Wasserstoffproduktion direkt auf hoher See

Wasserstoffproduktion direkt auf hoher See

H2Mare forscht an Offshore-Technologien

Offshore-Windenergieanlagen erzeugen deutlich mehr und regelmäßiger Strom als ihre Pendants an Land. In dem Leitprojekt H2Mare arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, dieses Potenzial zu nutzen – und grünen Wasserstoff und Folgeprodukte künftig direkt auf See zu erzeugen. Aktuelle Fortschritte gibt es unter anderem bei der Kopplung von Windenergieanlage und Elektrolyseur.

Auf See sorgt stark und stetig wehender Wind für beste Bedingungen zur Erzeugung erneuerbaren Stroms. Wenn sich dieser direkt für die Produktion von grünem Wasserstoff nutzen ließe, könnte das die Kosten gegenüber der Wasserstoffproduktion an Land deutlich senken. Denn so entfallen nicht nur die Kosten für eine aufwändige Netzanbindung, sondern auch die Energieverluste infolge der zusätzlichen Umwandlungsprozesse.

Partner aus Forschung und Industrie arbeiten im Wasserstoff-Leitprojekt H2Mare daran, einen Wasser-Elektrolyseur direkt mit einer Windenergieanlage zu koppeln und damit innovative Technologien bereitzustellen, um offshore grünen Wasserstoff zu erzeugen. Damit dies gelingt, müssen sowohl der Elektrolyseur als auch die Windenergieanlage angepasst und möglichst direkt elektrisch miteinander verbunden werden. Die schwankende Stromversorgung als Basis des gesamten nachfolgenden Umwandlungsprozesses inklusive der Wasseraufbereitung und der regelungstechnischen Abstimmung des Systems gehört zu den größten Herausforderungen für die Entwicklungsingenieurinnen und -ingenieure. Doch genau das passiert jetzt erstmals in einer Versuchsanlage im Megawatt-Maßstab.

Das Wasserstoff-Leitprojekt H2Mare
Beim Leitprojekt H2Mare wird die Offshore-Erzeugung von grünem Wasserstoff und anderen Power-to-X-Produkten erforscht. Rund 30 Projektpartner aus Forschung, Industrie und Gesellschaft arbeiten dafür eng zusammen. Neben H2Giga (Serienfertigung von Elektrolyseuren) und TransHyDE (Transport- und Speicherinfrastruktur) ist H2Mare eines von drei Wasserstoff-Leitprojekten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Im Sinne der Nationalen Wasserstoffstrategie tragen die Leitprojekte zum Ausbauziel von zehn Gigawatt Elektrolysekapazität bis 2030 bei.

Erstmals WEA direkt mit Elektrolyseuren verbunden
Um die direkte Kopplung und ihre Folgen praktisch zu testen, hat das H2Mare-Projekt OffgridWind im dänischen Floe ein entsprechendes Testsystem – zunächst an Land – errichtet. Dort hat H2Mare-Projektpartner Siemens Gamesa zwei Elektrolyseure zur H2-Herstellung elektrisch so mit der Windenergieanlage (WEA) verbunden, wie das später auch auf hoher See stattfinden könnte. Mit diesem Aufbau kann das Projektteam auch die Umschaltung zwischen zwei Systemen und somit die optimale Betriebsführung testen.

Die Rückwirkungen auf die Steuerung lassen sich mit diesem Aufbau erkennen, weiter beurteilen und gegebenenfalls anpassen, da dies auch auf See einer der kritischen Aspekte sein wird. In den kommenden Monaten untersucht H2Mare nun, wie sich die schwankende Stromproduktion auf die Funktionsweise der Anlage auswirkt.

Wie eine Windenergieanlage mit integrierter Wasserstoffproduktion aussehen würde, hat H2Mare ebenfalls bereits analysiert: In Zukunft könnten alle notwendigen Anlagen auf einer Plattform direkt bei einer Offshore-Windenergieanlage untergebracht sein.


3D-Modell der H2Mare-WTG-Plattform zur Offshore-Wasserstofferzeugung sowie der Containeranlagen mit Elektrolyse- und Wasseraufbereitungseinheit
Grafik: Leitprojekt H2Mare

Testanlage zur Meerwasser-Entsalzung


Meerwasserentsalzung mit Entsalzungsanlage in Bremerhaven, Foto: Kevin Schalk, Fraunhofer IWES, Leitprojekt H2Mare

Zu diesen Anlagen zählt auch eine Einheit zur Meerwasserentsalzung für die Elektrolyse. Eine entsprechende Testanlage ist von H2Mare-Projektpartner Fraunhofer IWES in Bremerhaven in Betrieb genommen worden. Sie filtert Meerwasser, bereitet es auf, erhitzt es und erzeugt so Reinstwasser. Anders als andere Testprojekte arbeitet H2Mare bei seinen Tests bereits mit echtem Nordseewasser. Später soll Abwärme der H2-Produktion das Wasser erhitzen.

Weil das aufbereitete Meerwasser nur mit schwankenden Temperaturen zur Verfügung steht, testen Expertinnen und Experten im H2Mare-Projekt H2Wind die Anlage derzeit auch mit unterschiedlichen Betriebstemperaturen. Erste Ergebnisse zeigen, dass Wassertemperaturschwankungen zwar das Anlaufverhalten und den Energiebedarf der Entsalzungsanlage, aber nur unwesentlich die Produktionsmenge an Reinstwasser beeinflussen.

Demonstration einer Power-to-X-Prozesskette auf See
Doch nicht nur die Wasserstoffproduktion wird im Projekt unter die Lupe genommen. Auch Folgeprodukte spielen eine Rolle. Im H2Mare-Projekt PtX-Wind wird die Erzeugung weiterer Power-to-X-Produkte auf See, beispielsweise von Methan, Methanol, Fischer-Tropsch-Produkten und Ammoniak getestet. Dazu werden neben Wasser auch CO2 und Stickstoff benötigt. Diese sollen unter anderem direkt vor Ort aus der Luft (Direct Air Capture) oder dem Meer gewonnen werden.

Power-to-X-Container für den Offshore-Einsatz, Foto: KIT

Die erarbeiteten Konzepte für alle Syntheseprodukte will PtX-Wind zunächst an Land testen. Für die erste Demonstration einer Power-to-X-Prozesskette – bestehend aus einer Co-Elektrolyse und der Synthese von Kraftstoffen – haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am EnergyLab des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) einen Power-to-Liquid-Container (PtL) aufgebaut. In diesem werden Kraftstoffe per Fischer-Tropsch-Synthese aus Wasserstoff und CO2 hergestellt. 2025 wird die gesamte PtL-Prozesskette, gekoppelt an eine Co-Elektrolyse des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), auf einer schwimmenden Plattform auf See demonstriert. Diese wird neben der Co-Elektrolyse eine Direct-Air-Capture-Anlage, PtL-Synthese und Abwasseraufbereitung in Containern beherbergen und Fischer-Tropsch-Produkte herstellen, die später als nachhaltige Kraftstoffe, wie beispielsweise Diesel oder Kerosin, genutzt werden können.


H2Mare-Grundidee: Offshore-Windpark mit speziellen WEAs, die jeweils über einen Elektrolyseur verfügen, Grafik: Projektträger Jülich im Auftrag des BMBF

Die Ergebnisse der Forschungsaktivitäten in H2Mare werden auf der Projektabschlusskonferenz im Herbst 2025 der Öffentlichkeit präsentiert.

Autor: Christian Hiemisch, Fraunhofer IWES, Leuna

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