Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Jösting

28. Februar 2023

Titelbild: Michael Lohscheller während der IAA Transportation 2022

Bildquelle: Eigenes Foto

Könnte Nikola ein zweiter Tesla werden – nur mit Lkw?

Wir haben es aktuell mit sehr schwachen Börsenkursen zu tun. Dies ist die Folge von enttäuschenden Umsatzzahlen im vierten Quartal 2022. Wird Nikola am Ende des Tages trotzdem noch zu einer Erfolgsstory? Mal schauen, was dafür, was aber auch dagegen spricht …

Am 23. Februar 2023 wurden die Zahlen für das vierte Quartal 2022 und damit das Gesamtjahr 2022 veröffentlicht: Der Umsatz erreichte in 4/2022 nur 6,5 Mio. US-$, (Erwartung: 32 Mio. US-$). Der Jahresverlust 2022 betrug 784,2 Mio. US-$ (darin enthalten sind 255,4 Mio. US-$ stock-based compensation).

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Die Erklärung für den geringen Umsatz in diesem Quartal 2022 ist, Nikola nur 20 batterieelektrische Lkw ausgeliefert hat. Der Großteil der produzierten Fahrzeuge wurde als Inventory zurückgehalten – aus gutem Grund: Die Tre BEV wurden so optimiert, dass die Kosten um über 100.000 US-$ pro Truck gesenkt werden konnten. Eine gewaltige Einsparung, wenn man bedenkt, dass ein solcher Truck gut 380.000 US-$ in der Anfangsversion kostet, wobei Förderbeträge bis zu 190.000 US-$ pro Fahrzeug möglich sind.

Der Einsparungserfolg beruht auf einer Kombination der Optimierung beim Energiemanagement, der Software, den Batterien, beim Materialeinsatz und dem geringeren Personaleinsatz durch Automatisierung. So gesehen ist weniger Umsatz auch weniger Verlust und für die Käufer der BEV ein günstigerer Kaufpreis. Fest steht, dass hier erst mit der Skalierung Geld verdient wird. Viel wichtiger indes ist der Ausblick, da im zweiten Halbjahr die Tre FCEV (H2-Trucks) auf den Markt kommen.

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Die für die Finanzierung des Unternehmensaufbaus sehr wichtige Liquiditätssituation stellt sich wie folgt dar: Neben 323 Mio. US-$ Bargeld (frei verfügbar und restricted) stehen am Jahresende 2022 weitere Mittel zur Verfügung: 232,2 Mio. US-$ aus dem laufenden ATM-Programm, weitere 75 Mio. US-$ aus einer Wandelanleihe, 312,5 Mio. US-$ aus der auf Aktien basierenden Kreditlinie des VC Tummin, so dass insgesamt 942,7 Mio. US-$ an liquiden Mitteln für 2023 zur Verfügung stehen und ausreichend sind, um das Jahr durchfinanzieren zu können (Selbstauskunft des Unternehmens). Zudem werden Vorschusszahlungen bei zu liefernden Tre FCEV und den BEV erwartet.

Für 2023 wird ein Jahresumsatz von 140 bis 200 Mio. US-$ angepeilt. Der beim DOE angefragte Kredit im Rahmen des IRA in Höhe von 1,3 Mrd. US-$ würde – im Fall der Genehmigung – die Liquidität gravierend verbessern und – so meine Interpretation – den Druck beseitigen, überhaupt via ATM-Programm Aktien über die Börse zu platzieren.

Für das Gesamtjahr 2023 wird nun die Auslieferung von 250 bis 350 Tre BEV und 125 bis 150 Tre FCEV erwartet, was einem Jahresumsatz von 140 bis 200 Mio. US-$ entspricht. 2024 könnte der Umsatz bereits die Marke von 1 Mrd. US-$ überschreiten, da die Nachfrage nach emisisonsfreien Fahrzeugen ansteigt und Nikola die Früchte einer automatisierten Produktionslinie allmählich ernten kann.

Nikola peilt 1,7 Prozent Marktanteil in den USA 2026 an

Der Lkw-Bauer erwartet, insgesamt 1,7 Prozent aller Class-8-Trucks in den USA zu verkaufen. Laut ACT Research werden 2026 ungefähr 360.000 LKW dieser Klasse in den USA nachgefragt. Das bedeutet: 1.000 bis 1.250 BEV und 5.000 bis 6.000 FCEV. Damit würde Nikola dann Umsätze in Milliardenhöhe erzielen. Der Umsatz mit Wasserstoff soll 2026 immerhin 450 bis 500 Mio. US-$ erreichen. Ab 2025 plant das Unternehmen, nachhaltig steigend Gewinn zu erzielen.

Analyst-Day am 25. Januar 2023

Am 25. Januar dieses Jahres fand der Analyst-Day in der Firmenzentrale in Phoenix statt und war – so meine Wahrnehmung – ein großer Erfolg für Nikola. Via Streaming konnte ich mir einen Eindruck verschaffen, wie sich über 300 Vertreter von Logistikunternehmen, Zulieferern, Energieunternehmen sowie aus der Politik und den Medien sich ein Stelldichein gaben, um über die Pläne von Nikola direkt vor Ort informiert zu werden.

HYLA soll die neue Kernmarke von Nikola für Wasserstoff werden. Dieser Name ist eine Kombination der ersten Buchstaben vom englischen Wort für Wasserstoff (Hydrogen) sowie der Endsilbe von Nikola. CEO und Präsident Michael Lohscheller erklärte: „Nikola ist das einzige Unternehmen, dem es gelingt, ein revolutionäres neues Produkt, den Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw, und die gesamte Lieferkette für die H2-Energieinfrastruktur unter einem Dach zu vereinen.“

Um dem Henne-Ei-Problem zu begegnen, produziert Nikola selbst Wasserstoff – auch mit Partnern – und baut die notwendige Infrastruktur auf. Bis 2026 sollen mindestens 60 firmeneigene Wasserstofftankstellen etabliert sein. Zudem hat Nikola eine mobile Wasserstofftankstelle konzipiert, die 960 kgH2 verfügbar hält. Die Tankzeit pro Lkw beträgt unter 20 Minuten.

Nikola will mittel- bis langfristig vor allem an dem Consumable Wasserstoff Geld verdienen und dies mit steigender Menge und Ertragspotential. Der Inflation Reduction Act (IRA) der Regierung Biden bildet dafür den Turbo, da grüner Wasserstoff mit 3 US-$ pro kg subventioniert wird. Vielleicht kommt ein ähnliches Programm auch in Europa, wo Nikola zusammen mit Partner Iveco E.ON mit ins Boot geholt hat, um Wasserstoff für die Betankung der Lkw bereitzustellen.

Seit Februar beim CRAB-Programm „gelisted“

Die wasserstoffbetriebenen Lkw von Nikola sind für die Förderung des CARB (California Air Resources Board) im Rahmen des Programms HVIP (Hybrid and Zero-Emission Truck and Bus Voucher Incentive Project) zugelassen worden. Daraus ergibt sich eine finanzielle Förderung von 240.000 US-$ bis zu 288.000 US-$ pro Fahrzeug in diesem wirtschaftsstärksten US-Bundesstaat der USA.

Die US-Regierung gibt zudem via IRA weitere 40.000 US-$ pro Lkw dazu. (für batterieelektrische Modelle liegt die Förderung via CARB bei 120.000 bis 150.000 US-$ pro Stück plus 40.000 US-$ via IRA). Parallel hat das IRA noch weitere Förderungen vorgesehen, die sich auf die Produktion von Wasserstoff ebenso beziehen wie auf die Produktionsanlagen der Lkw (batterieelektrisch und Wasserstoff).

Via HYLA hat sich Nikola bereits perspektivisch eine Tageskapazität von 300 metrischen Tonnen Wasserstoff pro Tag (TPD = tons per day) geschaffen. Nikola positioniert sich über verschiedene Wege und Produktionsarten und stellt H2-Liefersicherheit her, ohne von einem einzigen Zulieferer abhängig zu sein. Ohne den Wasserstoff als Consumable lassen sich die BZ-Trucks nicht verkaufen – das Henne-Ei-Problem ist gelöst.

Partnerschaft mit Fortesuce Future Industries

Auch mit Fortescue Future Industries (FFI), dem Unternehmen des australischen Milliardärs Forest, arbeitet Nikola zukünftig bei der Wasserstoffproduktion zusammen. Beide Unternehmen planen eine Kooperation bei Wasserstoffprojekten. Konkret geht es um Buckeye/Phoenix, wo eine eigene Wasserstoffproduktion geplant ist. Hier ist es sogar denkbar, dass sich FFI mit 51Prozent (Nikola 49 Prozent) beteiligt, während sich Nikola das Recht ausbedingt, über den Wasserstoff voll verfügen zu können. Nikola hat bereits via Grundstückskauf über 16 Mio. US-$ investiert.

DOE-Kredit über 1,3 Mrd. US-$ könnte Gamechanger werden

Dieser Kredit im Rahmen des IRA wäre perfekt für Nikola. Das Unternehmen ist geradezu prädestiniert, diese Mittel zu erhalten, um in die Wasserstoffinfrastruktur und Herstellung zu investieren. Ob es im Endeffekt 1,3 Mrd. US-$ sein werden, nur ein Teil davon oder das Ganze in Tranchen über mehrere Jahre ist nebensächlich. Wichtig ist der psychologische Effekt, denn wenn Nikola dieses Geld zur Verfügung steht, ist die Gesamtliquidität in einem gesunden Zustand. Die Bonität dieses Start-Ups erfährt dann eine spürbare Verbesserung. Die Refinanzierung des Kredites könnte peu a peu über die Jahre durch die Ausgabe von Aktien refinanziert werden, also aus Fremdkapital dann Eigenkapital wird. Aber das sind vorerst nur meine Erwartungen – ohne Obligo.

Perspektiven

Im zweiten Halbjahr wird der wasserstoffbetriebene Tre FCEV Class 8 auf den Markt kommen. Gamma-Exemplare für Testzwecke sind bereits bei Kunden im Testlauf. Seitens Nikola heißt es dazu: „Wir sind der Meinung, dass wir das einzige kommerzielle EV-Unternehmen sind, das eine integrierte Mobilitätslösung bestehend aus Lkw und Energie anbietet.” Nikola profitiert nicht nur vom Zuschuss für H2 in Höhe von 3 US-$ pro kg (IRA), sondern zusätzlich an einem weiteren Zuschuss in Höhe von 1 bis 2 US-$/kg in Kalifornien (LCFS). In wenigen Jahren will das Unternehmen 300 Tonnen/Tag produzieren und verkaufen = 400 bis 500 Mio. Jahresumsatz. Damit lassen sich 7.500 Lkw pro Tag betanken.

Mobile H2-Tankstellen können für zwei Drittel des Preises einer festen Tankstelle produziert werden und lassen erhöhte Flexibilität zu. Vier davon sind aktuell in der Abnahme. Die Integration von Romeo Power (Batterien) verläuft planmässig. Hier geht es um die Automatisierung der Batterieproduktion wie auch der Integration der BZ-Stacks (Bosch) in einer Produktionslinie für beide Lkw-Varianten mit erheblichem Kostensenkungspotential.

Mein Fazit

Die Aktie von Nikola Motors hat für mich das höchste Kurspotential der analysierten H2-Aktien. Es ist sicherlich das spekulativste Investment, da man das Unternehmen als Start-Up verstehen und einschätzen muss. Wenige gute Nachrichten können sofort zu größeren Ausschlägen nach oben führen, da der Kurs sehr stark von Shortsellern beeinflusst wird (circa 100 Mio. Aktien sind per 20. Febr. 2023 leer verkauft, entspricht über 25 Prozent des Free Floats).

Der Durchschnitt der Analysten sieht die Aktie im Jahresverlauf bei 8,20 US-$. So hat STA Research die Aktie gerade kürzlich auf „strong buy“ aufgewertet – mit erstem Kursziel von 5 US-$. Die durchschnittliche Erwartung von sechs Analysten sieht die Aktie bei 8,20 US-$ im Laufe der kommenden zwölf Monate. Ich teile diese Erwartung.

Das richtige Wachstum beginnt im zweiten Halbjahr dieses Jahres mit der Auslieferung des Tre FCEV (und dem Verkauf von Wasserstoff) und wird dann in den kommenden Jahren gewaltig ausfallen können. Nikola muss aber neue Liquidität beschaffen, was ich angesichts der Perspektiven und Partner für unproblematisch ansehe. Gerade schwache Kurse bleiben Kaufkurse. Es handelt sich aber zweifelsohne um ein hoch-spekulatives Investment. Sehen Sie sich selbst als Investor der ersten Stunde, der in ein Start-Up investiert. Bei Tesla waren die Anfangsjahre sehr schwierig, bis dann der Höhenflug einsetzte.

Nikola: Ein zweiter Tesla – für Lkw?

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

Autor: Sven Jösting, verfasst am 26. Februar 2023

Kategorien: 2023 | Aktien | Börse | Stock Market
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