Es ist ruhig geworden um H2-Mobilität. An den Stammtischen und auch auf Facebook wird sehr viel seltener und verhaltener über das Thema brennstoffzellen- versus batteriebetriebene Fahrzeuge diskutiert als noch vor zwei Jahren, denn allmählich scheint durchzusickern, dass Wasserstoffautos zunächst nicht in großer Stückzahl kommen werden.
Frühestens Ende dieses Jahrzehnt – wohl eher in den dreißiger Jahren – könnte das Thema H2-Pkw noch mal relevant werden. Bis dahin müssen Toyota und Hyundai – die einzigen beiden relevanten Anbieter in diesem Sektor – schauen, wie sie über die Runden kommen mit dem nur langsam wachsenden H2-Tankstellennetz (s. S. 32) und auch der geringen Nachfrage.
Die voranschreitende Abwendung des Bundesverkehrsministeriums von der Wasserstofftechnologie mit dem anvisierten Umbau der NOW GmbH zu einer Elektromobilitätsagentur (s. S. 6) ist da nur ein Beispiel von vielen.
Ganz weg vom Tisch ist das Thema Wasserstofffahrzeuge aber dennoch nicht, denn im Nutzfahrzeugbereich tut sich durchaus etwas, wenn auch nur langsam. Die Großkonzerne sind zwar eher zurückhaltend, aber der Mittelstand bewegt sich. So zeigte diesen Sommer die FES GmbH Fahrzeug-Entwicklung Sachsen aus Zwickau, was geht. Im Beisein des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer sowie des ehemaligen Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer ließ das ostdeutsche Unternehmen einen Brennstoffzellen-Lkw aus dem Werktor herausfahren, aus dem früher Trabis rollten.
Verwunderlich ist das nicht, dass Technologiesprünge eher von kleineren Playern initiiert werden: Sie sind es, die einigermaßen flexibel agieren und auf Veränderungen im Markt schneller reagieren – im Fall von FES, weil der Firmeneigner von Wasserstoff überzeugt ist und die Entwicklung eigenen Know-hows forciert.
Die großen Konzerne dagegen brüsten sich zwar auf Fahrzeugmessen wie der IAA mit innovativ anmutenden Prototypen, bringen aber kaum etwas davon auf die Straße – seit Jahren nicht (außer Hyundai). Stattdessen wird an extravaganten Technologien (z. B. Flüssigwasserstoff, LH2) festgehalten, die eine komplett eigene Infrastruktur benötigen und somit den Ausbau der Druckwasserstoffinfrastruktur ausbremsen, weil die Entscheidungsträger nach wie vor unsicher sind, auf welches Pferd sie nun setzen sollen.
Solange nicht klar ist, ob sich nun LH2 oder GH2 durchsetzen wird und was für Reichweiten mit Feststoffbatterien möglich sein werden, wird es keine merklichen Fortschritte geben – weder beim Infrastrukturaufbau noch beim Aufbau von Produktionskapazitäten für elektrische Nutzfahrzeuge.
Ändern können dies letztlich nur der Mittelstand oder Start-ups. Die großen Player sind zu sehr dem Wohl der Aktionäre verpflichtet und auf die Einnahmen aus dem bisherigen Geschäftsmodell angewiesen, als dass sie Grundlegendes ändern würden. Da helfen auch irgendwelche Cleanroom-Gespräche auf europäischer Ebene nichts, weil dort nur Lippenbekenntnisse abgegeben, aber keine konkreten Investitionsentscheidungen gefällt werden.
Bewegung wird erst dann ins System kommen, wenn ein mutiges Start-up mit einer disruptiven Technologie um die Ecke kommt oder ein mittelständisches Unternehmen ein neuartiges Geschäftskonzept erdenkt. Wenn beispielsweise jemand auf die Idee kommt, einfach komplette elektrische Zugmaschinen auszuwechseln, wenn deren Akku leer ist, so wie früher bei Kutschfahrten die Pferde gewechselt wurden, damit die flotte Tour weitergehen konnte.
Die Idee der Akkuwechselstationen scheiterte ja bereits vor Jahren in Europa, weil die deutschen Autobauer niemanden an ihre Hardware ranlassen wollten. Wenn aber der Trucker nach der Kaffeepause einfach den Trailer von einem E-Truck mit vollständig geladenem Akku weiterziehen ließe, gäbe es weder Reichweiteneinschränkungen noch Hardware-Probleme mit den Herstellern.
Selbst wenn dieser Gedanke nicht direkt umsetzbar ist – disruptive Konzepte entstehen in aller Regel nicht bei rückwärtsgewandten Traditionsunternehmen, sondern insbesondere bei dynamischen Akteuren, die starre Denkstrukturen überwinden und sich wirklich innovativ über die Bedarfe zukünftiger Generationen Gedanken machen.
Bis es aber so weit ist, werden wir wohl noch länger das Henne-Ei-Spiel beobachten und zusehen dürfen, wie der H2-Infrastrukturaufbau ebenso träge vorankommt wie der Aufbau von Produktionskapazitäten für brennstoffzellenbetriebene Nutzfahrzeuge.
Herzlichst
Sven Geitmann
HZwei-Herausgeber
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