Interview mit Bryan Glover, CTO bei Honeywell
Nach mehr als 50 Jahren Erfahrung mit Wasserstoff setzt Honeywell mit dem Unternehmen Energy and Sustainability Solutions (ESS) auch auf grünen Wasserstoff. Dabei nimmt der US-Mischkonzern gleich die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick: Von effizienterer PEM-Elektrolyse bis hin zur Transportinfrastruktur.
HZwei: Honeywell fokussiert sich stark auf eine Zukunft mit grünem Wasserstoff. Warum?
Glover: Honeywell ist sich der enormen Bedeutung bewusst, die grüner Wasserstoff bei der Energiewende spielen wird. Wegen seiner Energiedichte eignet sich Wasserstoff gut als Alternative zu fossilen Treibstoffen. Deshalb ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach grünem Wasserstoff in den kommenden Jahren erheblich steigen wird. Ein Bericht von Wood Mackenzie zeigt, dass kohlenstoffarmer Wasserstoff bis 2050 sieben Prozent des weltweiten Energiebedarfs ausmachen wird, was 211 Millionen Tonnen entspricht.
Globale Unterstützung und Investitionen in grünen Wasserstoff bestätigen das, da Regierungen weltweit Strategien beschließen, um dessen Einsatz zu fördern. So zielt unter anderem die nationale Wasserstoffstrategie Deutschlands darauf ab, ihre Klimaschutzziele mithilfe von grünem Wasserstoff zu erreichen. Ferner haben die Europäische Investitionsbank und Deutschland Ende 2023 den Fonds für Grünen Wasserstoff aufgestockt, um die globale Wasserstoffwirtschaft anzukurbeln.
Ihr Unternehmen sieht sich als Pionier in der Entwicklung von innovativen Lösungen in Bezug auf grünen Wasserstoff. Welche sind das zum Beispiel?
Honeywell blickt auf mehr als 50 Jahre Erfahrung zurück, um Innovationen bei der Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff voranzutreiben. Wir bieten Lösungen, welche die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette abdecken – von der Produktion über die Umwandlung, Transport, Speicherung und Verteilung.
Seit 1966, als die erste industrielle Anwendung unserer PSA-Technologie (Pressure Swing Adsorption, Anm. d. Verf.) in Betrieb genommen wurde, führt Honeywell auf dem Gebiet der Wasserstoffaufbereitung. Bis heute haben wir weltweit mehr als 1.000 PSA-Anlagen geliefert, die etwa 25 Millionen Normkubikmeter reinen Wasserstoff pro Stunde produzieren, was eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Produktionseffizienz und Skalierbarkeit spielt.
Ein weiteres Beispiel sind Honeywells katalysatorbeschichtete Membranen (CCM, Anm. d. Verf.), mit denen Kunden eine größere Menge grünen Wasserstoffs zu niedrigeren Gesamtkosten produzieren können. Führende Elektrolyseurhersteller haben nachgewiesen, dass diese Membranen 30 Prozent mehr Wasserstoff produzieren können als die derzeit handelsüblichen CCM und die Kosten der Nicht-CCM-Stack-Komponenten um 29 Prozent senken.
Auf welche Weise kann Honeywell dazu beitragen, die Effizienz bei der Herstellung von grünem Wasserstoff entscheidend zu verbessern?
Wir investieren kontinuierlich in Forschung und Entwicklung, um eine noch breitere Produktion mit noch höherer End-to-End-Effizienz und Kosteneinsparungen zu ermöglichen. Neben der CCM-Technologie von Honeywell unterstützen wir auch die Entwicklung und Skalierung von Elektrolyseur-Technologien der nächsten Generation über Honeywell Ventures. Dieser Teil des Unternehmens investiert in der Frühphase in wachstumsstarke Unternehmen, die über bahnbrechende Technologien verfügen. Unsere strategische Investition in die Series-B-Finanzierungsrunde von Electric Hydrogen trug zu einer Summe von insgesamt 198 Millionen US-Dollar bei. Dieses Geld unterstützt Electric Hydrogen bei der Entwicklung von Elektrolyseuren mit hohem Durchsatz, um Kosten zu senken und die Effizienz für großangelegte Industrie- und Infrastrukturprojekte zu steigern.
Welche Lösung bietet Honeywell für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur, zum Beispiel, was Speicherung und Transport angeht?
Im Jahr 2023 stellte Honeywell seine LOHC-Lösung (Liquid Organic Hydrogen Carrier, Anm. d. Verf.) vor. Diese innovative Technologie ermöglicht den Transport von Wasserstoff über die bestehende Öl- und Gasinfrastruktur. Das ist eine sicherere und kostengünstigere Lösung im Vergleich zu anderen derzeit auf dem Markt befindlichen Transportmethoden. Bei der LOHC-Technologie von Honeywell wird Wasserstoffgas chemisch an den flüssigen Trägerstoff Methylcyclohexan (MCH, Anm. d. Verf.) gebunden. Das MCH kann am Zielort wieder in Wasserstoff umgewandelt werden.
Der Wasserstoffrat prognostiziert, dass bis zum Jahr 2050 rund 400 Millionen Tonnen Wasserstoff und Derivate transportiert werden müssen. Da die Herstellung von grünem Wasserstoff wasserintensiv ist, werden ihn viele Länder weltweit importieren müssen. Unsere LOHC-Lösung kann die Wasserstoffproduktion um etwa zehn Prozent steigern und hat das Potenzial, zwischen 3.000 und 100.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr zu produzieren.
Wie sieht es mit dem Verbrauch von Ressourcen einschließlich Wasser für die Elektrolyse aus?
Der Verbrauch von Ressourcen, einschließlich Wasser, ist ein entscheidender Faktor bei der Wasserstofferzeugung per Elektrolyse. Unsere Lösungen für grünen Wasserstoff sind speziell darauf ausgerichtet, die Ressourceneffizienz zu verbessern. Die katalysatorbeschichteten Membranen von Honeywell optimieren den Prozess, indem sie die Menge an Wasser und anderen Betriebsmitteln für die Elektrolyse signifikant senken. Das reduziert auch die Gesamtkosten.
Was ist das „Revolutionäre“ an Honeywells Entwicklungen?
Die Internationale Energieagentur (IEA, Anm. d. Verf.) hat darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die bestehenden Industriehäfen und die Infrastruktur zu nutzen, um Drehscheiben für kostengünstigen, kohlenstoffarmen Wasserstoff zu schaffen. Die LOHC-Lösung von Honeywell ist ein Beispiel für diesen Ansatz, weil sie die bestehende Infrastruktur für fossile Brennstoffe nutzt, um Wasserstoff zu transportieren, was die Kosten erheblich senkt und die Skalierbarkeit verbessert. Unsere Technologie trägt nicht nur zur Energiewende bei, sondern stärkt auch das Vertrauen der Investoren in die Wasserstoffwirtschaft.
Sind Ihre Entwicklungen bereits in der Praxis einsetzbar und skalierbar?
Ja. Ein Beispiel dafür ist unsere Zusammenarbeit mit ENEOS, einem führenden Energieunternehmen in Japan. ENEOS wird die LOHC-Technologie von Honeywell an mehreren Standorten einsetzen, um das weltweit erste kommerzielle Projekt für flüssige organische Wasserstoffträger zu entwickeln. Das ENEOS-Projekt zeigt, wie unsere Technologie in bestehende Verkehrsnetze integriert werden kann. Diese strategische Partnerschaft mit ENEOS ist eines von mehreren Projekten im Bereich des Wasserstofftransports, bei denen wir mit diesem Unternehmen kooperieren.
Wie trägt Honeywell grundsätzlich zu einer nachhaltigen Entwicklung in der industriellen Produktion bei?
Unsere heutige Welt basiert auf schwer zu defossilisierenden Industriezweigen wie der Erdölraffination, Gasverarbeitung, petrochemischen Produktion sowie der Zement- und Stahlherstellung. Der Übergang zu saubereren Energielösungen wird hier einige Zeit in Anspruch nehmen. Daher entwickelt Honeywell auch Lösungen, um die Emissionen der Schwerindustrie heute zu reduzieren. Ein Beispiel ist Honeywells Technologie zur Abscheidung von Kohlendioxid (CO₂, Anm. d. Verf.). ExxonMobil plant den Einsatz unserer Technologie zur CO₂-Abscheidung und Wasserstoffreinigung in einer Anlage zur Herstellung von kohlenstoffärmerem Wasserstoff in den USA. Es wird erwartet, dass mit Honeywells Technologie jährlich etwa sieben Millionen Tonnen Kohlendioxid aus dieser Anlage abgeschieden werden, was etwa dem Ausstoß von 1,5 Millionen Autos pro Jahr entspricht.
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