von Eva Augsten | Nov 4, 2024 | 2024, Deutschland, Entwicklung, Europa, Meldungen, News, Wasserstoffwirtschaft
Praxistest im Container-Terminal
An einem Container-Terminal in Hamburg entsteht ein Testfeld für Schwerlastfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb. Die erste Zugmaschine ist mittlerweile im Einsatz.
Regen platscht auf die Tische, die geladenen Gäste drängen sich unter den Sonnenschirmen, an denen der Wind rüttelt. Im Container-Terminal Tollerort im Hamburger Hafen soll es heute etwas zu sehen geben. Eine gelbe Zugmaschine fährt vor, kommt auf einem leuchtend blauen Streifen vor einer Tanksäule zum Stehen. Ein Mitarbeiter steht schon bereit, hakt den Dispenser in die Tanköffnung und drückt auf den Startknopf. Der Vorgang ist recht unspektakulär. Lediglich eine Anzeige an der Zapfsäule zeigt, wie der Druck im Tank langsam steigt.
---------- Werbung ----------
Herausforderung Retrofit
Dass so viele Menschen zum Terminal gekommen sind, liegt nicht allein an der Wasserstofftankstelle. Vielmehr ist es das Gesamtprojekt, das so viele Menschen, darunter Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard, Christian Maaß vom BMWK und Antje Roß von der NOW, den Weg nach Tollerort hat auf sich nehmen lassen. Tanksäule und Zugmaschine sind die ersten Elemente eines sogenannten H2-Testfeldes, an dem das Cluster Clean Port & Logistics arbeitet. Testfeld und Cluster wurden beide im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) gefördert, in Summe mit drei Millionen Euro.
---------- Werbung ----------
Die Hamburger Hafen und Logistik (HHLA) will in diesem Projekt herausfinden, wie sich das Terminal klimafit machen lässt. „Vieles hier auf dem Terminal funktioniert bereits elektrisch. Den Wasserstoff wollen wir im Schwerlastbereich dort einsetzen, wo Batterien nicht reichen“, sagt Karin Debacher, Head of Hydrogen Projects bei der HHLA, die das Terminal Tollerort betreibt. Dabei geht es nicht nur um große Lasten und Leistungen, sondern auch um „Grenzen betrieblicher Art“, wie HHLA-CEO Angela Titzrath es formuliert.
Das Containerterminal Tollerort wirkt mit seinen 600.000 Quadratmetern Fläche riesig und ist dennoch das kleinste Containerterminal der HHLA. Es liegt im Stadtteil Steinwerder auf einer Art Flussinsel, von der es den größten Teil einnimmt. Daneben passen noch die städtische Kläranlage und einige kleinere Firmen – Platz für Erweiterungen ist dort nicht. Gebaut wurde es schon in den späten 1970er Jahren, automatisiert ist nur wenig.
---------- Werbung ----------
vlnr Karin Debacher, Leiterin Wasserstoffprojekte der HHLA; Dr. Lucien Robroek, President Technology; Solutions Division bei Hyster-Yale Materials Handling; Dr. Melanie Leonhard, Senatorin für Wirtschaft und Innovation; Angela Titzrath, Vorstandsvorsitzende der HHLA; Christian Maaß, Leiter Wärme, Wasserstoff & Effizienz im BMWK, Antje Roß, Managerin Hafennetzwerke und -anwendungen bei der NOW GmbH
In Feierstimmung trotz Regenwetters (von links) Karin Debacher, Leiterin Wasserstoffprojekte der HHLA, Dr. Lucien Robroek, President Technology Solutions Division bei Hyster-Yale Materials Handling, Dr. Melanie Leonhard, Senatorin für Wirtschaft und Innovation, Angela Titzrath, Vorstandsvorsitzende der HHLA, Christian Maaß, Leiter Wärme, Wasserstoff & Effizienz im BMWK, Antje Roß, Managerin Hafennetzwerke und -anwendungen bei der NOW GmbH
Im Reich der Giganten
Um die Massen von ankommenden und zu verladenden Containern zu bewältigen, sausen insgesamt 59 sogenannte Van Carrier über das Terminal. Sie erinnern an die AT-AT Walker aus Starwars, sind aber auf Rädern unterwegs. Ihre Beine sind so lang, dass sie über Container hinwegfahren können, um einen weiteren Container darauf zu platzieren oder hinunterzuheben. Bis zu 60 Tonnen bewegen sie dabei. „Einige der Van Carrier in Tollerort fahren mit dieselelektrischem Antrieb, aber ein reiner Batteriebetrieb kommt nicht infrage“, sagt HHLA-Pressesprecherin Karolin Hamann. Daneben gibt es noch sogenannte Reachstacker, die zum größten Teil aus einem langen, starken Arm bestehen. Bis zu sechs Container können sie aufeinanderstapeln.
Der Schwerlast-Fuhrpark des Hafens ist so exotisch, dass man eine Hafensafari mit dem Namen „Tour der Giganten“ buchen kann. Gemeinsam ist den Giganten, dass sie jederzeit leistungsfähig sein müssen. 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag. Zeit um Akkus aufzuladen ist da nicht. Auch einfach mehr Fahrzeuge anzuschaffen und diese nach dem Laden auszuwechseln ist keine Alternative. Die wären nicht nur teuer, sondern es gibt auch gar keinen Platz dafür. Während das neueste Terminal der HHLA im weiter südlich gelegenen Altenwerder schon vollelektrisch und -automatisch läuft, sucht das Hafenunternehmen noch nach einer Lösung für das Bestandsterminal Tollerort. Wasserstoff soll den Durchbruch bringen.
Wenige Fahrzeuge erhältlich
Und obwohl der Wasserstoff bei den Hochleistungsfahrzeugen in der Hafen-Logistik so dringend benötigt wird, kommt er hier längst nicht so häufig zum Einsatz wie im Straßenverkehr. Um das zu ändern, haben sich die HHLA und rund 40 weitere Unternehmen aus aller Welt im Oktober 2022 im Cluster Clean Port & Logistics zusammengeschlossen. Zum Cluster gehört auch Hyster-Yales. Das Unternehmen stellt unter anderem Zugmaschinen und Leercontainerstapler her – Fahrzeuge, die im Vergleich zu den Hafengiganten schon fast alltäglich wirken. Doch ganz einfach scheint es dennoch nicht zu sein:
Eigentlich wollte Hyster-Yales schon 2022 die erste Zugmaschine für Tests zur Verfügung stellen, 2023 sollte ein Leercontainerstapler folgen. Nun ist die Zugmaschine endlich da – und wurde in Hamburg kräftig beklatscht. Angetrieben wird sie von einer Brennstoffzelle von Nuvera. Lucien Robroek, President Technology Solutions Division von Hyster-Yale Materials Handling, ist persönlich zur Eröffnung angereist. „Ganz über den Berg sind wir mit der Technologie noch nicht. Aber wir werden es schaffen“, sagte Robroek bei der Feier. Der angekündigte Leerstapler soll Ende 2024 oder Anfang 2025 folgen. Er ähnelt im Aufbau einem Gabelstapler, hat vorne aber statt der Gabel eine Art Lastenaufzug für Container, was ihn zu einem regelrechten Hochstapler macht – bis zu sechs Container aufeinander sind möglich.
Mehr Tempo beim Tanken
Doch was ist nun das Besondere am Tanken von Wasserstoff im Terminal? Allein in Deutschland gibt es fast 100 Wasserstofftankstellen. Der Unterschied zu diesen öffentlichen Standorten: Im Hafen kostet jede Minute viel Geld. Deshalb muss jedes Detail bekannt sein und jeder Handgriff sitzen. Für die ersten Inbetriebnahme-Tests haben Clusterpartner ihre Fahrzeuge zur Verfügung gestellt. Das kommunale Busunternehmen VWG Oldenburg schickte einen seiner Wasserstoffbusse zum Probetanken, das Logistikunternehmen CMB.Tech aus Antwerpen einen Lkw. Nun weiß man schon mal: Im Prinzip funktioniert das Tankstellendesign.
Das sieht so aus: Der Wasserstoff wird von Lhyfe in einem Speicher angeliefert, der in einen 20-Fuß-Container integriert ist. Bei den 380 bar finden darin 450 kg Wasserstoff Platz. Lokal wird ein Teil des Wasserstoffs bis auf 550 bar nachverdichtet und in einem Mitteldruckspeicher gelagert. Die Fahrzeuge kommen zur Tankstelle, wenn ihr Druck auf etwa 30 bar abgesunken ist. Sie werden dann zunächst aus dem Trailer betankt. Und wenn dieser Druck nicht mehr reicht, schaltet die Tankstelle automatisch auf den Mitteldruckspeicher um. Wie in der neumodischen Gastronomie für Wasser hat die Tankstelle zwei Zapfhähne: einen für gekühlten und einen für ungekühlten Wasserstoff. So will die HHLA herausfinden, ob das Tanken sich mit dem vorgekühlten Wasserstoff nennenswert beschleunigen lässt. Auch Details sollen die Tests klären: Wie lange dauert ein Tankvorgang in der Sommerhitze, wie lange im Eisregen? Tankt man am besten bei Schichtwechsel oder einfach dann, wenn es nötig ist? Tankt der Fahrer selbst – oder geht es mit einem Tankwart schneller?
Was rauskommt
Nach und nach will HHLA auch seine Schwerlast-Giganten testweise mit Wasserstoff betreiben. Neben Hyster-Yale gehören auch die Hersteller Konecranes, Kalmar und Gaussin zum Cluster Clean Port & Logistics. Einen Zeitplan für die Lieferung erster Fahrzeuge gibt es aber noch nicht.
In Zukunft will die HHLA ihre H2-Tankstelle auch anderen Unternehmen zur Verfügung stellen, die Fahrzeuge mit 350 bar betanken wollen. Ganz unkompliziert ist das allerdings nicht. Man muss sich über eine App registrieren und eine Sicherheitseinweisung absolvieren. Der HHLA-Sicherheitsdienst begleitet zudem die Tankwilligen bis zur Zapfsäule und zurück. Da es in Hamburg bereits vier verkehrsgünstig gelegene öffentliche Wasserstofftankstellen in verschiedenen Himmelsrichtungen gibt, dürfte der Kundenkreis der Tankstelle im Containerterminal also überschaubar sein.
Für das Gesamtprojekt ist das allerdings eine Nebenbaustelle. Vor allem warten die Cluster-Mitglieder – darunter Forschungseinrichtungen, Fahrzeughersteller, Wasserstoffspezialisten und weitere Hafengesellschaften – auf Ergebnisse, die sie in ihren eigenen Entwicklungen weiterbringen. Der Schwerpunkt der Partner liegt in Deutschland, zum Beispiel sind die Häfen von Kiel und Lübeck in dem Projekt organisiert. Allerdings sind auch der Port of Los Angeles and Neltume Ports, ein Betreiber von 17 Häfen in Chile, Argentinien, Brasilien, Uruguay und den USA, an Bord. Die Erkenntnisse aus Hamburg könnten also weltweit Schule machen.
von Petro Brosei | Okt 28, 2024 | 2024, Energiewirtschaft, Europa, International, Meldungen, Wasserstoffwirtschaft
Regionen-Serie: Berlin-Brandenburg
Das von der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg initiierte und als Leadpartner geleitete Projekt H2CE zielt auf die Unterstützung mitteleuropäischer Regionen bei der Integration von Wasserstoff in die regionale Energieplanung ab. Das Projekt läuft seit April 2023 über drei Jahre bis März 2026. Die Projektpartnerschaft besteht aus zwölf Partnern aus sieben Ländern (Deutschland, Polen, Österreich, Tschechien, Slowakei, Italien und Kroatien).
---------- Werbung ----------
Das EU-Förderinstrument Interreg soll unter anderem die transnationale Zusammenarbeit von Akteuren aus der Hauptstadtregion mit verschiedenen Projektpartnern verbessern, um somit Lösungen für territoriale Herausforderungen in staatenübergreifenden Kooperationsräumen bzw. Makroregionen entwickeln zu können. Interreg unterstützt somit die Kooperation von verschiedensten Akteuren über Grenzen hinweg.
---------- Werbung ----------
Der Aktionsbereich „Interreg B – transnationale Zusammenarbeit“ beinhaltet Projekte kleinerer und größerer Konsortien in transnationalen Kooperationsräumen. Durch die Projekte können Lösungen für territoriale Herausforderungen in diesen Kooperationsräumen entwickelt werden. Die Länder Berlin und Brandenburg sind unter anderem am Programmraum Mitteleuropa beteiligt.
Das Projekt H2CE ist in der Programmpriorität „Unterstützung der Energiewende zu einem klimaneutralen Mitteleuropa“ einzuordnen, welche im Programmzeitraum 2021 bis 2027 einen Schwerpunkt darstellt. Für dieses Projekt stehen Gesamtmittel in Höhe von 2,39 Mio. Euro zur Verfügung. Die EU-Förderung durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) beträgt 80 Prozent.
---------- Werbung ----------
Stärkung der H2-Fähigkeit von Regionen
H2CE widmet sich der gemeinsamen Herausforderung der Regionen, eine intelligente Integration von Wasserstofflösungen und erneuerbaren Energien in die regionale Energiewende einzubringen. Durch verschiedene Projektaktivitäten werden Entscheidungshilfen für regionale Planungsinstitutionen entwickelt und in der transnationalen Zusammenarbeit Lösungen erarbeitet. Regionale Behörden und Verwaltungen sollen Kompetenzen für das Setzen der Rahmenbedingungen für die Integration von Wasserstoff in ihre Planungsaktivitäten erwerben.
Sie sollen in die Lage versetzt werden, die regionale Energiewende proaktiv zu steuern und zu unterstützen, ihre Zusammenarbeit mit Industrie und Projektträgern verbessern und somit zur Beschleunigung des Hochlaufs der regionalen Wasserstoffwirtschaft beitragen. „H2-Fähigkeit“ ist hierbei als Kompetenzerwerb unabhängig von der Bedeutung des Themas Wasserstoff für die jeweilige Region zu verstehen. H2CE verbessert die Möglichkeiten der teilnehmenden Regionen, die Bedeutung des Themas Wasserstoff in ihrem spezifischen Kontext zu beurteilen.
Folgende Projektaktivitäten sollen zur Verbesserung der „H2-Fähigkeit“ beitragen:
Das erste Arbeitspaket widmet sich der H2-Fähigkeit der Regionen im engeren Sinne, d. h., dass die teilnehmenden Regionen eine Analyse zur Bedeutung von Wasserstoff in energiewirtschaftlicher und planerischer Hinsicht durchführen, welche ihnen die Grundlage für eine Wasserstoffstrategie oder einen Aktionsplan ermöglicht. In einigen der teilnehmenden Regionen werden Letztere im Rahmen dieses Projekts durchgeführt. Bei diesem Prozess werden die Regionen mittels entwickelter Leitfäden unterstützt. Des Weiteren wird in diesem Arbeitspaket der strategische Ansatz von der regionalen Ebene auf eine transnationale Ebene angehoben. Die Erarbeitung einer transnationalen Wasserstoffstrategie der teilnehmenden Regionen schließt die Arbeit in diesem Arbeitspaket ab.
Das zweite Arbeitspaket befasst sich mit dem Entwickeln und Testen von Unterstützungsmechanismen für die Integration von Wasserstoff in die regionalen und lokalen Energiesysteme. Es geht darum, wie Behörden und Institutionen, die sich mit der regionalen Energieplanung befassen, solche Unterstützungsprozesse initiieren und umsetzen können. Die Unterstützungsmechanismen reichen vom Erarbeiten und Testen von Energiezellenmodellen, partizipativen Ansätzen beim Aufbau von fachlichen Kompetenzen der Stakeholder bis hin zu Instrumenten, die Anreize schaffen sollen. Dazu gehört ebenfalls ein GIS-basiertes Tool, welches die H2-Aktivitäten in einer Region zusammenfasst und somit Entscheidungsträger und Stakeholder bei ihrer Arbeit unterstützt.
Das abschließende dritte Arbeitspaket befasst sich aufbauend auf die anderen Arbeitspakete mit der Netzwerkbildung der sich mit der „H2-Fähigkeit“ beschäftigenden Regionen in Mitteleuropa und mit dem Wissenstransfer der auf regionaler, interregionaler und transnationaler Ebene erarbeiteten Lösungen. Zu diesem Zweck wird eine interaktive Plattform geschaffen, die jede interessierte Region auch nach Abschluss des Projekts nutzen kann. Das durch das Projekt geschaffene Netzwerk „H2-fähiger Regionen in Mitteleuropa“ soll somit institutionalisiert werden.
Mehrwert für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg
Die Gemeinsame Landesplanungsabteilung hat dieses Projekt aufgrund des Potenzials von grünem Wasserstoff als Bestandteil der Energiewende für die Planungsregionen der Hauptstadtregion angestoßen. Zudem bettet sich das Projekt in die Zielstellung der Scandria Alliance als Entwicklungskorridor ein.
Abgesehen von der Gesamtkoordination des Projekts hat die Gemeinsame Landesplanungsabteilung die Leitung des ersten Arbeitspakets übernommen. Dabei entwickelt sie mit fachlicher Unterstützung des Reiner Lemoine Instituts die im Projekt zu erarbeitende Zusammenfassung der regionalen Analysen der in der Projektpartnerschaft beteiligten Regionen, die Leitfäden zur Erarbeitung von regionalen Wasserstoff-Strategien und Aktionsplänen sowie im Abschluss eine transnationale Strategie.
Die für Berlin und Brandenburg geltenden Wasserstoffstrategien können durch das Projekt in ihrer Umsetzung aus regionalplanerischer Sicht unterstützt werden. Verschiedene Planungsregionen und regionale Netzwerke von H2-Akteuren werden aktiv in die Projektarbeit mit eingebunden und assoziiert. Die Gemeinsame Landesplanung verfolgt damit die Schöpfung von Synergien mit den fortschreitenden energiepolitischen und -planerischen Prozessen in der Hauptstadtregion und setzt durch die transnationale Zusammenarbeit in Mitteleuropa auf den Wissenstransfer und die Zusammenarbeit mit anderen Regionen in Europa und insbesondere im deutsch-polnischen Verflechtungsraum.
Der Nordwesten Brandenburgs (Planungsregion Prignitz-Oberhavel) ist über den Projektpartner Regionalentwicklungsgesellschaft Ostprignitz-Ruppin als Region aus der Hauptstadtregion vertreten und wird im Rahmen des Projekts einen Wasserstoff-Aktionsplan entwickeln, für den eine Wasserstoff-Potenzialstudie 2023 bereits den Grundstein gelegt hat. Hierbei ist die Unterstützung des regionalen H2-Netzwerks für Nordwest-Brandenburg PROOH2V unerlässlich.
Die Stadt- und Überlandwerke Lübben / Spreewald entwickeln im Rahmen des Projekts ein Energiezellenmodell, welches sowohl auf andere Brandenburger Regionen wie auch Regionen aus ganz Mitteleuropa übertragbar sein kann.
Die Gemeinsame Landesplanungsabteilung wirkt durch Beteiligung an landesweiten Vernetzungsaktivitäten in Berlin und Brandenburg und spezifischen Veranstaltungen des Projekts einschließlich Anschlussveranstaltung auf einen effizienten Wissenstransfer hin.
Zudem ist die Gemeinsame Landesplanungsabteilung assoziierter Partner in weiteren H2-Projekten aus Interreg-B-Programmen, und zwar in HyEfRe (CE) und HyTruck (Ostsee).
H2CE-Projekttreffen in Mestre/Venedig im November 2023, Besuch bei der Firma SAPIO, Quelle: H2CE-Projekt
Autoren: Pedro Brosei, Gemeinsame Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg, Potsdam
Marcus Schober, Reiner Lemoine Institut gGmbH
von Eva Augsten | Okt 23, 2024 | 2024, Energiewirtschaft, Europa, Meldungen, News
Manchmal geht es schnell. In genau drei Monaten hat die Bundesnetzagentur hat das Wasserstoff-Kernnetz in der von den Fernleitungsnetzbetreibern vorgeschlagenen Form genehmigt, inklusive Konsultation und Überarbeitung des Antrags. Die Netzbetreiber können nun mit der Umsetzung beginnen und stehen schon in den Startlöchern.
Die Genehmigung des Wasserstoff-Kernnetzes schaffe Planungssicherheit für alle Beteiligten, erklärt Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck. Gemeint sind damit laut Habeck Wasserstoff-Erzeuger im In- und Ausland, die Betreiber von Kraftwerken und Speichern und die künftigen industriellen Nutzer. Mindestens ebenso dringlich haben die Netzbetreiber auf die Genehmigung gewartet, denn einige von ihnen wollen schon 2025 die ersten Kunden mit Wasserstoff beliefern. Dass es nun so schnell ging, liegt nicht nur am politischen Druck, sondern auch an der Vorbereitung. Der Antragsentwurf vom 23. November 2023 hatte bereits eine Konsultation durchlaufen. Die Konsultationsphase für den eigentlichen Antrag war dann gerade mal zwei Wochen lang und endete am 6. August.
---------- Werbung ----------
Seit dem Antragsentwurf im November 2023 haben sich die Pläne immer wieder etwas verändert. Das genehmigte Wasserstoff-Kernnetz umfasst 9.040 Kilometer an Leitungen und 13 Grenzübergangspunkte in europäische Nachbarländer. Der Antrag vom 22. Juli 2024 enthielt noch 9.666 km Leitungslänge. Die Kosten sollen dadurch um fast eine Milliarde Euro sinken, von 19,8 auf 18,9 Milliarden Euro. Von den derzeit vorgesehenen Leitungen sollen rund 56 Prozent umgestellte Erdgas-Leitungen sein, die übrigen 44 Prozent sollen neu gebaut werden. Dieses Verhältnis hat sich seit dem Antragsentwurf leicht in Richtung Neubau verschoben. Das liegt an einem Teilabschnitt der JAGAL-Leitung von Gascade. Diese Leitung bringt Erdgas von der polnischen Grenze über Mallnow in Brandenburg nach Rückersdorf bei Gera. Der besagte Abschnitt wird laut Bundesnetzagentur weiter für den Erdgas-Transport benötigt. Für das Wasserstoff-Kernnetz muss Gascade nun also eine neue Leitung bauen.
---------- Werbung ----------
Das Wasserstoff-Kernnetz soll nach und nach bis 2032 in Betrieb gehen sollen. Die Einspeiseleistung soll dann bei 101 GW liegen, die Ausspeiseleistung bei 87 GW. So zumindest lautet der jetzige Ausgangspunkt. Alle Leitungen, deren Inbetriebnahme für 2028 oder später vorgesehen ist, werden von der Bundesnetzagentur im Zuge der zweijährlichen Netzentwicklungsplanung für Gas und Wasserstoff überprüft. So soll die Netzplanung immer an den sich entwickelnden Bedarf angepasst werden. Für den ersten integrierten Netzentwicklungsplan (NEP) liegt bereits ein Entwurf des Szenariorahmens vor. Den NEP soll die Bundesnetzagentur dann 2026 genehmigen.
„Die Planungsphase des Kernnetzes war intensiv. Wir haben in kurzer Zeit einen rechtlichen Rahmen geschaffen, der den Marktakteuren Sicherheit gibt und gleichzeitig die nötige Flexibilität bietet, um auf veränderte Bedingungen beim Markthochlauf reagieren zu können“, sagt Habeck.
---------- Werbung ----------
„Mit dem genehmigten Wasserstoff-Kernnetz können die Netzbetreiber nun schrittweise die Infrastruktur für Wasserstoff aufbauen und betreiben. Erste Leitungen werden ab dem nächsten Jahr umgestellt“, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur. Das „nächste Jahr“ ist 2025 und beginnt schon in gut drei Monaten. Zu den Netzbetreibern, die bereits 2025 erste Kunden beliefern wollen, gehören Ontras und Gascade.
Einen ausführlichen Artikel über die Pläne zum Wasserstoff-Kernnetz lesen Sie in der nächsten Ausgabe der HZwei.
von Eva Augsten | Okt 23, 2024 | 2024, Allgemein, Entwicklung, Europa, Meldungen, News, Wasserstoffwirtschaft
Metallhydridspeicher als Komplettsystem
In den scheibenförmigen Pellets aus Metallhydridpulver von GKN Hydrogen lässt sich Wasserstoff über lange Zeit sicher speichern. Der Wasserstoffpionier aus dem norditalienischen Pfalzen hat ein Speicher-Komplettsystem im Containerformat entwickelt und gehört seit August 2024 zum britischen Maschinenbaukonzern Langley.
Zugegeben: Dass Metallhydride als Wasserstoffspeicher viele praktische Eigenschaften haben, ist nicht neu. Sie sind kompakt, sie brauchen weder hohe Drücke noch niedrige Temperaturen. Selbst bei einem Brand sind sie verhältnismäßig sicher, denn der größte Teil des Wasserstoffs ist fest im Metall gebunden. Deshalb versuchten Entwickler schon in den 1970er Jahren, sie in Wasserstoffautos einzusetzen. Doch bis heute gibt es kein Auto, das auf diese Technologie setzt. Einer der Gründe dafür ist, dass man bei entsprechenden Tests im Vergleich zur Wasserstoffmenge viel zu viel schweres Metall spazieren fuhr. Auch das Wärmemanagement erwies sich an Bord als schwer zu handhaben.
---------- Werbung ----------
Relativ neu ist hingegen der Ansatz, die Metallhydridspeicher einfach in stationären Anwendungen zu nutzen. Speicher für Inselstromnetze, Quartierskonzepte und Industriebetriebe bleiben in der Regel, wo sie sind. Auch für Wasserstoffmobilität kann man den Speicher nutzen – dann aber im Wesentlichen, um den Wasserstoff an der Tankstelle zu bevorraten.
---------- Werbung ----------
Wenn es sein muss, kann man den Wasserstoff in den Containern auch transportieren. Am besten geht das per Schiff oder Zug, in den Weiten der Prärie auch mal mit sogenannten Roadtrains. „Aktuell entwickeln wir in den USA einen sogenannten Mobile Refueler. Damit bringen wir den Wasserstoff in abgelegene Gebiete und schaffen dort eine Lkw-basierte Tankmöglichkeit“, sagt Dirk Bolz, Marketingleiter bei GKN Hydrogen.
Abb. 2: Dirk Bolz, Marketingleiter bei GKN Hydrogen
Dass es sich beim verwendeten Material um eine Eisen-Titan-Legierung handelt und ein Speichercontainer für 250 kg Wasserstoff mitsamt der nötigen Peripherie über 30 Tonnen wiegt, fällt bei diesen Anwendungen kaum noch ins Gewicht. Damit umschifft GKN Hydrogen ein Hauptproblem der Technologie.
---------- Werbung ----------
Auch für andere Herausforderungen fand das Unternehmen Lösungen: „Unser Spezialwissen und geistiges Eigentum steckt vor allem in zwei Bereichen. Einer ist das Produktionsverfahren – das heißt, wie man aus Metallpulver ein gebundenes Material presst“, sagt Bolz. Anfangs formte man das Pulver noch zu kleinen Pellets, heute sind es eher runde, flache Scheiben. „Der andere Bereich ist das Be- und Entladen des Speichers – das heißt, die thermische Zyklierung des Speichers.“
Die eigentliche Speichereinheit ist als Rohr-in-Rohr-System aufgebaut (s. Abb. 1). Im inneren Rohr umströmt der Wasserstoff die Scheiben aus gepresstem Metallpulver. Im äußeren Rohr fließt ein Wärmeträgermedium. Dieses führt die Wärme ab, die entsteht, wenn der Wasserstoff sich an das Metall bindet. Umgekehrt dient Wärmezufuhr dazu, den Speicher zu entladen.
Zehn Jahre Forschung an Wasserstoffspeichern
Die Firmengeschichte von GKN reicht bis zu den Anfängen der Industrialisierung zurück. Sie begann im 18. Jahrhundert in einer Eisenhütte in Dowlais in Südwales. Das Unternehmen beschäftigte sich seither mit verschiedenen Industrietechnologien, darunter der Herstellung von Stahl, Schrauben und Antriebswellen für Pkw. Die GKN Powder Mellallurgy mit Hauptsitz in Bonn ist in der internationalen Firmenfamilie der Spezialist für pulverförmige Metalle. Seit gut einem Jahrzehnt tüfteln die Entwickler dort an der Anwendung von Metallhydriden für die Wasserstoffspeicherung. Gefertigt wird das Metallpulver in den rund um den Globus verteilten Werken des Unternehmens.
Die Fertigung der containerbasierten Komplettsysteme war bis 2023 im Werk von GKN Sinter Metals in Bruneck in Südtirol angesiedelt. Dort entstanden die ersten Pilotanwendungen. „Das war am Anfang eine Off-Grid-Lösung für ein Ferienhaus und Demonstratoren an unseren Standorten. Es folgten schon bald die ersten vollintegrierten Power-to-Power-Systeme, die vom Elektrolyseur und Speicher bis zur Brennstoffzelle alles beinhalteten“, erzählt Bolz. Vor einem Jahr zog GKN Hydrogen in die 3.000-Einwohner-Gemeinde Pfalzen vor den Toren Brunecks, wo nun die Speichersysteme produziert und weiterentwickelt werden.
Levelized Cost of Storage entscheidet
Als Industrieunternehmen ist für GKN klar, dass der Preis ein zentrales Entscheidungskriterium für die Kundschaft ist. Bei den aktuellen Stückzahlen liegen die Investitionskosten für ein Metallhydrid-Speichersystem je nach Anwendung etwa beim anderthalbfachen eines vergleichbaren Druckspeichers, so Bolz. „Doch je nach Einsatzgebiet liegen die TCO, also die Total Cost of Ownership, unserer Speicher gleichauf oder sogar unter denen von Druckspeichern. Das liegt an den deutlich geringeren Wartungskosten.“ Er empfiehlt daher, auf die projektspezifischen Levelized Cost of Storage (LCOS) zu schauen.
Da sich die Kernkomponenten des Speichers nicht bewegen, fallen im Vergleich zu Hochdrucksystemen mit Kompressoranlage die Wartungskosten niedriger und die Lebenserwartung des Speichers höher aus. Auch der Wirkungsgrad ist höher. Denn ist der Wasserstoff einmal im Metall gebunden, bleibt er dort – im Gegensatz zu Gas- oder gar Flüssigspeichern, bei denen sich ein Teil der Moleküle über die Zeit verabschiedet. Zudem arbeitet der Metallhydridspeicher bei geringem Druck, was je nach Druckstufe bei Erzeugung und Anwendung deutlich Energiekosten sparen kann.
Vergleich und Abgrenzung zur Batterie
Neben den reinen Wasserstoffspeichern bietet GKN Hydrogen auch fertige Power-to-Power-Lösungen an, in denen Elektrolyseur und Brennstoffzelle schon enthalten sind. Diese ähneln in Bezug auf die Maße und die Energiedichte gewerblichen Batteriesystemen. Das Speichersystem HY2MEDI findet mitsamt Brennstoffzelle und Elektrolyseur in einem 20-Fuß-Container Platz. Es fasst 120 kg Wasserstoff. Daraus kann es mit der eingebauten Brennstoffzelle etwa 2 MWh elektrische Energie liefern. Zum Vergleich: Der Batteriespeicher eines bekannten Herstellers im selben Format hat eine Kapazität von 1,9 MWh.
Doch ihre Stärken haben die Metallhydride und die Batterien jeweils in recht unterschiedlichen Anwendungen. Wo viele, kurze Speicherzyklen gefragt sind, hat die Batterie klar die Nase vorn. Den Zyklenwirkungsgrad beziffert der Batteriehersteller mit „bis zu 98 Prozent“. Beim Metallhydridspeicher liegt die rein elektrische Effizienz lediglich bei 32 Prozent. Wer zugleich Wärmebedarf hat, kann immerhin einen nennenswerten Teil der Verluste noch zum Heizen nutzen und kommt auf einen Gesamtwirkungsgrad um 70 Prozent. „Der Einsatzbereich unserer Speicher bei Gebäuden oder Back-up-Lösungen für kritische Infrastrukturen liegt bei längeren Speicherzeiträumen, ab etwa zwei Tagen bis hin zu mehreren Wochen oder Monaten.“
Abb. 3: Das komplette Speichersystem von GKN Hydrogen ist als Containerlösung erhältlich
„In der Industrie sind dann eher die Speichermengen und die Zyklierungsdynamik ausschlaggebend“, betont Bolz daher. Denn wird die Energie lange nicht abgerufen, steigen bei der Batterie die Verluste – nicht aber beim Metallhydrid. Punkten kann der Metallhydridspeicher auch bei der Zyklenfestigkeit. Nach 3.500 Zyklen liegt die Kapazität laut GKN noch immer bei 99 Prozent des Anfangswerts. Auch danach zeigt sich der chemische Speicher bislang stabil. „Wir haben bisher etwa 6.000 Zyklen mit unseren Speichern gefahren. Dabei haben wir keine mechanische Abnutzung oder chemische Degradation beobachtet“, sagt Bolz.
Vorteile bei der Sicherheit
Sowohl Wasserstoff als auch Batterien benötigen besondere Sicherheitsvorkehrungen, vor allem in Bezug auf den Explosions- und Brandschutz. Bei Batterien gibt es mittlerweile viele Erfahrungen, die Berührungsängste sinken auch bei Anwendungen in Wohngebäuden. Neue Batteriematerialien werden zudem in naher Zukunft deutlich mehr Brandsicherheit bringen.
Wasserstoff in Drucktanks ist jenseits von Industrieanwendungen dagegen weitgehend neu. Gerade mit Anwendungen in Wohnhäusern oder -quartieren gibt es wenig Erfahrung und viel Skepsis. Da könnte der Metallhydridspeicher helfen.
„Nur etwa vier Prozent des in unserem Speicher eingelagerten Wasserstoffs liegen als Gas vor. Der Rest ist chemisch gebunden, also fest“, erklärt Bolz. Das reduziert die Brandlast und das Explosionsrisiko auf ein Minimum. Was im Vergleich zu Batterien bisher fehlt, sind die Routinen im behördlichen Genehmigungsverfahren. Bisher würden die Behörden noch dieselben Nachweise fordern wie für Hochdruckspeicher, so Bolz. Er geht aber davon aus, dass sich das bald ändert. „Wir sind gerade dabei, mit Simulationen und Testinstallationen zu belegen, dass unsere Speicher die sichersten sind, die es auf dem Markt gibt.“
Gerade auch das Thema Sicherheit hat für GKN erst kürzlich die Tür in den japanischen Markt geöffnet. Für Hochdruckspeicher mit 10 bar und mehr gelten dort nämlich strenge Sicherheitsauflagen. Deshalb hat Mitsubishi Corporation Technos, ein japanisches Handelsunternehmen für Industriemaschinen, vor wenigen Monaten ein Memorandum of Understanding mit GKN Hydrogen unterzeichnet.
Übernahme durch Langley Holdings
Im Sommer meldete GKN Hydrogen noch eine große Neuigkeit: Seit Anfang August gehört das Unternehmen zur britischen Langley Holdings. Diesem Schritt waren mehrere Umbauten bei GKN vorausgegangen. Im Jahr 2018 kaufte die Luftfahrt- und Beteiligungsgesellschaft Melrose Industries die GKN-Gruppe. Die GKN Hydrogen war damals noch eine Business Unit, sie wurde erst 2021 zu einem eigenen Unternehmen innerhalb der Gruppe. Im Jahr 2023 trennte Melrose einen Teil der GKN-Firmen als Dowlais Group ab, darunter die GKN Hydrogen.
Der neue Besitzer Langley ist ein familiengeführtes britisches Unternehmen, das in den 1970ern als Zulieferer für die Kohleindustrie begonnen hatte und seither zu einem der größten britischen Privatunternehmen angewachsen ist. Mit 90 Niederlassungen und 5.000 Mitarbeitenden rechnet Langley für 2024 mit einem Umsatz von rund 1,5 Mrd. US-Dollar. Etwa die Hälfte davon soll aus der Power Solutions Division stammen, zu der auch GKN Hydrogen fortan gehören soll. Weitere Firmen in diesem Bereich sind Bergen Engines, ein norwegischer Hersteller von mittelschnelllaufenden Motoren, die italienische Marelli Motori, ein Hersteller von Elektromotoren und Generatoren, und die deutsche Piller Group, ein Anbieter für Systeme zur unterbrechungsfreien Stromversorgung.
Guido Degen, CEO von GKN Hydrogen, bezeichnet die Übernahme als Chance für das Unternehmen, die Entwicklung zu beschleunigen. Man freue sich auf die „potenziellen Synergien“ mit den anderen Firmen des Geschäftsbereichs. GKN Hydrogen sah sich schon vor der Übernahme fertig zum Durchstarten. „Stand heute haben wir weltweit 27 Systeme gebaut und installiert“, sagte Bolz im Frühsommer. Damit kommt GKN Hydrogen auf eine Speicherkapazität von 60 MWh weltweit. „Das ist kein Laborstatus mehr, sondern ein Technology Readiness Level von 9. Die Fertigungsabläufe sind standardisiert. Eine skalierte Serienfertigung, mitsamt den daraus resultierenden Kostenvorteilen, ist jederzeit möglich – wir sind quasi auf das prognostizierte Wachstum der Branche vorbereitet.“
von Sven Geitmann | Sep 27, 2024 | 2024, Elektromobilität, Energiewirtschaft, Entwicklung, Europa, News, Wasserstoffwirtschaft
FES stellt H2-Truck in Zwickau vor
Früher wurde hier der Trabi gebaut – zukünftig sollen es H2-Lkw sein, die emissionsfrei aus der Werkhalle fahren. Diese Technologiewende vom Zweitakter zum Brennstoffzellenlastwagen soll nicht nur die FES GmbH Fahrzeug-Entwicklung Sachsen voranbringen. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, der am 22. Juli 2024 Zeuge dieses Meilensteins war, hofft, dass die gesamte Region davon profitieren wird.
---------- Werbung ----------
Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte bei der Präsentation: „Die Vorstellung des FES-Brennstoffzellen-Lkws ist ein herausragendes Beispiel für die Innovationskraft und das technische Know-how in Sachsen. Solche Projekte sind essenziell, um den Standort Sachsen als führend in der modernen Fahrzeugentwicklung zu positionieren und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.“
---------- Werbung ----------
Am Standort der ehemaligen Trabi-Produktion
Die Geschichte der FES GmbH reicht weit zurück – bis ins Jahr 1904, in dem die August Horch Motorwagenwerke AG gegründet wurde. 1957 gingen daraus die Sachsenring Automobilwerke Zwickau hervor, die für die Entwicklung und Produktion des Trabants bekannt wurden.
Nach der Wende, im Jahr 1992, gründete sich daraus die FES GmbH, die sich seitdem als Unternehmen der Volke-Gruppe als Entwicklungsdienstleister für nationale sowie internationale Automobilhersteller, verschiedenste Zulieferer sowie für die Bahn- und Luftfahrtindustrie etabliert hat und inzwischen rund 850 Mitarbeiter beschäftigt.
---------- Werbung ----------
Ziel von FES ist die Entwicklung und Fertigung von Fahrzeugen, die eine „nachhaltige und umweltfreundliche Mobilität“ ermöglichen. Dazu zählen sowohl batterie- als auch brennstoffzellenbetriebene Systeme. Im Elektromobilitätssektor ist FES seit 15 Jahren aktiv – vor sieben Jahren wurde beschlossen, auch Brennstoffzellen zu integrieren, so wie beispielsweise das FEScell-System. Nach Firmenangaben ist dies das „weltweit kleinste Brennstoffzellensystem für autonom fahrende Intralogistikfahrzeuge“. Es ist seit 2021 im Serieneinsatz, unter anderem in Flurförderzeugen im BMW-Werk Leipzig.
Vom Trabi bis zum Audi – alles dabei
Christian Schwamberger, Geschäftsführer der FES GmbH (s. Abb. 1), erklärte: „Wasserstoff ist aus unserer Sicht […] gerade für den Güterverkehr eine echte Alternative zum Verbrennungsmotor.“ Besonders stolz sind alle Akteure darauf, dass „dieses innovative Projekt komplett aus Eigenmitteln ohne staatliche Förderung“ umgesetzt werden konnte.
„Sie haben mit Qualität und Leistung gezeigt, dass Sie es einfach drauf haben.“
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer
Neuste Technik aus Sachsen
Bei dem H2-Lkw handelt es sich um einen serienreifen 18-Tonner, der je nach Kundenanforderung mit unterschiedlichen Konfigurationen bezüglich des Gesamtgewichtes (bis 26 t) und der Aufbauten konzipiert werden kann. Die dafür verwendete Brennstoffzelle – genau wie das Tanksystem – kommt vom Technologiepartner Toyota, der Antriebsstrang von der Framo GmbH aus Löbichau.
Der elektrische Dual-Motor verfügt über 280 kW Dauerleistung, wobei 120 kW aus der Brennstoffzelle kommen (170 kW ab 2025). Über den LiFePO4-Akku ist für 30 Sekunden eine Maximalleistung von 308 kW realisierbar (Akku ist CCS-nachladbar). Dieser Batterietyp ist laut FES zwar etwas schwerer, aber weniger brandgefährlich als vergleichbare Systeme.
Die hinter dem Führerhaus installierten Wasserstofftanks aus CFK fassen 33 kg bei 700 bar, ausreichend Energie für 350 bis 500 km Reichweite. Dazu sagte FES-Entwicklungsleiter Hartmut Schimmel (s. Foto auf Seite 4): „Wir haben den Lkw mit 700 bar gebaut, aber er kann an jeder 350-bar-Station befüllt werden.“ Zudem könnten bei Bedarf auch noch mehr H2-Tanks installiert werden.
Das Basisfahrzeug ist ein MAN TGM der dritten Generation und kann – im Bedarfsfall – von normalen Werkstätten repariert werden. Die Hinterachse ist für 1 Mio. Kilometer ausgelegt, berichtet Schimmel stolz. Das sei „kein Jugend-forscht-Projekt“, vielmehr verfüge der BZ-Lkw über „volle Fernverkehrseignung“.
Schimmel stellte gegenüber HZwei zudem in Aussicht, dass der BZ-Lkw in Kürze vorbestellt und ab 2025 ausgeliefert werden kann. Voraussetzung sei, dass jetzt potenzielle Interessenten auch wirklich entsprechende Bestellungen auslösen.
Neben dem Firmeneigentümer Martin Volke (l.) war der ehemalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer einer der Ehrengäste – hier im Gespräch mit Dr. Rainer Albrecht, dem FES-Gründungsgeschäftsführer von 1992 (r.)
von Sven Geitmann | Sep 23, 2024 | 2024, Deutschland, Elektromobilität, Europa, News, Politik, Wasserstoffwirtschaft
Mehr Anbieter und größere Standorte
Seit einigen Monaten drängen immer mehr Unternehmen auf den Markt für H2-Tankstellen. Obwohl deren Gesamtzahl nach wie vor nicht wesentlich ansteigt, kündigen immer häufiger sowohl altbekannte als auch zahlreiche neue Anbieter per Pressemeldung an, zusätzliche Standorte für die Versorgung mit Wasserstoff erschließen zu wollen.
Ein eher neuer Akteur ist beispielsweise Mint Hydrogen, das bis März 2024 noch unter Jet H2 Energy firmierte. Das in Hamburg ansässige Tochterunternehmen von H2 Energy Europe hat Mitte Mai dieses Jahres eine erste Wasserstofftankstelle in Giengen an der Brenz eröffnet. Angesiedelt ist der Standort auf dem Mobilitätshub der Jet Tankstellen Deutschland GmbH an der Bundesautobahn A7. Oliver Reichert, Manager Retail Germany von Jet, nannte den Jet-Mobilitätshub, auf dem Tankstellentechnik der Maximator Hydrogen GmbH zum Einsatz kommt, ein „Referenzprojekt für uns“.
---------- Werbung ----------
Clifford zur Nieden, CEO der Mint Hydrogen Germany GmbH, ergänzte: „Eine verlässliche Betankungsinfrastruktur ist entscheidend für den Aufbau eines regionalen Ökosystems für erneuerbaren Wasserstoff und besonders wichtig für die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs.“ Geplant ist, dass an der neuen Tankstelle unter anderem Fahrzeuge von Partnerfirmen wie Hyundai Hydrogen Mobility, Hylane, Keyou, Stellantis und Arthur Bus tanken.
---------- Werbung ----------
TotalEnergies und Air Liquide gründen TEAL
Ein klares Bekenntniss zum Wasserstoff legten auch Air Liquide und TotalEnergies ab, indem sie auf der Hannover Messe 2024 bekanntgaben, dass sie gemeinsam eine neue Marke etablieren: Mit TEAL Mobility gründeten die beiden Schwergewichte ein Joint Venture, das innerhalb der nächsten zehn Jahre in Europa mehr als hundert H2-Tankstellen für schwere Nutzfahrzeuge unter der Marke TotalEnergies in Betrieb haben will. Ende 2024 werden es rund 20 Stationen in Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Deutschland sein.
Währenddessen plant Tyczka Hydrogen ab Mitte 2025 den Bau seiner dritten Wasserstofftankstelle in Bayern. In Geretsried, unweit der Autobahnen A70, A71 und A7, soll in der ersten Jahreshälfte 2026 eine Station in Betrieb gehen, die über eine Betankungskapazität von einer Tonne pro Tag ausgelegt ist.
---------- Werbung ----------
Die zweite H2-Tankstelle von Tyczka, die mit 2 Mio. Euro durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) im Zuge des bayerischen Tankstellenförderprogramms gefördert wurde, ist am 17. Juni 2024 im Güterverkehrszentrum Augsburg eröffnet worden. Potentielle Nutzer dieses Standorts sind Arthur Bus, BMW, Daimler Bus, Hylane, Keyou, Kühl Entsorgung, MAN, Paul Group, Quantron, SFC sowie Still.
„Die neue Wasserstofftankstelle ist ein bedeutendes Signal für die gesamte Branche und ein Meilenstein für unsere gemeinsamen Bemühungen in der nachhaltigen Mobilität“, erklärte Thomas Zorn, Geschäftsführer der Tyczka Hydrogen GmbH.
Neue Hochleistungstankstellen
Parallel dazu wird der Bau einer Wasserstofftankstelle in Frankenthal von H2 Mobility und BASF vorangetrieben. Nachdem im Mai 2024 wichtige Komponenten angeliefert werden konnten, planen die Partner die Inbetriebnahme für das vierte Quartal 2024. Zunächst sollen dort 700 bis 800 Kilogramm Wasserstoff vertankt werden können (entspricht mehr als 30 Lkw bzw. Bussen). Bis 2027 ist eine Verdoppelung der Kapazität vorgesehen. „Die Nachfrage im Schwerlastverkehr wird auch in dieser Region deutlich zunehmen. Deshalb bauen wir neue Standorte wie in Frankenthal um ein Vielfaches größer als noch vor ein paar Jahren. Hier können zukünftig bis zu drei Fahrzeuge gleichzeitig tanken, darunter Bus und Lkw mit 350 bar sowie leichte Nutzfahrzeuge und Pkw mit 700 bar“, so Martin Jüngel, Geschäftsführer und CFO von H2 Mobility Deutschland.
Tilmann Hezel, Senior Vice President Infrastructure am BASF-Standort Ludwigshafen, ergänzte: „CO2-freier Wasserstoff ist integraler Bestandteil unserer Energietransformation am Standort Ludwigshafen. Gleichzeitig ist Wasserstoff und eine ausreichende H2-Infrastruktur grundlegend für einen Wandel hin zu alternativen Antrieben. Wir wollen diese Schnittmenge nutzen: Mit Projekten wie der H2-Tankstelle, aber auch dem im Bau befindlichen Wasserelektrolyseur möchten wir die regionale Mobilität genauso wie unsere Zulieferer und Transportunternehmen am Standort beim Umstieg auf Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb unterstützen.“
Dr. Doris Wittneben, Bereichsleiterin Zukunftsfelder und Innovation Metropolregion Rhein-Neckar GmbH, freute sich, dass mit der Wasserstofftankstelle in Frankenthal, die Bestandteil des Projektes H2Rivers (Details dazu lesen Sie im HZwei-Heft Jan. 2025) ist, ein „weiterer wichtiger Baustein des Wasserstoffökosystems in der Rhein-Neckar-Region auf den Weg gebracht wird“.
H2 Mobility verfügt derzeit über 80 öffentliche 700-bar-Tankstellen. Vier weitere sind in Planung, Bau oder Inbetriebnahme. Zusätzlich besitzt der Infrastrukturanbieter 27 Stationen für die Betankung mit 350 bar. 15 weitere 350-bar-Betankungsoptionen befinden sich in der Umsetzung.
Frank Fronzke, Geschäftsführer und COO von H2 Mobility, erklärte im Frühjahr 2024 anlässlich einer Eröffnungsfeier: „In Heidelberg nimmt eines der bedeutendsten Tankstellenprojekte des Jahres heute offiziell seinen Betrieb auf. Die Größe und Leistungsfähigkeit der neuen Stationen [Heidelberg, Sommer 2024 in Mannheim, Ende 2024 in Frankenthal, Anfang 2025 in Ludwigshafen – Anm. d. Red.] stehen für eine neue H2-Tankstellengeneration. Unter Verwendung leistungsstarker Technik tanken mehrere 350- und 700-bar-Fahrzeugtypen am selben Standort – Busse, Lkw, leichte Nutzfahrzeuge und Pkw.”
„Europas leistungsstärkste H2-Tankstelle“
Im März 2024 hat der Bau einer Hochleistungswasserstofftankstelle in Düsseldorf begonnen, die über eine Tageskapazität von über fünf Tonnen verfügen wird – das ist mehr als die zehnfache Kapazität derzeit in Betrieb befindlicher H2-Stationen und über das Dreifache der Standorte, die vor vier, fünf Jahren errichtet wurden. Beteiligte Partner sind neben H2 Mobility sowohl Hoerbiger als auch Ariel.
Im Mittelpunkt dieser neuen Station steht ein kompakter und gleichzeitig leistungsstarker Verdichter, der nach Herstellerangaben auf die wesentlichen Kundenbedürfnisse der H2-Industrie eingeht. Dessen sogenanntes eHydroCOM-System ermöglicht einen Massenstrom von über 250 kg/h bei sowohl niedrigen als auch hohen Saugdrücken, so dass es ideal für Heavy-Duty-Tankstellen oder Trailer-Abfüllanlagen geeignet ist. Der hohe Standardisierungsgrad und die Bauweise mit kompaktem und platzsparenden Packaging ermöglicht zudem eine schnelle Skalierbarkeit, wodurch für die Anlagenbetreiber die Erreichung ihrer Total-Cost-of-Ownership-Ziele einfacher wird.