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Beitrag von Monika Rößiger

2. Dezember 2024

Titelbild: Brennstoffzellenbetriebene USV-Systeme eignen sich auch für abgelegene Orte

Bildquelle: Siqens

Elektrochemische Wasserstoffseparation

Patentiertes Verfahren als kostengünstige Alternative zur Elektrolyse

Der Erfolgskurs von Siqens begann mit speziellen Methanol-Brennstoffzellen. Dann kam die „Elektrochemische Wasserstoffseparation“ (EHS) hinzu, die auf den selbst entwickelten HT-PEM-BZ-Stacks beruht. Mit ihrer Hilfe lässt sich Wasserstoff aus Erdgas oder Abgasen aus Industrie und Müllverbrennung hochrein abtrennen. Der Hersteller sieht die EHS im Verbund mit den eigenen Brennstoffzellen auch als Lösung für das sogenannte Letzte-Meile-Problem.

Ob im südamerikanischen Dschungel oder auf 3.000 Metern Höhe in den Schweizer Bergen, in einer Forschungsstation in der Antarktis oder an einem Grenzposten im nördlichen Skandinavien – überall dort seien HT-PEM-Brennstoffzellen von Siqens im Einsatz, die Strom für Funk- und Messstationen oder Kameras liefern, wie Thomas Klaue, Geschäftsführer des 2012 in München als Start-up gegründeten Unternehmens, erklärt.

Es gibt die speziellen Methanol-Brennstoffzellen aber auch an eher unexotischen Orten: So dienen sie an deutschen Autobahnbaustellen zur Beleuchtung oder in Windparks zur Hindernisbefeuerung. Die „Ecoport“ genannten BZ-Systeme bestehen aus Brennstoffzellenstacks mit einer Hochtemperatur-Polymer-Elektrolyt-Membran (HT-PEM) und einem Reformer. „Im Reformer wird aus Methanol reiner Wasserstoff gewonnen“, so der Ingenieur und promovierte BWLer Klaue. „Dieser Wasserstoff geht dann durch die HT-PEM-Brennstoffzelle. Unser System arbeitet allerdings mit industriellem Methanol, zu einem Bruchteil der Kosten, verglichen mit hochreinem Methanol.“

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Damit unterscheiden sich diese Systeme deutlich von Direkt-Methanol-Brennstoffzellen (DMBZ), bei denen ein flüssiges Methanol-Wasser-Gemisch durch die BZ geleitet wird. Dabei müsse das Methanol so rein sein wie für medizinische Zwecke, was entsprechend teuer sei, erklärt Klaue, der seit Ende 2019 als CEO von Siqens fungiert. Wirkungsgrad und Leistungsbereich von DMBZ seien vergleichsweise gering, und niedrige Temperaturen vertrügen sie nicht gut. Andere Indirekt-Methanol-Brennstoffzellen mit PEM und Reformer gebe es zwar sowohl im Niedrig- als auch im Hochtemperatur-Bereich, doch die würden jeweils herstellerspezifische Methanol-Wasser-Gemische mit geringerer Energiedichte erfordern, so Klaue. Mit einem Verbrauch von 0,6 Liter Kraftstoff pro Kilowattstunde Strom sei Siqens Marktführer in Sachen Effizienz. Die Ecoports, laut Klaue „unser Brot- und Butter-Geschäft“, haben eine elektrische Leistung von 800 oder 1.500 Watt in der Spitze (Dauerbetrieb: 500 beziehungsweise 1.000 Watt).

BZ als Ersatz für Dieselgeneratoren
Das seit langem in der Industrie verwendete Methanol kann ebenso wie andere flüssige Kraftstoffe kostengünstig transportiert und gelagert werden. Von daher eignen sich (Methanol-)Brennstoffzellen insbesondere für Gebiete ohne Anschluss an ein Elektrizitätsnetz und dort, wo eine unterbrechungsfreie Stromversorgung gewährleistet sein muss, etwa in der Notstromversorgung für kritische Infrastruktur. Bislang übernehmen meist Dieselgeneratoren diese Funktion, doch die werden künftig nach und nach durch Brennstoffzellen ersetzt werden, und das nicht nur wegen ihres erheblich geringeren CO2-Ausstoßes: Sie arbeiten auch leiser und sind frei von Feinstaub und Stickoxiden.

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Ecoport 800

Die Nachfrage nach den patentierten Systemen, mit denen die süddeutsche Firma seit 2019 am Markt ist, steigt. So interessieren sich etwa Behörden, Betriebe oder Betreiber von Telekommunikationsanlagen für die Methanol-Brennstoffzellen von Siqens, die laut Klaue robust und zuverlässig und auch fernab der Zivilisation einsetzbar sind. Das gelte für alle Klimazonen, von minus 20 bis plus 50 Grad Celsius. Obendrein seien die Betriebskosten im Vergleich zu denen von Dieselgeneratoren um rund 75 Prozent geringer. In diesem Jahr rechnet das Münchner Unternehmen, das rund 30 Mitarbeiter beschäftigt, deshalb auch mit dem Verkauf von mehreren Hundert seiner HT-PEM-Brennstoffzellensysteme.

Dass die Notwendigkeit des Einsatzes von Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologien aus Gründen des Klimaschutzes steigt, steht heute außer Frage. Der Siqens-CEO betont jedoch: „Wir sind davon überzeugt, dass die Wasserstoffwirtschaft nur mit preislich wettbewerbsfähigen Lösungen ein Erfolg wird, insbesondere, was die Verteilung auf der Letzten Meile angeht.“

Methanol als Wasserstoffträger
Außer Brennstoffzellen bietet das Unternehmen seit 2022 eine sehr spezielle technische Lösung zur Herstellung von reinem Wasserstoff an: die Elektrochemische Wasserstoffseparation (EHS). Bei diesem patentierten Verfahren strömt das Feedgas durch einen HT-PEM-Stack, der auch im Ecoport genutzt wird, erklärt Klaue. „Der Stack mit den MEAs ist vergleichbar mit einem Sieb, das unter Spannung nur für die anodenseitig zu Protonen reduzierten Wasserstoffmoleküle durchlässig ist. Auf der Kathodenseite erhalten die Protonen die Elektronen zurück. Das Produkt ist hochreiner Wasserstoff.“ Mit dieser Methode kann Wasserstoff aus ganz unterschiedlichen Medien abgetrennt, gereinigt und aufbereitet werden. Das kann Erdgas sein oder Abgas, das in industriellen Prozessen oder bei der Müllverbrennung entsteht. Der Wasserstoff kann aber auch aus natürlichen Reservoiren wie Gaslagerstätten gewonnen werden.

Und weil Methanol ein guter Wasserstoffträger ist, lässt sich mit dem EHS-System auch das Problem der Letzten Meile umgehen: Aus dem über das Erdgasnetz transportierten Methanol wird Wasserstoff direkt vor Ort beim Verbraucher CO2-frei erzeugt. „In 10 Litern Methanol ist ungefähr ein Kilogramm Wasserstoff chemisch gebunden“, rechnet Thomas Klaue vor. Das sei mehr als in einer üblichen 70-Kilogramm-Druckgasflasche, die 50 Liter auf 200 bar komprimierten Wasserstoff enthält. Die Ausbeute betrage hier lediglich 0,8 Kilogramm. Statt also Wasserstoff wie bisher in Bündeln von schweren Stahlflaschen oder in Drucktanks per Trailer zu transportieren, könne man durch den Einsatz von Methanol-Brennstoffzellen viel Geld sparen.

Transport- und Speicherkosten machen derzeit noch den größten Anteil am Wasserstoffpreis aus. „Das gilt umso mehr, wenn der Einsatzort nur per Hubschrauber erreichbar ist“, ergänzt Klaue. „Das Verhältnis von Transportgewicht zu H2-Nutzgewicht ist beim Methanol zehn zu eins gegenüber hundert zu eins bei Druckgasflaschen.“

1 kg Wasserstoff für weniger als zwei Euro
Bei der EHS wird wie bei der Wasserelektrolyse Strom eingesetzt. Der Energiebedarf sei jedoch erheblich geringer: Pro Kilogramm Wasserstoff würden nur drei bis fünf Kilowattstunden Strom gebraucht; also etwa zehn Prozent des Stroms, der für die Elektrolyse benötigt wird. „Dabei entsteht Wasserstoff in Brennstoffzellenqualität zu einem Preis von weniger als zwei Euro pro Kilogramm.“ Die Technologie sei flexibel, skalierbar und könne an ein breites Spektrum von Gasen angepasst werden. So eine Anlage, die je nach Kapazität nur eine Fläche von ein bis zwei Quadratmetern einnimmt, lässt sich direkt ans Gasnetz anschließen.

Durch das EHS-Verfahren könnten mit drei Stacks gut 100 Kilogramm Wasserstoff pro Tag erzeugt werden, was für eine H2-Tankstelle ausreiche, so Thomas Klaue. Die modulare Bauweise erlaube auch mehrere Tonnen pro Tag, mit denen der Bedarf eines Industriebetriebs gedeckt werden könne. „Die elektrochemische Wasserstoffabtrennung ist in jedem Fall eine attraktive Alternative zu anderen H2-Technologien, da sie vergleichsweise wenig Energie verbraucht und eine hohe Selektivität für Wasserstoff aufweist“, so der CEO.

Nach einem ersten Pilotprojekt in Australien gibt es nun ein zweites in Deutschland: Im unterfränkischen Haßfurt wird Wasserstoff mittels EHS aus dem Erdgasnetz gewonnen. Die Stadtwerke der Kreisstadt sind als Pioniere bekannt, weil sie schon seit den 1990er-Jahren auf erneuerbare Energien setzen: Photovoltaik, Windkraft und Biogas von Landwirten aus der Region. Seit 2016 haben sie einen Elektrolyseur, um aus überschüssigem Windstrom Wasserstoff zu erzeugen.

Nun erschließen sie mithilfe der EHS-Technologie von Siqens das kommunale Gasnetz als Wasserstoffquelle. Das geschieht in Kooperation mit dem Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg und dem Institut für Energietechnik an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden. Der aus dem Erdgas separierte Wasserstoff wird komprimiert und gespeichert und bei Bedarf über eine Brennstoffzelle in Strom umgewandelt.

Da viele Gasnetzbetreiber in Zukunft ihrem Erdgas grünen Wasserstoff beimischen wollen, könnten solche Lösungen zur Abtrennung und Aufbereitung des klimaneutralen Gases bald an Bedeutung gewinnen. „Durch die Trennung der Gase mittels EHS am Ort des Verbrauchs kann der Endkunde direkt mit hochreinem ‚grünen‘ Wasserstoff versorgt werden“, sagt Thomas Klaue. Also Wasserstoff in einer Qualität, wie sie für industrielle Prozesse oder Brennstoffzellen-Fahrzeuge benötigt werde. Aus diesem Grund plädiert Klaue auch vehement für die Erhaltung der Gasnetze.

Im Februar dieses Jahres appellierte er öffentlich an das Bundeswirtschaftsministerium, die Rückbaupläne nochmals zu überdenken; allein schon aus Kostengründen. „Außerdem wird das geplante H2-Kernnetz lange nicht in der Lage sein, das gesamte Land ohne großen Aufwand mit grüner Energie zu versorgen.“ Weil jedoch das bundesweite Gasnetz größtenteils wasserstofftauglich sei, solle die Infrastruktur für den künftigen Transport von grünem Wasserstoff genutzt werden, um Industrie und Gemeinden mit klimafreundlicher Energie zu versorgen.

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