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Beitrag von Sven Jösting

18. Mai 2023

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Nikola Motors – Iveco steigt aus

Parallel zu der Veröffentlichung der Geschäftszahlen für das erste Quartal erfolgte die Mitteilung, dass Iveco aus dem europäischen Joint-Venture mit Nikola Motors aussteigt. Seit 2019 waren beide Unternehmen partnerschaftlich verbunden, was unter anderem zu der Entwicklung des batterieelektrischen TreBEV geführt hatte. Jetzt übernimmt Iveco das europäische Geschäft des ehemaligen Joint-Ventures zu hundert Prozent, zahlt dafür einerseits 35 Mio. US-$ und gibt zudem 20 Mio. Aktien an Nikola zurück. Nach der Transaktion wird Iveco noch mit 5 Mio. Aktien beteiligt sein, was allerdings eher symbolischer Natur ist angesichts von zuvor über 600 Mio. Aktien.

Beide Unternehmen wollen weiterhin zusammenarbeiten, so der Tenor der Pressemitteilung. IP soll weiterhin gemeinsam genutzt werden und Iveco wird auch weiter Kfz-Teile an Nikola liefern. Dass beide Unternehmen ansonsten aber nun getrennte Wege gehen und sich jeweils auf ihre Stammmärkte konzentrieren – Iveco auf Europa und Nikola auf die USA – ist eigentlich sinnvoll, denn für Nikola zählt vor allem der Hochlauf des wasserstoffbetriebenen Lkw TreFCEV, der im zweiten Halbjahr 2023 auf den US-Markt kommen soll. Da geht es auch um den Hochlauf des ganzen Wasserstoffkomplexes angefangen von der eigenen Produktion bis hin zum Verteilnetz, wo umfassenden Förderprogramme (bis zu 320.000 US-$ pro Lkw in den USA wie auch 3 US-$ Zuschuss pro kg grünen Wasserstoffs) winken.

Durchhaltevermögen notwendig

Für Nikola ist dieser Schritt von Iveco nicht negativ zu bewerten. Im Gegenteil: Iveco konzentriert sich erst einmal auf batterieelektrische Lkw und kann dann immer noch die Entwicklung von Nikola in Sachen Brennstoffzelle und Wasserstoff für sich nutzen, so meine Analyse. Denken Sie dabei an den Ausstieg von Daimler und Toyota bei Tesla: Nach dem Verkauf von deren Aktienpaketen kam es zu der richtigen Kursexplosion bei Tesla.

Unbenommen von der Planung wird Iveco meines Erachtens aber ein potentieller Vertriebspartner auch in Europa für Nikola in der Zukunft sein, wenn Nikola in großer Serie die FCEV produziert und das Thema Wasserstoff im Nfz-Sektor in Europa richtig Fahrt aufnimmt. Aber das wird noch ein paar Jahre dauern, da Nikola ausreichend Potential in den USA hat, wenn man berücksichtigt, dass in Kalifornien ab 2035 keine Diesel-Lkw mehr fahren und in bestimmten Einsatzfeldern wie Hafenanlagen schon viel früher nur emissionsfreie Nfz zugelassen werden dürfen. Für Nikola ist dies eine Steigvorlage.

Takes aus der Telefonkonferenz

Das wird ein sehr spannendes zukunftsweisendes Geschäftsjahr für Nikola in vielerlei Hinsicht. Heute wird die Basis für morgen gelegt und zwar für mich im positiven Sinne. Nikola-CEO Michael Lohscheller sagte: „Ich möchte Ihnen eines sagen: Nikola ist eine echte Sache. Wir haben echte Lkw, die bereits bestellt, ausgeliefert und in Kundenflotten eingesetzt werden. Wir verfügen über erstklassige Software und Technologie sowie elegante emissionsfreie Produkte, die den stark umweltbelastenden kommerziellen Transportmarkt dekarbonisieren.“

Das Hydrogen Hub in Phoenix, Buckeye, ist nun baulich von den Behörden genehmigt – der Bescheid liegt seit ein paar Tagen vor. Hier besteht ja die Erwartung, dass sich Fortescue Future Industries beteiligen wird. Parallel hat Nikola mit dem Infrastrukturinvestor Voltera Power (Tochterunternehmen des Wagnisfinanziers EQT, die über 1 Mrd. US-$ in den Bereich Infrastruktur in Sachen Strom und Wasserstoff investieren wollen) ein Abkommen geschlossen, wonach diese 50 gemeinsam betriebene Tankstellen (Wasserstoff und Stromladestationen) bis 2026 finanzieren werden und Nikola für die Wasserstoffversorgung sorgen wird.

Die Marke HYLA von Nikola, die für die Produktion und den Abverkauf von Wasserstoff zuständig ist, erfährt damit einen sehr wichtigen Auftrieb, zumal Nikola seine Haupteinnahmequelle und Gewinnmarge im Wasserstoff sieht. Mit Chart Industries arbeitet Nikola zudem an mobilen Wasserstofftankstellen der neuesten Generation, da diese eine höchst flexible Form der Belieferung und Zurverfügungstellung von Wasserstoff für Lkw-Flotten ermöglicht.

Bis Ende Juni werden sechs von geplanten zehn Gamma-TreFCEV bei Testkunden im Einsatz sein. AJR Trucking, die vor allem für die amerikanische Post, den United States Postal Service, ausliefert, hat bereits einen Auftrag über 50 TreFCEV abgegeben. Denken Sie visionär: Was ist, wenn Nikola seine Verkaufsziele von 1.000 bis 1.600 Lkw in 2024 und einer Verdoppelung bis 2025 erreicht und Ende 2024 den Übergang in die Gewinnzone schafft? Wo steht der Aktienkurs dann?

Zahlenwerk

Im ersten Quartal dieses Jahres hat Nikola einen Umsatz in Höhe von 11,1 Mio. US-$ erzielt. Der Verlust im Quartal betrug 169,1 Mio. US-$ bzw. minus 0,31 US-$ pro Aktie. Hierin sind indes auch Stock-Compensation-Kosten enthalten, so dass der non-GAAP-Verlust 143,6 Mio. US-$ betrug. Der Verlust beruht auf hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung und natürlich auf dem Aufbau der Produktionskapazitäten für die Lkw. Für mich ein „logischer“ Verlust.

Der Kapitalbedarf „cash burn“ wird zukünftig bei 150 Mio. US-$ im Quartal gesehen (2022 lag dieser noch bei über 220 Mio.US-$/Quartal) und soll im Jahresverlauf auf 125 Mio. US-$ gesenkt werden. An Kapitalmitteln verfügt Nikola noch über gesamt 796 Mio. US-$, wobei hierin auch der potentielle Abverkauf weiterer Aktien über die Börse via ATM-Programm enthalten ist.

Ausblick

Sie sollten sich immer fragen: Ist das Geschäftsmodell von Nikola zukunftsfähig? Klares JA. Stimmen die Erwartungen und Prognosen mit den Plänen überein, sind diese realistisch und umsetzbar? Klares JA. Nikola ist First-Mover in seinem Markt, und das ist die schwierigste Phase jedes Unternehmens. Es bedarf für die kommenden Monate aber einer gewissen Durchhaltekraft. Dass Nikola die batterieelektrischen Lkw TreBEV vorerst nicht weiter baut, ist nur konsequent, da man erst einmal den Bestand (Inventory) abverkaufen wird und die Produktion danach der konkreten Auftragslage anpasst.

Es geht um die Liquidität, die gehalten werden muss, bis die wasserstoffbetriebenen Lkw in Serie gehen und zum richtigen Umsatztreiber werden. Das wird meines Erachtens erst im vierten Quartal dieses Jahres richtig durchschlagen. Bis dahin muss Nikola Kosten senken und sich finanziell auf das Notwendigste konzentrieren.

Als nächstes Datum ist die Hauptversammlung im Juni ein wichtiges Datum, da hierdurch die Ausgabe neuer Aktien via genehmigtem Kapital (Erhöhung auf rechnerisch 1,6 Mrd. Stück) von den Aktionären abgesegnet werden muss. Hierdurch wird neue Liquidität gewonnen. Ich gehe davon aus, dass diese Genehmigung erteilt wird, da es im Urinteresse der Aktionäre liegt. Was indes immer – im positiven Sinne – passieren kann, ist die Genehmigung des 1,3 Mrd.-US-$ schweren Kredites des Department of Energy (DOE) im Rahmen des IRA. Dieser löst – im Fall der Genehmigung – meines Erachtens die komplette Finanzlage bei Nikola, da man dann keine weiteren Aktien zu Schleuderpreisen und im Interesse der Shortseller mehr platzieren muss.

Die Partner von Nikola wie die australische Fortescue Future Industries wie auch andere Player im Nfz-Markt könnten die Chance nutzen, sich bei Nikola günstig einzukaufen und das Geschäftsmodell in Sachen Wasserstoff damit zu forcieren. Und auch mancher (Groß-)Auftrag für die Lkw ist jederzeit denkbar und psychologisch von Bedeutung für den Aktienkurs. All dies kann täglich passieren.

Fazit: Man braucht starke Nerven, aber das Chance-Risiko-Verhältnis ist entsprechend sehr hoch. Stay tuned und nicht bange machen lassen.

Ein sehr wichtiges Datum wird der 7. Juni sein, da an diesem Tag die Hauptversammlung stattfindet und darüber abgestimmt wird, ob/dass das genehmigte Kapital auf 1,6 Mrd. Aktien erhöht werden kann. Hier könnte noch ein Unsicherheitsfaktor gesehen werden, da diese Abstimmung natürlich sehr wichtig für Nikola ist, um ausreichend finanziert zu sein.

Autor: Sven Jösting, verfasst am 14.05.2023


Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

Kategorien: 2023 | Allgemein
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1 Kommentar

  1. Joe Schmidt

    Zitat:
    “… bis die wasserstoffbetriebenen Lkw in Serie gehen und zum richtigen Umsatztreiber werden. Das wird meines Erachtens erst im vierten Quartal dieses Jahres richtig durchschlagen.”
    Na, da bin ich ja richtig gespannt auf Ende 2023. Bisher sahen die Zahlen /Entwicklungen zu den H2-BSZ-LKW eher verhalten aus (im Gegensatz zu den Ankündigungen). Dagegen boomen die batterieelektrischen LKW tatsächlich.

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