erstes die Total Energies Raffinerie Mitteldeutschland angeschlossen werden. „Im Reallabor der Energiewende Energiepark Bad Lauchstädt gehen wir weiterhin davon aus, dass wir den Kunden planmäßig im Jahr 2025 ans entstehende Wasserstoff-Kernnetz anschließen – und damit den ersten landesweit“, heißt es von Ontras.

Vertraglich sei die gesamte Lieferkette bereits vollständig vereinbart, so die Pressemitteilung. Der Spatenstich für das 25 km lange Teilstück von Bad Lauchstädt nach Leuna fand bereits im Sommer 2023 statt, wenige Monate später folgte der Einbau der Molchschleuse (Abb. 1). Das Teilstück gehört zum Energiepark Bad Lauchstädt, das als Reallabor der Energiewende vom BMWK gefördert wird. In dem Pilotprojekt will der Gasnetzbetreiber Erfahrungen sammeln, die beim Umstellen weiterer Gasleitungen Zeit und Arbeit ersparen sollen, erklärt Gunar Schmidt, Ontras-Geschäftsführer Betrieb und Sicherheit. Im Zuge des H2-Kernnetzes will Ontras insgesamt rund 600 km Wasserstoff-Transportleitungen im mitteldeutschen Raum schaffen.

Von der Ostsee nach Sachsen-Anhalt
Auch die Gascade Gastransport steht in den Startlöchern. „An der Planung für die Umsetzung der H2-Transportprojekte arbeiten wir bereits länger. Jetzt kann es tatsächlich losgehen – mit Umstellungen heutiger Erdgas-Pipelines und Neubauprojekten“, sagte Geschäftsführer Christoph von dem Bussche im Oktober. Gascade will vor allem im Nord- und Ostseeraum Importleitungen aufbauen. Noch 2025 soll das erste Leitungsprojekt mit dem Titel „Flow – making hydrogen happen“ große Wasserstoffmengen von Lubmin an der Ostseeküste nach Bobbau, einem Stadtteil von Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt, bringen können.

Ausgerechnet der in Lubmin ansässige Elektrolyseur-Betreiber HH2E hat gerade mit einer Insolvenz Schlagzeilen gemacht (s. S. 7). Doch das ficht das Leitungsprojekt nicht an, wie Gascade erklärt. Zum einen hofft das Unternehmen auf einen neuen Investor, zum anderen gibt es weitere Erzeuger, die in die Leitung einspeisen wollen.

In den Folgejahren sollen Leitungen im Ostseeraum und Südwesten folgen sowie die Offshore-Pipeline AquaDuctus, die Wasserstoff aus einem Nordsee-Windpark mit 1 GW Leistung an Land bringen soll.

Wasserstoff im Westen
Auch im Ruhrgebiet laufen die Bauarbeiten am ersten Kernnetz-Abschnitt, dem Projekt GET H2 Nukleus. Das Gesamtsystem mit vielen beteiligten Partnern soll bereits Mitte 2025 in Betrieb gehen. Es beinhaltet einen Großelektrolyseur (RWE), eine Umstellung von Bestandsleitungen (Nowega und OGE) sowie eine teilweise neue Leitungsstrecke (Nowega, Evonik). Bereits 2023 hat der Bau mehrerer Leitungen begonnen.

Investitionssicherheit gefragt
Einen normalen Leitungsneubau würde sich ein Netzbetreiber mit wasserdichten Verträgen mit den Kunden absichern lassen. Doch bei einem kompletten Netz für einen neuen Energieträger sind die Summen und die Ungewissheiten dafür zu groß. Viele Netzbetreiber erklären, das H2-Kernnetz sei eine historische Aufgabe für sie. Selbst für große Konzerne sind die Investitionen mindestens sehr ungewöhnlich, wenn nicht gar einzigartig.

Und so braucht es trotz grundsätzlich privatwirtschaftlicher Finanzierung doch staatliche Hilfe. Neben den IPCEI-Projekten (Important Projects of Common European Interest), die mit explizitem Segen der Beihilfe-Wächter der EU hohe Zuschüsse von Bund und Ländern erhalten, besteht die Hilfe vor allem in der staatlichen Rückendeckung bei der Amortisation über die Netzentgelte. Die Bundesnetzagentur soll zum Start das bundesweit einheitliche Hochlauf-Netzentgelt festlegen, so dass die ersten Kunden nicht abgeschreckt werden.

Aus der hohen Investition am Anfang und verzögerten Einnahmen ergibt sich so eine Finanzlücke. Diese will der Bund mit einem sogenannten Amortisationskonto überbrücken. Anfangs soll von dort Geld an die Netzbetreiber fließen, später wieder zurück – so zumindest lautet der Plan der Ampel-Regierung. „Der Kostenausgleich über das Amortisationskonto ermöglicht es uns, in das Kernnetz zu investieren, ohne alle Deals klar haben zu müssen“, sagt Dr. Dirk Flandrich, Leiter des Programms „Flow – making hydrogen happen“ bei Gascade.

Der norddeutsche Netzbetreiber Hamburger Energienetze, der im Hafengebiet mehrere Industriebetriebe mit Wasserstoff beliefern will, äußert sich ähnlich. Die Aussicht auf die einheitlichen Netzentgelte gebe den Netzbetreibern nun Finanzierungssicherheit, heißt es.

Die Grundlagen sind also da. Doch damit ist weder H2-Hochlauf noch Kernnetz in trockenen Tüchern. Damit sich das Amortisationskonto wie geplant wieder füllt, müssen die Bedingungen auch für H2-Erzeuger, -Speicher und -Abnehmer stimmen. Sie alle müssen zusammenfinden, um langfristige Verträge zu schließen.

Und dafür wiederum braucht es einen stabilen politischen Rahmen, in Deutschland wie in Europa. Der Ausbau erneuerbarer Energien, die Definition für grünen oder kohlenstoffarmen Wasserstoff und das Gaspaket der EU sind nur einige Stichworte. Während die Netzbetreiber an ihren Kernnetz-Baustellen arbeiten, gibt es daher auch reichlich politische Baustellen für die Bundesregierung und die EU. Diese anzugehen wird Aufgabe der neuen EU-Kommission und der zukünftigen Bundesregierung sein.

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