Beim Ausbau der Elektrolysekapazität auf 10 GW würde die Wassernachfrage in Deutschland kaum steigen. Mit Rücksicht auf den Klimawandel rät der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) jedoch zur konsequenten Umsetzung eines integralen Wassermanagements.
Die Aussage von DVGW-Expertin Dr. Florencia Saravia ist eindeutig und logisch: „Kein grüner Wasserstoff ohne Wasser.“ Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. hat untersucht, welche Wassermengen für die Erzeugung von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse benötigt werden. Das Ergebnis ist klar: Die Trinkwasserversorgung in Deutschland wird dadurch nicht beeinträchtigt. Selbst bei einer Elektrolyseleistung von 40 GW würde die gesamte Wassernachfrage in Deutschland lediglich um weniger als ein Prozent ansteigen.
Der Wasserbedarf hat sich seit 1991 auf 20 Mrd. m3 mehr als halbiert. Hauptnutzer ist die Energiewirtschaft mit 44 Prozent der Entnahmen. Diese benötigt vorwiegend Kühlwasser. Dieses wird allerdings nicht verbraucht, sondern größtenteils wieder dem Wasserkreislauf zugeführt. Steigend ist der Bedarf der Landwirtschaft. Hier wurden allein für die Beregnung im Jahr 2019 fast 450 Mio. m3 Rohwasser verwendet. Im Vergleich dazu fällt hier die vom DVGW berechnete benötigte Wassermenge für die bis 2030 angestrebte Elektrolyseleistung von 10 GW mit 9 Mio. m3 Süßwasser relativ überschaubar aus.
Erzeugung von Reinstwasser
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Für die Herstellung von grünem Wasserstoff wird Reinstwasser benötigt. Über verschiedene Verfahrensschritte – Vorbehandlung, Make-up/Entsalzung, Polishing/Nachbehandlung – muss das Rohwasser auf die entsprechende Reinheit gebracht werden. Angestrebt werde dabei eine Wasserqualität des Typs I oder II, erläutert Expertin Saravia. Abhängig vom Hersteller und dem Typ des Elektrolyseurs finde man unterschiedliche Angaben und Anforderungen an das Reinstwasser.
Als Faustformel gilt: 10 kg Reinstwasser ergeben ein Kilogramm Wasserstoff. Zusätzlich wird noch Kühlwasser für den Betrieb des Elektrolyseurs benötigt. Zu berücksichtigen ist auch die Art des Rohwassers. Wird Meerwasser verwendet, liegt die Ausbeute bei 40 bis 50 Prozent, bei anderen Quellen wie Grundwasser werden 75 bis 80 Prozent erreicht. Der abgetrennte Rest bleibt als Konzentrat (Brine) zurück.
Welche Wasserquellen angezapft werden, ist vor allem vom Standort abhängig. Erfolgt die Wasserstoffgewinnung an Land, kommt neben Oberflächen- und Grundwasser auch gereinigtes Abwasser infrage. Aufbereitetes Trinkwasser sollte laut DVGW nicht verwendet werden. In Meeresnähe ist auch entsalztes Meerwasser eine Option.
Bei Offshore-Windparks stehen vorwiegend zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Erfolgt die Elektrolyse direkt auf dem Meer, dürfte entsalztes Meerwasser das Mittel der Wahl sein. Wird der Strom dagegen zuerst an Land transportiert und der Wasserstoff dort produziert, stehen wiederum die genannten Onshore-Optionen zur Verfügung. Laut einer Studie der Stiftung Offshore-Windenergie, die die aktuellen Planungen berücksichtigt, soll ein Drittel der Elektrolysekapazitäten offshore und der Rest onshore installiert werden.
Faktor Klimawandel
Trotz der im Vergleich relativ geringen Wassermengen ist der Klimawandel mit seinen Auswirkungen auf das Wasserdargebot ein immer wichtigerer Faktor. Hier rät der DVGW zu einer angepassten Versorgungsstrategie je nach Standort. Dabei sind insbesondere Regionen zu berücksichtigen, die in den vergangenen Jahren von Trockenheit stärker betroffen waren, wie Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder Niedersachsen. Neben der Nutzung von Meerwasser rät Expertin Saravia hier insbesondere zum Einsatz von Abwässern aus Kläranlagen.
Hier sollte dann jedoch auch die Politik mitspielen. Denn bei der Erschließung neuer Wasserressourcen müssten auch neue Wege beim Genehmigungsrecht eingeschlagen werden, fordert der DVGW. Geklärt werden muss auch, wie mit dem Ablaufwasser aus Elektrolyseanlagen umzugehen ist. Hierzu laufen laut DVGW-Mitarbeiterin Saravia derzeit mehrere Projekte.
Autor: Michael Nallinger
Abb.: Abhängig davon, ob die Elektrolyse offshore oder onshore erfolgt, stehen unterschiedliche Quellen für die Produktion von Reinstwasser zur Verfügung, Quelle: DVGW
Ganz allmählich startet Deutschland in den Aufbau eines Tankstellennetzes für wasserstoffbetriebene Nutzfahrzeuge. Die bislang 93 in Deutschland von H2 Mobility betreuten H2-Stationen sind vornehmlich für Brennstoffzellen-Pkw konzipiert und verfügen über keine ausreichende Kapazität, um mehrere Lkw und Busse befüllen zu können. Am 11. Januar 2023 wurde jetzt aber eine der europaweit leistungsfähigsten H2-Tankstellen in Berlin eingeweiht, die quasi den Auftakt für den Infrastrukturausbau für H2-Trucks bildet.
Pro Tag können an der neuen H2-Station im Tempelhofer Weg 850 kg Wasserstoff vertankt werden – deutlich mehr als an den bisherigen Standorten. Hauptkunden werden zunächst die Müllsammelfahrzeuge der BSR (bislang 6, zukünftig 24) sein, aber auch 200 Toyota Mirai von H2 move Berlin, die bis Sommer 2023 für Uber im Fahrgasttransport in der Hauptstadt unterwegs sein werden (s. HZwei-Heft Jan. 2023), sowie H2-Trucks von Hylane.
Dieser Standort, der mit insgesamt 1,3 Mio. Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert wurde, stellt den Auftakt für den deutschlandweit geplanten Ausbau weiterer mittelgroßer und großer Wasserstofftankstellen dar. Nikolas Iwan, Geschäftsführer von H2 Mobility Deutschland, kündigte an: „Ende 2023 werden in allen Regionen Deutschlands H2-Lkw betankt werden können. Unser Ziel ist, in den nächsten vier Jahren bis zu 120 weitere Standorte deutschlandweit zu ergänzen.“
„Nur wenn Wasserstofftankstellen flächendeckend zur Verfügung stehen, werden wasserstoffbetriebene Fahrzeuge zum Einsatz kommen. […] Wir müssen dekarbonisieren, CO2-frei werden und dabei mobil bleiben.“
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Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing
„Jetzt ist das Tempo erkennbar, das wir schon vor Jahren gebraucht hätten.“
Kurt-Christoph von Knobelsdorff, NOW-Geschäftsführer
„Grüner Wasserstoff wird schon bald günstiger sein als fossiler.“
Nikolas Iwan, H2 Mobility-Geschäftsführer
„Unsere Mieter sind seit Ende letzten Jahres mit Wasserstoff-Lkw in Deutschland unterwegs. Der Ausbau der Tankinfrastruktur gibt unseren Kunden zunehmende Flexibilität bei der Planung ihrer Routen und stellt durch regionale Redundanzen eine zuverlässige Wasserstoffversorgung sicher. Das ist wichtig, weil wir insbesondere im schweren Güterverkehr mehr Fahrzeuge mit nachhaltigen Antrieben brauchen, um die Klimaschutzziele zu erreichen.“
Sara Schiffer, Geschäftsführerin Hylane
Im Oktober 2022 war bereits eine neue Tankstelle für Lkw, Busse und Pkw bei der APEX Group in Laage bei Rostock in Betrieb genommen worden. Angeboten wird dort grüner Wasserstoff, der vor Ort per Elektrolyse erzeugt wird. Mit einer Tageskapazität von etwa 450 kg können zwei Schwerlastfahrzeuge und drei Pkw back-to-back betankt werden. Das Investitionsvolumen für die Anlage beläuft sich auf ca. drei Millionen Euro.
Eine deutlich größere Betankungsstation ist für Neumünster geplant. Dort hat die Hypion GmbH, ebenfalls im Oktober, den Zuwendungsbescheid zur Errichtung einer H2-Tankstelle erhalten, die bis zu 2.000 kg Wasserstoff pro Tag, beispielsweise für die Lkw des Projektpartners Edeka, bereitstellen kann. Aus dem „Klima- und Transformationsfonds“ des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) werden dafür Fördermittel in Höhe von 4,9 Mio. Euro bereitgestellt. Die Gesamtinvestitionen liegen im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich.
Noch weiter im Norden sollen zwei Tankstellen an der A1 bei Lübeck und an der A7 bei Schleswig im Rahmen des europäischen Förderprojekts GREATER4H entstehen. Beide Standorte sind Teil der STRING-Region, die über die Grenzen von Deutschland hinaus bis nach Dänemark, Schweden und Norwegen reicht. Das GREATER4H-Projekt wurde vom Land Schleswig-Holstein auf den Weg gebracht und wird von den drei privaten Partnern GP Joule, Everfuel und Hynion umgesetzt. Die Inbetriebnahme dieser beiden Stationen (Kapazität: mind. 1 tH2 pro Tag) ist für Ende 2024 beziehungsweise Anfang 2025 vorgesehen.
Der Spatenstich für den Mobility Hub des Tankstellenbetreibers MaierKorduletsch auf dem Gelände der Paul Group erfolgte im September 2022. Ab Mitte 2023 sollen an der Shell-Station in Passau Fahrzeuge aller Antriebsarten versorgt werden können – unter anderem auch bis zu zehn H2-Lkw direkt hintereinander (Kapazität: 2.000 kgH2).
Weltweit neue H2-Stationen in Planung
Auch international tut sich so einiges beim H2-Infrastrukturausbau. Phillips 66 und H2 Energy Europe gründeten bereits 2022 ein Joint Venture, das bis 2026 bis zu 250 Wasserstofftankstellen in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter der Marke Jet errichten will. Im Februar 2023 kündigten auch TotalEnergies und Air Liquide an, in Europa über 100 Stationen für schwere Nutzfahrzeuge installieren und dafür ebenfalls ein eigenes Joint Venture gründen zu wollen.
Auch immer mehr Kompressorenhersteller widmen sich dem Tankstellenbau (s. HZwei-Heft Jan. 2023). Ende 2022 verkündete beispielsweise Maximator Hydrogen, 24 Wasserstoffstationen im Rahmen des Projekts REH2 in Schweden installieren zu wollen. Die Auslieferung der ersten Tankstelle für Lastkraftwagen ist für Herbst 2023 geplant, wobei ausschließlich grüner Wasserstoff – vornehmlich aus Windkraft sowie lokaler Wasserkraft – verwendet werden soll. Weitere Stationen, insbesondere an Standorten von Schwedens größter Rastplatz-Kette Rasta, sollen ab 2024 in monatlichem Rhythmus bis Ende 2025 folgen. Im März 2023 vermeldete Maximator gemeinsam mit Jet H2 Energy den Bau von zehn Wasserstofftankstellen in Deutschland und Dänemark.
In Südkorea ging Anfang des Jahres die JeonjuPyeonghwa-Wasserstofftankstelle in Betrieb, die erste von 35 H2-Stationen, deren Errichtung Kohygen bis 2025 im Land plant. Bei einer Ladekapazität von 300 Kilogramm Wasserstoff pro Stunde können dort bis zu 100 Busse oder Lastkraftwagen pro Tag befüllt werden. Weltweit waren zum Jahresende 2022 insgesamt 814 Wasserstofftankstellen in Betrieb.
Immer mehr elektrische Nfz
Bundesverkehrsminister Volker Wissing rechnet damit, dass 2030 drei Viertel der neu zugelassenen Nutzfahrzeuge der Gewichtsklasse ab 12 Tonnen emissionsfrei sein werden, ihre Energie also aus einer Batterie oder einer Brennstoffzelle bereitgestellt wird. Nach den Zielen der Bundesregierung soll bis 2030 ein Drittel der Fahrleistung im schweren Straßengüterverkehr elektrisch erbracht werden.
Autor: Sven Geitmann
Abb.: Tankstelleneröffnung mit Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing in Berlin
Die brandenburgischen Medien überbieten sich seit Monaten mit immer kühneren Visionen zur Rolle des Wasserstoffs bei der Rettung der PCK Raffinerie GmbH in Schwedt. Der regionale und öffentlich-rechtliche Sender rbb24 strahlte zu diesem Thema sogar eine Fernsehdokumentation im Abendprogramm aus. Darin wurde mehrfach betont, dass die Produktion und Verarbeitung von grünem Wasserstoff in großen Mengen in der Raffinerie in Schwedt in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Enertrag SE umgesetzt werden solle. Auf Nachfrage des HZwei-Magazins stellte der Enertrag-Pressesprecher Michael Rassinger Anfang März 2023 aber klar, dass es aktuell kein gemeinsames Projekt gebe und sich beide Seiten noch in der Gesprächsphase befänden. Am 5. April folgte nun die Meldung, dass Siemens Energy mit der Erstellung eines technischen Konzepts für die Erzeugung von grünem Wasserstoff in der PCK Raffinerie beauftragt worden sei.
Zuvor gab es große Pläne, aber zunächst wenig Substanz. Im letzten Herbst warb noch Jörg Müller, der Gründer von Enertrag, gemeinsam mit lokalen Politikern für Elektrolyseanlagen in einer Größenordnung von bis zu 300 MW. Jörg Müllers Visionen wurden sowohl von den Medien als auch von der Politik dankbar aufgegriffen.
Müller hatte sich eigentlich am 1. Juli letzten Jahres aus dem Tagesgeschäft von Enertrag zurückgezogen und die Leitung an Dr. Gunar Hering übergeben. Allerdings scheint Müller, der seitdem Aufsichtsratsvorsitzender ist, zumindest in den Medien weiterhin als „Visionär der Energiewende” im Namen des Dauerthaler Unternehmens sprechen zu dürfen. Im Oktober 2022 hatte er mitgeteilt, dass im Zusammenhang mit der Wasserstoffproduktion in der PCK-Raffinerie „die Umstände zwingend“ seien und ein „extrem schnelles Handeln“ erforderten. Rund ein halbes Jahr später sind die Visionen für sein Unternehmen allerdings verflogen.
Jetzt kommt Siemens Energy zum Zug, die den Einsatz mehrerer Elektrolyseure mit einer Größe von insgesamt circa 100 Megawatt anpeilen. Ziel sei, in einem ersten Schritt den bisherigen grauen aus Erdgas erzeugten Wasserstoff durch grünen Wasserstoff zu ersetzen. Ralf Schairer, Sprecher der Geschäftsführung der PCK Raffinerie GmbH, erklärte: „Wir sind überzeugt, dass Raffinerien mit der vorhandenen Infrastruktur auch zukünftig notwendig sein werden. Wir wissen, dass sich unsere Produkte über die nächsten Jahre ändern werden, um die ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen. […] Dieses Basic Engineering in Zusammenarbeit mit Siemens Energy ist ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft.“
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Weiter hieß es, grüner Wasserstoff werde eine entscheidende Rolle spielen und an allen nachfolgenden Prozessen beteiligt sein. Mit Unterstützung der Bundesregierung und dem Land Brandenburg könnten die notwendigen Strukturen geschaffen werden, um einen bedeuteten Beitrag zur Erreichung der anspruchsvollen nationalen Klimaziele zu leisten. Brandenburgs Wirtschaftsminister Prof. Jörg Steinbach sagte: „Die Vereinbarung zwischen Siemens Energy und der PCK ist ein wichtiger Schritt zur Neuausrichtung der Raffinerie. Wasserstoff spielt eine tragende Rolle, wenn es darum geht, fossile Energieträger durch erneuerbare Quellen zu ersetzen. […] Für die PCK stellt der Elektrolyseur einen bedeutenden Baustein bei der notwendigen Transformation der Raffinerie hin zu alternativen Energien dar.“
Probleme der PCK-Raffinerie
Die Raffinerie macht gerade eine schwere Zeit durch. Seit ihrer Entstehung im Jahr 1964 war sie von Russland abhängig. Noch bis Ende 2022 wurde ausschließlich russisches Erdöl in der Raffinerie verarbeitet. Besonders prekär ist nach wie vor die Eigentumsstruktur des Unternehmens, das ursprünglich zu über 50 Prozent dem russischen Staatskonzern Rosneft gehörte. Im September 2022 jedoch hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Bundesnetzagentur als Treuhänderin über die Rosneft Deutschland GmbH und die RN Refining & Marketing GmbH eingesetzt. Heute liegen die PCK-Anteile zu je 37,5 % bei Rosneft Deutschland und Shell Deutschland. 25 % hat die AET Raffineriebeteiligungs-Gesellschaft inne.
Dem Unternehmen selbst, aber auch der Stadt Schwedt und der Region fällt es dementsprechend mental und ökonomisch schwer, sich von ihrer Geschichte endgültig zu lösen. Die PCK selbst ist somit nicht unbeteiligt daran, dass der Anschein erweckt wurde, dass es eine Wasserstoffkooperation zwischen der regional ansässigen Enertrag und der Raffinerie in Schwedt gebe. Im Spätherbst 2022 hatte die PCK mitgeteilt, dass eine Elektrolyseanlage mit einer Gesamtkapazität von 32 MW in Zusammenarbeit mit der Enertrag geplant sei. Die angekündigten Pläne haben seitdem aber nicht an Dynamik gewonnen und wurden kein weiteres Mal bestätigt.
Die Bürgermeisterin der Stadt Schwedt, Annekathrin Hoppe, die sich redlich um die Erhaltung der Arbeitsplätze bei dem wichtigsten Steuerzahler ihrer Stadt bemüht, erhofft sich ebenfalls etwas aus der visionären H2-Rallye. Schwedt arbeitet an der Gründung einer Strukturentwicklungsgesellschaft, die natürlich deutlich mehr Finanzmittel und weitere Möglichkeiten bekäme, wenn sie in ihrem Portfolio auf einen Wasserstoffstandort verweisen könnte.
Große Visionen
Ohne Zweifel gehört das Unternehmen mit Sitz in der Uckermark zu den führenden Playern bei der Erzeugung von Windenergie und ist Vorreiter in der Technologie für grünen Wasserstoff. Ende Februar 2023 kündigten die Brandenburger an, ab 2024 für den Energiebedarf des Industrieparks Osterweddingen grünen Wasserstoff produzieren zu wollen. Dafür soll in Magdeburg ein 10-MW-Elektrolyseur (PEM: Proton Exchange Membrane) zum Einsatz kommen. Die Anlage wurde bereits im Dezember letzten Jahres bei Elogen, einem Unternehmen der GTT-Gruppe, bestellt.
Die erste Produktionsstufe dafür wird voraussichtlich bei zwei Tonnen Wasserstoff pro Tag liegen. Perspektivisch könnte solch ein Elektrolyseur sein Output auf bis zu fünf Tonnen am Tag steigern. Noch Ambitionierteres plant Enertrag in Namibia, wo für fast 10 Mrd. US-$ eine H2-Produktionsanlage für jährlich 300.000 Tonnen grünen Wasserstoff aufgebaut werden soll (s. HZwei-Heft Okt. 2021).
Diese Projekte machen deutlich, welche Größenordnungen und Potenziale im Bereich der H2-Produktion aktuell bei Enertrag im Gespräch sind.
In einer Stellungnahme teilte Enertrag noch Mitte März 2023 der HZwei-Redaktion mit: „Wir arbeiten derzeit an einer Machbarkeitsstudie, die wir voraussichtlich Ende April veröffentlichen.“
Ulmer ForscherInnen ist es nun gelungen, ein System zu entwickeln, das die Herstellung von Wasserstoff aus Lichtenergie zu jeder Tages- und Jahreszeit ermöglicht. Diese photochemische Einheit könnte künftig zur nachhaltigen Wärmeerzeugung bis hin zur Betankung wasserstoffbetriebener Lkw und Busse eingesetzt werden – und zwar genau dann, wenn der Bedarf besteht. Da das Licht gespeichert werden kann, wird es möglich, Wasserstoff nachfrageorientiert und sogar bei Dunkelheit zu produzieren.
Der neue Ansatz der baden-württembergischen WissenschaftlerInnen basiert auf einem einzigen Molekül, das Sonnenlicht aufnehmen, Energie speichern und Wasserstoff herstellen kann. „Lichteinstrahlung führt in unserem Molekül zur Ladungstrennung und Elektronenspeicherung“, erklärt Prof. Carsten Streb vom Institut für Anorganische Chemie der Universität Ulm (s. HZwei-Heft Apr. 2018). Als Reaktion der Spaltung entsteht ein flüssiger, leicht speicherbarer Treibstoff. Die bedarfsgerechte Erzeugung des gasförmigen Wasserstoffs werde durch die Zugabe einer Protonenquelle erreicht, so Streb.
Die Aussichten für den neuen Ansatz sind vielversprechend. Das Team um Prof. Streb hat die Leistungsfähigkeit seines Systems mit verschiedenen Analysemethoden überprüft. Im Ergebnis zeigt die molekulare Einheit eine exzellente chemische und photochemische Stabilität. Der modulare Aufbau des Systems ermöglicht chemische Veränderungen und eine Optimierung des Gesamtsystems. Somit könnte das Modell auch als eine Art Blaupause für dezentrale Energiespeicher dienen.
Vorbild ist die Photosynthese in der Natur
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Entwickelt wurde das photochemische System in einem Verbundprojekt. Forschende der Universitäten Ulm und Jena haben sich die natürliche Photosynthese zum Vorbild genommen und neue Materialien für die Energiewandlung entwickelt. Ein Beispiel sind künstliche Chloroplasten für die Wasserstoffherstellung. Die WissenschaftlerInnen haben unter anderem wichtige Strukturanalysen gemacht, die die Reaktion des Katalysators auf Licht beschreiben. Dabei kam unter anderem ein kostenintensives Gerät zur hochauflösenden Massenspektrometrie zum Einsatz, das durch EU-Mittel im Rahmen der regionalen Innovationsstrategie des Freistaates Thüringen angeschafft wurde.
Frühere Systeme zur Umwandlung von Sonnenlicht in chemische Energie waren relativ instabil. Durch die Einbettung der lichtgetriebenen Katalysatormoleküle in weiche Materie ist es dem Konsortium aus Chemie, Physik und Materialwissenschaften gelungen, diesen Prozess zu stabilisieren und zu steuern. Hauptziel des nun verlängerten Sonderforschungsbereichs ist es, Grundlagen für die effiziente Erzeugung von grünem Wasserstoff auf dezentraler Basis zu schaffen.
Nächstes Ziel: Weg von seltenen Materialien
Denn derzeit finden sich noch seltene Materialien wie Ruthenium, Platin oder Rhodium in den Katalysatoren. Diese teuren und teils ökologisch bedenklichen Komponenten sollen nun durch leichter verfügbare Alternativen ersetzt werden, so das Ziel. Zum Beispiel könnten organische Farbstoffe, wie sie in Jena erforscht werden, das Problem lösen. Deren Instabilität lässt sich womöglich bald in den Griff bekommen.
Außerdem soll die Materialverknüpfung in den Solarenergiewandlern optimiert werden. „Ziel ist ein lichtgetriebener Prozess mit gekoppelter Oxidation und Reduktion. Dazu kommt die Weiterentwicklung physikochemischer Analysemethoden“, erklärt Prof. Benjamin Dietzek-Ivanšić von der Universität Jena. Er ist in der nun gestarteten zweiten Förderphase neuer Sprecher des Projekts. Der Kollege Carsten Streb ist derweil an die Uni Mainz gewechselt und arbeitet dort zu dem Thema weiter.
Das Fernziel bleibt die Herstellung künstlicher Chloroplasten: Diese pflanzlichen Zellbestandteile sind dabei für die Photosynthese zuständig. In Zukunft wird das Konsortium auch mit dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Ulm kooperieren.
Effizienter als Elektrolyse
Der Bedarf an Wasserstoff ist bereits jetzt hoch und wird weiter wachsen. Derzeit werden weltweit jährlich etwa 80 Mio. Tonnen Wasserstoff durch Dampfreformierung hergestellt. Dabei werden immer noch fossile Brennstoffe verwendet und so große Mengen an CO2 freigesetzt. In naher Zukunft muss die Produktion von Wasserstoff emissionsfrei werden oder zumindest mit emissionsarmen Methoden möglich sein.
Bisherige Verfahren zur Herstellung von grünem Wasserstoff beruhen oftmals auf der Kopplung mehrerer Komponenten wie Photovoltaikzellen, Batterien und Elektrolyseuren. Der Nachteil: Die Energieverluste summieren sich bei jedem Schritt, weshalb die Wasserstoffproduktion nur wenig effizient ist. Der für elektrolytische Verfahren benötigte grüne Strom kann zwar aus Windkraftanlegen gewonnen werden, allerdings gehen bei elektrolytischen Verfahren rund 40 Prozent der Energie verloren. „Die derzeitigen Ziele für die elektrolytische Herstellung von Wasserstoff innerhalb der EU bis zum Jahr 2050 erfordern 2.800 TWh. Das entspricht dem Strom von 250.000 bis 460.000 neuen Windkraftanlagen“, berechnet Professor Marko Huttula, Leiter eines entsprechenden Projekts, das an der Universität Oulu läuft.
Der Vorteil von Solarwasserstoff im Vergleich zu elektrolytischem Wasserstoff ist, dass er nur die Energie der Sonne benötigt.
Finnland: Sieben Prozent Wirkungsgrad im Labor
Photokatalytische Prozesse werden weltweit bereits seit Jahrzehnten untersucht und erforscht. Herausforderung ist und bleibt es, einen effizienten und langlebigen Katalysator zu entwickeln. Denn meist zersetzen sich die Katalysatoren zu schnell, oder es werden seltene und teure Metalle benötigt. Auch in Finnland, an der Universität Oulu, wird derzeit ein neuer Katalysator entwickelt, der aus sogenanntem Molybdänit besteht. Dabei handelt es sich um ein relativ billiges und natürlich vorkommendes Mineral. Die Verbundstruktur besteht aus geschichtetem Molybdändisulfid sowie Nickel- und Silbernanopartikeln, was den Katalysator nach Angaben der Forscher relativ kostengünstig macht.
Im Labor an der Uni Oulu lieferte der neue Katalysator immerhin 86 Tage hintereinander Wasserstoff, ohne zu zerfallen. Er erreichte dabei einen Wirkungsgrad von sieben Prozent, was mehr ist als der Schwellenwert für einen brauchbaren Wirkungsgrad von mindestens fünf Prozent. Neben der Erzeugung von Wasserstoff reinigt das Verfahren zudem auch das natürliche Wasser, das für die H2-Produktion verwendet wird.
Der Weg ist jedoch noch lang. „Es bedarf noch jahrelanger Forschung, bis die Produktion von Solarwasserstoff in größerem Maßstab möglich ist“, weiß Professor Huttula: „Die Technologie befindet sich derzeit noch in einem kritischen Entwicklungsstadium.“
Autor: Niels Hendrik Petersen
Bild: Photoreaktor: Bestrahlungsapparat im Institut für Anorganische Chemie
Bei den Bemühungen um das Erreichen der Klimaziele rückt der grüne Energieträger Wasserstoff (H2) im Rahmen der Sektorenkopplung immer weiter in den Vordergrund. Die Grundlage für die Produktion von grünem Wasserstoff ist elektrische Energie aus Erneuerbare-Energien-Anlagen. Mithilfe eines Elektrolyseurs wird unter Nutzung der grünen elektrischen Energie und Wasser H2 produziert. Bei diesem Prozess entstehen Nebenprodukte wie Abwärme und Sauerstoff, die ebenfalls in verschiedenen Einsatzgebieten genutzt werden können und durch eine gezielte Vermarktung die Gestehungskosten des H2 reduzieren können. Optional kann die Umwandlung des H2-Gases in synthetisches Erdgas und dann weiter in verflüssigtes Erdgas erfolgen. Diese Wertschöpfungskette wird auch als PtG-Wertschöpfungskette bezeichnet und bietet die Möglichkeit, die elektrische Energie in verschiedenen Sektoren dezentral zu nutzen.
Die nachfolgende Abbildung zeigt die PtG-Wertschöpfungskette von elektrischer Energie über den Prozess der Elektrolyse zur Erzeugung von H2, die Umwandlung zu synthetischem Erdgas bzw. SNG (synthetic natural gas) und verflüssigtem synthetischem Erdgas bzw. LNG (liquefied natural gas), die Speicherung und den Transport bis hin zur Nutzung der grünen Energieträger beim Endverbraucher.
Dabei kann diese PtG-Wertschöpfungskette (s. Abb. 1) von zwei Seiten ausgehend betrachtet werden: Zum einen ist die Ausgangslage eine definierte Menge an erzeugter grüner elektrischer Energie, welche für die Elektrolyse zur Verfügung steht. Auf der anderen Seite stehen die Endverbraucher, welche vorgeben, wie viel H2 benötigt wird.
Um das gesamte Szenario vom Endverbraucher bis hin zur Erzeugung betrachten zu können, startete 2022 das von der N-Bank geförderte Forschungsprojekt „H2-FEE Flexible Energieträger für die Energiewende: Open WebGIS zur digitalen Analyse von PtG-Potentialen an dezentralen Energiestandorten“, das sich das Bundesland Niedersachsen als Beispiel nimmt. Das Ziel von H2-FEE ist es, eine transparente Plattform zur Identifikation von günstigen und naturverträglichen Standorten für die H2-Produktion auf Basis von EE-Anlagen (Onshore-Windenergie sowie Photovoltaik), insbesondere in Regionen mit hoher Bioenergiedichte, zu entwickeln.
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Dabei werden konkrete PtG-Anwendungsfälle für den ländlichen Raum beleuchtet. Diese Anwendungsfälle sind bspw. die Steigerung des Autarkiegrades von Bürogebäuden, Industriebetrieben oder ländlichen Betrieben unter Nutzung eines saisonalen H2-Speichers oder die Optimierung von Windparks durch Nutzbarmachung abgeregelter elektrischer Energie, um somit vorhandene elektrische Energie in Form von grünen Energieträgern speichern zu können.
Die Grundlage für die Entwicklung dieser Anwendungsfälle bildet dabei die Wirtschaftlichkeit. In diesem Zusammenhang beschäftigten sich die AutorInnen mit der Analyse von Studien zu Stromgestehungskosten von Wasserstoff (levelized cost of hydrogen – LCOH) und deren zukünftiger Entwicklung.
Prognoseungenauigkeit der LCOH
Im Rahmen dieser Betrachtung wurden zwölf Studien (publiziert zwischen 2010 und 2021) zum Thema LCOH von grünem H2 analysiert. Die prognostizierten LCOH fallen in den verschiedenen Studien sehr unterschiedlich aus, da die Berechnungsgrundlagen jeweils unterschiedlich sind.
Einige Studien, wie zum Beispiel die „Wasserstoff-Farbenlehre“ des Instituts für Klimaschutz, Energie und Mobilität, geben einen Überblick über sämtliche H2-Herstellungsverfahren und liefern lediglich einen Durchschnittspreis pro Herstellungsprinzip. [1] Andere Studien betrachten nur ein bestimmtes Element in der Power-to-Gas-Wertschöpfungskette, wie den Transport oder die Elektrolyse, anhand eines konkreten Beispiels. [2] [3] In der Veröffentlichung „Systemvergleich speicherbarer Energieträger aus erneuerbaren Energien“ fließen beispielsweise sämtliche Einflussfaktoren wie etwa Wasserkosten, verschiedene Elektrolysetechnologien etc. mit in die Berechnungen ein. [4]
In den betrachteten Studien wurden LCOH für die Jahre 2014, 2015, 2020, 2021, 2030 und 2050 angegeben. Für die Jahre 2014, 2020, 2021 und 2030 geben die betrachteten Studien lediglich Durchschnittspreise an, ohne die Elektrolysetechnologie oder andere Rahmenbedingungen weiter zu spezifizieren. Da für die Jahre 2015 und das Jahr 2050 die meisten Werte (2015: 36, 2050: 47) mit vergleichbaren Rahmenbedingungen zur Verfügung stehen, werden diese im Weiteren beispielhaft genauer analysiert und verglichen.
Vergleich der Elektrolysearten
In den Studien werden verschiedene Elektrolyseverfahren betrachtet: Das Elektrolyseprinzip der Protonenaustauschmembran (Proton Exchange Membrane – PEM), die alkalische Elektrolyse (AEL) sowie die Hochtemperaturelektrolyse (HTEL). Diese verschiedenen Elektrolyseverfahren befinden sich jeweils in einem unterschiedlichen Entwicklungsstadium.
Die AEL ist das älteste der betrachteten Verfahren und seit mehreren Jahrzehnten im Einsatz. Die AEL weist somit unter den betrachteten Verfahren den höchsten Entwicklungsstand und die geringsten Kosten auf. [5] [6]
Die PEM-Elektrolyse existiert seit 25 Jahren. Ein Vorteil bei der PEM-Elektrolyse ist der größere Teillastbereich. Die fluktuierende Einspeisung von erneuerbaren Energien in den Elektrolyseur kann durch diese Technologie gut gehandhabt werden. [5]
Die HTEL befindet noch in der Phase der Laborerprobung, was die Kosten von 24,41 €/kg im Jahr 2015 erklärt. Zudem ist aufgrund des frühen Entwicklungsstadiums eine Vorhersage der Kosten mit großen Unsicherheiten verbunden. Für 2050 werden für HTEL LCOH von etwa 6,60 €/kg angenommen. [6] Aufgrund der schwierigen Entwicklungsprognose sowie der dünnen Datenlage wird das HTEL-Prinzip im Folgenden nicht weiter betrachtet.
Tab. 1: Ausgangsszenarien, die den LCOH für das Jahr 2015 und 2050 zugrunde liegen
Beschreibung
Wert 2015
Wert 2050
Wasserbezugskosten
2,0 €/m3
3,4 €/m3
Volllaststunden Elektrolyseur
8.000 h/a
8.000 h/a
Stromgestehungskosten
3,84 – 16,91 ct/kWh
0,69 – 15,71 ct/kWh
Laufzeit Elektrolyseur
20 – 30 Jahre
30 Jahre
Herstellungsland erneuerbarer Energien
Deutschland, Island, Schweden, Saudi-Arabien, Marokko
Europa und Nordafrika, Deutschland, Island, Schweden, Saudi-Arabien, Marokko
Wirkungsgrad Elektrolyseur
67%
69 – 84 %
In den verschiedenen Studien werden in den Jahren 2015 und 2050 unterschiedliche Ausgangsparameter zugrunde gelegt. Es wird deutlich, dass es im Verlauf von 2015 bis 2050 einige Abweichungen der Ausgangsparameter gibt. So steigen die Wasserbezugskosten von 2,0 €/m3 im Jahr 2015 auf 3,4 €/m3 im Jahr 2050. Die Vollaststunden des Elektrolyseurs werden bei beiden Vergleichsjahren auf 8.000 Volllaststunden gesetzt. Die Stromgestehungskosten sinken von 3,84 bis 16,91 ct/kWh im Jahr 2015 auf 0,69 bis 15,71 ct/kWh im Jahr 2050.
Die breite Preisspanne bei den Stromgestehungskosten ergibt sich aus den unterschiedlichen Herstellungsorten und -technologien der grünen elektrischen Energie. Während in Nordeuropa grüne elektrische Energie vor allem aus Windenergie gewonnen wird, verlagert sich die Erzeugungstechnologie sukzessive hin zu Photovoltaik (PV), je weiter südlich das jeweilige Erzeugungsland liegt. So wird beispielsweise in den Herstellungsländern Marokko und Saudi-Arabien grüne elektrische Energie vor allem mittels Photovoltaik erzeugt. [7] Der Wirkungsgrad steigt von 67 Prozent im Jahr 2015 auf 69 bis 84 Prozent im Jahr 2050. Die Laufzeit der Elektrolyseure verlängert sich von 20 bis 30 Jahren in 2015 auf 30 Jahre in 2050.
Der Median liegt im Jahr 2015 für AEL bei 5,59 €/kgH2 und bei 5,28 €/kgH2 für PEM-Elektrolyse. Die Mittelwerte betragen für die AEL 5,29 €/kgH2 und für die PEM-Elektrolyse 5,28 €/kgH2. Die Streuung der LCOH ist bei der AEL größer als bei der PEM-Elektrolyse, da mehr Daten vorliegen. Die Standardabweichung von den Mittelwerten beträgt bei AEL 1,70 €/kgH2 und bei der PEM-Elektrolyse 0,02 €/kgH2. Dadurch existieren für die AEL einerseits LCOH, die deutlich über dem Niveau der PEM-Elektrolyse liegen, als auch solche, die deutlich darunter liegen. Ausschlaggebend hierfür sind in erster Linie die unterschiedlichen Stromgestehungskosten in den verschiedenen Erzeugungsländern.
Die Preisspanne für AEL reicht im Jahr 2015 von 2,47 bis 8,59 €/kgH2. Bei der PEM-Elektrolyse reicht sie lediglich von 5,25 bis 5,30 €/kgH2.
Im Vergleich zum Jahr 2015 ist für das Jahr 2050 eine generelle Abnahme der LCOH zu beobachten. Die Mediane sinken auf 4,18 €/kgH2 für AEL und auf 4,65 €/kgH2 für PEM-Elektrolyse. Die Mittelwerte betragen im Jahr 2050 4,14 €/kgH2 für die AEL und 4,01 €/kgH2 für die PEM-Elektrolyse. Da im Jahr 2050 im Gegensatz zu 2015 mehr Daten für die LCOH von PEM-Elektrolyseuren vorliegen, ist die Streuung ebenfalls größer. Auch bei den LCOH von AEL kommt es weiterhin zu einer Streuung. Die Abweichungen von den Mittelwerten betragen für AEL 1,62 €/kgH2 und für PEM-Elektrolyseure 0,94 €/kgH2.
Die prognostizierte Preisspanne für die LCOH liegt für das Jahr 2050 bei der AEL zwischen 1,26 und 5,53 €/kgH2, während bei der PEM-Elektrolyse LCOH von 2,87 bis 4,84 €/kgH2 prognostiziert werden.
Vergleich der LCOH 2015 und 2050
Tendenziell kann im zeitlichen Verlauf von den LCOH aus 2015 bis zu den prognostizierten Kosten im Jahr 2050 eine Verringerung der LCOH beobachtet werden. Eine Ursache für diese Entwicklung ist der Ausbau der erneuerbaren Energien, welcher niedrigere Gestehungskosten für grüne elektrische Energie zur Folge hat. [8] Zudem sorgen der Fortschritt sowie der Skaleneffekt in der Elektrolysetechnik für sinkende Investitionskosten bei Elektrolyseuren. [9]
Allerdings sind in den verschiedenen Beobachtungsjahren erhebliche Unterschiede in den LCOH zu erkennen. Der Grund hierfür lässt sich auf unterschiedliche Ursachen zurückführen.
Die Stromgestehungskosten haben einen signifikanten Anteil an den LCOH. Je nach Erzeugungsland kommt es hier zu erheblichen Unterschieden. Staaten wie zum Beispiel Marokko oder Saudi-Arabien bieten aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung günstigere elektrische Energie aus PV-Anlagen an als Deutschland. Dies schlägt sich in den LCOH nieder. Bei gleichem Elektrolyseverfahren (AEL) und gleicher Energiequelle (PV) betrugen im Jahr 2015 die LCOH in Deutschland durch PV 5,81 €/kg und 4,28 €/kg in Marokko. Obwohl die Kosten für H2 tendenziell sinken, wird auch für 2050 dieser Trend vorhergesagt, mit LCOH von 4,24 €/kg (PV aus Deutschland) beziehungsweise 3,43 €/kg (PV aus Marokko). Hierbei ist ein Transport nach Deutschland noch nicht mitberücksichtigt. [4]
Während die Erzeugungskosten für erneuerbare Energien sinken, steigen die Kosten für den Energietransport. Ursache hierfür ist der Umbau bzw. die Anpassung des Übertragungsnetzes an eine regenerative Erzeugungslandschaft, welche mit höheren Anforderungen an die Übertragungsnetze einhergeht und folglich zu höheren Übertragungskosten führt.
Laut einer Studie des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2020 steigen die Kosten für elektrische Energie (Drehstrom) von 2,4 ct/kWh auf 4,1 ct/kWh. Für Produktionsszenarien, bei denen H2 in Deutschland mittels importierter elektrischer Energie aus EE-Anlagen erzeugt wird, werden die Einsparungen in der Erzeugung von elektrischer Energie durch die Kostensteigerungen beim Transport der elektrischen Energie wieder kompensiert, so dass die Stromgestehungskosten annähernd gleich bleiben. [4]
Power-to-Gas Simulation
Wie bei der Analyse der LCOH in den verschiedenen Studien deutlich wird, liegen den LCOH oftmals verschiedene Rahmenbedingungen zugrunde. Aus diesem Grund ist für zukünftige PtG-Projekte eine individuelle Betrachtung elementar, um eine Vorhersage über die LCOH treffen zu können. Eine Simulation kann eine wertvolle Hilfe sein, um teure Fehlinvestitionen zu vermeiden. Mit Fehlinvestition ist zum Beispiel die Auswahl eines Elektrolyseurs mit zu hoher Nennleistung gemeint, welcher nicht ausreichend ausgelastet ist. Die Kombination niedrige Auslastung und hohe Investition treibt die LCOH in die Höhe.
Die PtG-Simulation der AutorInnen bietet eine ökologische, wirtschaftliche und energetische Analyse zur H2-Erzeugung in Kombination mit EE-Anlagen (Wind/PV/Wasserkraft/Biomasse). Die PtG-Simulation analysiert unter anderem LCOH, produzierte H2-Mengen, Nebenprodukte (wie bspw. Abwärme und Sauerstoff), benötigte Wassermenge und die Nennleistung sowie Auslastung des Elektrolyseurs. So können Elektrolyseurprojekte wirtschaftlich und ökologisch bewertet werden.
Aus zwei durch die AutorInnen simulierten Projekten aus dem Jahr 2022 ergeben sich LCOH von 4,22 €/kg und 9,38 €/kg. Dabei liegen unterschiedlich hohe Stromgestehungskosten von 3,8 ct/kWh und 7,33 ct/kWh zugrunde.
Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) nennt in einer Veröffentlichung durchschnittliche LCOH von grünem H2 für das Jahr 2022 von 6,18 €/kg bei Stromgestehungskosten von 16,18 ct/kWh. [10] Diese LCOH spiegeln auch den Mittelwert von 6,8 €/kg LCOH der PtG-Simulationen wider. In der PtG-Simulation wurden höhere Investitionskosten für den Elektrolyseur pro Kilowatt angenommen als bei der Durchschnittsberechnung vom EWI.
Was sind nun die Gründe für die unterschiedlich hohen LCOH?
Kostenreduktion durch PtG-Simulation
Im Rahmen verschiedener Simulationen wurde deutlich, dass eine Kombination von Wind- und PV-Parks eine höhere Auslastung des Elektrolyseurs erreicht. Es konnte weiterhin festgestellt werden, dass sich ein Unterschied zwischen Windparks in Küstennähe und Windparks im Binnenland in der Auslastung des Elektrolyseurs widerspiegelt.
Für diese Feststellung wurden Berechnungen für drei verschiedene Szenarien durchgeführt:
Kombinierter elektrischer Energiebezug aus Wind und PV mit 12 MW Nennleistung (Binnenland)
elektrischer Energiebezug eines küstennahen Windparks mit 12 MW Nennleistung
elektrischer Energiebezug eines Windparks im Binnenland mit 11,5 MW Nennleistung
In diesem Vergleich wurden dieselben Stromgestehungskosten, Wasserbezugskosten, Investitionskosten des Elektrolyseurs sowie dieselbe Betriebsdauer in Jahren des Elektrolyseurs zugrunde gelegt. Lediglich die Anlagentypen unterscheiden sich voneinander und weisen somit auch unterschiedliche Leistungskennlinien auf. Zudem basieren die Simulationen jeweils auf verschiedenen Windjahren.
Basierend auf diesen Rahmenbedingungen wurde eine PtG-Simulation ausschließlich für PEM-Elektrolyseure durchgeführt (s. Abb. 4).
Bei allen Szenarien ist ein Rückgang der Auslastung bei steigender Elektrolyseurgröße erkennbar. Bei der kleinsten betrachteten Elektrolyseurgröße von 250 kW liegen die Auslastungen bei 91 bis 93 Prozent für reinen WEA-Energiebezug und 95 Prozent für kombinierten Energiebezug aus Wind und PV. Als maximale Elektrolyseurgröße werden 12 MW betrachtet, da dieser der Maximalleistung der betrachteten Energiequellen entspricht. Hier ergeben sich Auslastungen von 17 bis 18 Prozent für reinen WEA-Energiebezug und 33 Prozent für den kombinierten Energiebezug.
Zudem wird ersichtlich, dass die Auslastungskurve für den Bezug der elektrischen Energie aus Wind und PV durchgehend über den Auslastungskurven für reinen WEA-Energiebezug liegt. Die Auslastung ist im Fall eines Energiebezugs aus Wind und PV weniger stark und geht deutlich geradliniger zurück als in den anderen beiden Szenarien, wo eine deutliche Kurvenform zu erkennen ist. Das bedeutet, dass dem gleichen Elektrolyseur bei Bezug elektrischer Energie rein aus Wind weniger Energie zur Verfügung steht und die Auslastung dementsprechend zurückgeht.
Durch die Nutzung verschiedener regenerativer Energiequellen in Kombination sind diese in der Lage, die natürlichen Schwankungen der Einspeiseprofile der jeweils anderen Energiequelle auszugleichen. Die Kombination verschiedener Energiequellen wie Wind und PV sorgt somit für eine höhere Auslastung des Elektrolyseurs.
Abbildung 5 zeigt, dass bei kombinierter Nutzung von Wind und PV die LCOH durchgehend unter denen einer ausschließlichen Windenergieeinspeisung liegen, da die Auslastung durchgehend höher ist, der jeweilige Elektrolyseur also eher sein ganzes Potential nutzen kann. Die Preise liegen in diesem Fall zwischen rund 4,99 €/kg bis 7,46 €/kg.
Erkennbar ist, dass die LCOH beispielsweise bei Nennleistungen von etwa 2.200 kW auf 2.500 kW leicht sinken. Grund hierfür ist der Systemverbrauch der betrachteten Elektrolyseure. Dieser gibt an, wie viel Kilowattstunden an elektrischer Energie für die Produktion von 1 Normkubikmeter H2 benötigt werden. Hat nun der nächstgrößere Elektrolyseur einen geringeren Systemverbrauch, so kann mit der gleichen Energiemenge mehr H2 produziert werden, und die LCOH sinken trotz geringerer Auslastung.
In diesem konkreten Fall hat ein Elektrolyseur mit einer Leistung von 2.210 kW einen Systemverbrauch von 5,3 kWh/Nm³ H2, während der nächstgrößere Elektrolyseur eine Leistung von 2.500 kW bei 5 kWh/Nm³ H2 hat. Der verringerte Systemverbrauch hat hier den größeren Einfluss auf die LCOH als die verringerte Auslastung durch die zusätzlichen 290 kW an Leistung. Die passende Auswahl des Elektrolyseurs führt somit zu einer signifikanten Einsparung bei den LCOH.
Obwohl die betrachteten Szenarien ähnliche Rahmenbedingungen vorweisen, unterscheiden sich die berechneten LCOH erheblich voneinander. Bei ein und derselben Anlage stehen Auslastung und LCOH in indirekter Proportionalität zueinander. Sobald allerdings verschiedene Anlagen miteinander verglichen werden, ist eine unterschiedliche Preisentwicklung zu beobachten. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer projektspezifischen Betrachtung.
Zusammenfassung
Aufgrund der unterschiedlichen Faktoren, welche die LCOH beeinflussen, kann keine allgemeingültige Aussage zur Entwicklung der H2-Preise getroffen werden. So stehen Preise aus dem Jahr 2015 in Höhe von 5,25 bis 5,30 €/kg Preisen aus den Analysen aus dem Jahr 2022 von 4,22 €/kg und 9,38 €/kg sowie den vom EWI berechneten durchschnittlichen LCOH von 6,18 EUR/kg gegenüber.
Bei der Analyse von Studien zu LCOH wurde festgestellt, dass es eine Vielzahl von Faktoren gibt, welche die LCOH beeinflussen. Wichtige Faktoren sind:
Elektrolyseurprinzip und Wirkungsgrad (bzw. Systemverbrauch)
Stromgestehungskosten
Auslastung des Elektrolyseurs
Investitionskosten des Elektrolyseurs
Herstellungsland erneuerbarer Energien
Berücksichtigung von Transportkosten
Die Kombination von Wind und PV führt zu einer höheren Auslastung des Elektrolyseurs. Einen weiteren Einfluss auf die LCOH haben unterschiedliche WEA-Anlagentypen und WEA-Standorte.
Bei der Annahme von Trends, wie beispielsweise der allgemeinen Reduzierung der LCOH bis 2050 aufgrund von sinkenden Stromgestehungskosten sowie sinkenden Investitionskosten bei Elektrolyseuren, sind sich die betrachteten Studien einig.
Eine detaillierte PtG-Simulation kann bereits in der frühen Projektplanungsphase Optimierungspotentiale für die Umsetzung eines H2-Projektes aufzeigen und beispielsweise eine Überdimensionierung des Elektrolyseurs vermeiden und somit Investitionskosten sparen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich LCOH für spezifische Projekte nur vorhersagen lassen, wenn alle Parameter bekannt sind. Aus diesem Grund ist es nicht praktikabel, allgemeine Schlüsse für die Wirtschaftlichkeit von speziellen PtG-Projekten basierend auf prognostizierten Preisentwicklungen verschiedener Studien zu ziehen.
Literatur
[1] P. Horng, M. Kalis, u.a., IEKM, Dezember 2020. www.ikem.de/wp-content/uploads/2021/01/IKEM_Kurzstudie_Wasserstoff_Farbenlehre.pdf
[2] P. Wienert, P. Stöver, u.a., Production and transportation costs for green hydrogen from an offshore wind farm to an industrial end-user onshore, www.umlaut.com/uploads/documents/210812_Whitepaper_umlautKongstein_Hydrogen-ProductionTransportation.pdf
[3] DLR; LBST; u.a., Studie über die Planung einer Demonstrationsanlage zur Wasserstoff-Kraftstoffgewinnung durch Elektrolyse mit Zwischenspeicherung in Salzkavernen unter Druck, Stuttgart, 2014
[4] A. Liebich, T. Fröhlich, u.a., Systemvergleich speicherbarer Energieträger aus erneuerbaren Energien, Umweltbundesamt, www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_2020_68_systemvergleich_speicherbarer_energietraeger_aus_erneuerbaren_energien.pdf
[5] B. Pitschak, J. Mergel, u.a., Elektrolyse-Verfahren,“ in Wasserstoff und Brennstoffzelle, Berlin, Heidelberg, Springer Vieweg, 2017, S. 207-227
[6] A. Liebich, T. Fröhlich, u.a., Umweltbundesamt, www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_2020_68_anhang_detailanalysen_zum_systemvergleich_speicherbarer_energietraeger_aus_erneuerbaren_energien.pdf
[7] Agora Energiewende and AFRY Management Connsulting, No-regret hydrogen: charting early steps for H₂ infrastructure in Europe, https://static.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2021/2021_02_EU_H2Grid/A-EW_203_No-regret-hydrogen_WEB.pdf
[8] W. E. Council, Working Paper Hydrogen Demand and Cost Dynamics, World Energy Council, 2021
[9] Reiner Lemoine Institut, Netzdienliche Wasserstofferzeugung – Studie zum Nutzen kleiner, dezentraler Elektrolyseure, 2022
[10] E. I. a. d. U. z. K. g. EWI, E.ON, www.eon.com/de/wasserstoff/h2-bilanz/kosten.html