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Beitrag von Sven Geitmann

16. Februar 2023

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Die grünste Industrieregion in Europa

Duisburg hat eine hervorragende verkehrstechnische Lage an Rhein und Ruhr. Mit dem größten Binnenhafen der Welt ist der Duisburger Hafen eine der weltweit bedeutendsten Logistikdrehscheiben. Dort beheimatet sind unter anderem die führenden Forschungseinrichtungen Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme sowie das Zentrum für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) GmbH. Gleichzeitig zählt die dortige Industrie zu den größten CO2-Emittenten der Stadt: Stahlerzeugung, Steinkohleverstromung, Binnenhafen. Allein ThyssenKrupp Steel in Duisburg ist für 2,5 % der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Eine hervorragende Ausgangsposition, um die ohnehin erforderlichen Transformationsprozesse im Bereich der Industrie und Mobilität hin zu einer Wasserstoffwirtschaft aktiv voranzutreiben und damit einen erneuten Strukturwandel in der Region mitzugestalten.

Duisburg liegt im Ruhrgebiet, das aus elf kreisfreien Städten und vier Kreisen besteht. In dieser neudeutsch als Metropole Ruhr bezeichneten Region leben 5,1 Mio. Einwohner – in Duisburg über 0,5 Mio. (Stand: 30.06.2020). Das Ruhrgebiet ist die größte polyzentrische Metropolregion sowie gleichzeitig einer der größten Ballungsräume und mit 31.000 Beschäftigten größter Stahlstandort in der Europäischen Union. Jede Kommune und jeder Kreis hat eigene Kompetenzfelder und wirtschaftliche Leitbranchen entwickelt. Duisburgs Spezialisierungen liegen beispielsweise in der Metallerzeugung- und -verarbeitung, Lagerei und Logistikdienstleistungen sowie der Energiebranche und Schifffahrt.

Grüne Transformation

Die Energiewende und das Auslaufen der Steinkohle stellen für alle Kommunen und Kreise im Ruhrgebiet eine Herausforderung dar. Der Strukturwandel zum Dienstleistungs- und Wissensstandort ist in vollem Gange. Im gesamten Ruhrgebiet finden verstärkte Aktivitäten in den Bereichen Digitalisierung, Energie, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft statt. Wie begegnet Duisburg diesem Klima- und Strukturwandel?

Bereits im Jahre 2001 wurde das Zentrum für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) GmbH gegründet. Es sollte ein Nukleus geschaffen werden, der die notwendige Transformation im Ruhrgebiet, insbesondere im Bereich der Brennstoffstoffzellen- und Wasserstofftechnologie, unterstützt. Das ZBT ist ein anwendungsorientiertes Forschungs- und Entwicklungsinstitut für Brennstoffzellen, Wasserstoff- und Batterietechnologie mit weltweiter Bekanntheit. Sein Fokus liegt auf den Bedarfen der Industrie als unabhängiger Dienstleister und F&E-Partner. Zurzeit arbeiten dort 150 Vollzeitbeschäftigte und rund 25 studentische Mitarbeiter.

Mit zahlreichen Projekten hatte das ZBT bereits früh die Möglichkeit, in der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik Erfahrungen zu sammeln und die Entwicklung mitzugestalten. Für den Massenmarkt wurden Prozesse kreiert und mit dem seinerzeit ersten unabhängigen Prüflabor für Brennstoffzellensysteme Standards gesetzt.

Mit dem im Jahre 2018 in Betrieb genommenen Wasserstofftestfeld am ZBT konnte eine in Europa einzigartige Forschungs- und Entwicklungsplattform für H2-Hochdruckanwendungen aufgebaut werden, die heute in unterschiedlichen europäischen Projekten die entscheidende Erprobungsplattform darstellt.

H2 im Stahlwerk

Durch das Pariser Klimaabkommen und die Umsetzung in nationale Vorgaben für Treibhausgasemissionen ist in der gesamten Europäischen Union Bewegung in die Wasserstoffthematik gekommen. In diesem Rahmen hat sich Thyssenkrupp Steel in Duisburg entschieden, in klimafreundliche Technik zu investieren. Der Hochofenprozess des Unternehmens soll in den nächsten Jahren teilweise durch eine wasserstoffbetriebene Direktreduktionsanlage zur Roheisenherstellung ersetzt werden. Ziel ist die Produktion von CO2-armem Premiumstahl.

Die geplante Anlage ist für 2,5 Mio. Tonnen Roheisen ausgelegt und vermeidet damit 3,5 Mio. Tonnen CO2. Der CO2-Ausstoß wird damit im ersten Schritt um etwa 20 % gesenkt. Die Gesamtinvestition liegt bei 2 Mrd. Euro. Ein entsprechender IPCEI-Projektantrag wurde gestellt. Sobald dazu die Zusage der EU kommt, kann mit der Vergabe des Baus der Direktreduktionsanlage begonnen werden. Der Produktionsstart ist aktuell für 2026 vorgesehen.

Auch der Duisburger Hafen, der größte Binnenhafen der Welt, ist durch die internen Vorgaben dazu angehalten, seine Treibhausgasemissionen zu senken. Im Rahmen des Projektes enerPort I wird seit 2019 untersucht, welcher Ansatz gewählt werden soll, um den Transformationsprozess zu unterstützen. Am Beispiel des Duisburger Hafens wird ein Konzept erarbeitet, das auf der Datenerfassung, Konzeptauswahl, Bildung von Szenarien und letztlich der Energiestruktur- und Energiebetriebsoptimierung fußt. Dieses Projekt wird in Kürze abgeschlossen und mündete bereits 2021 in ein weiterführendes Projekt zur Umsetzung der Ergebnisse.

Mit dem Projekt enerPort II sollen die erarbeiteten Grundlagen in Form eines Pilotprojekts in den Bau eines trimodalen Duisburg Gateway Terminals (DGT) im Duisburger Hafen einfließen und getestet werden. Auf dem Terminal wird dann ein nachhaltiges Energiesystem installiert, das als smartes Microgrid ausgeführt ist und erneuerbare Energien, Energiespeicher und Verbraucher koppelt und optimiert steuert und darüber hinaus angrenzende Quartiere und Anrainer versorgen kann.

Derartige Aktivitäten bringen auch internationale Firmen dazu, sich in Duisburg anzusiedeln. Zuletzt hat der US-Brennstoffzellenhersteller Plug Power Inc. sein Service- und Logistikzentrum für Europa im Duisburger Hafen eröffnet (s. HZwei-Heft Apr. 2022).

TrHy – The Hydrogen Proving Area

Das TrHy als „Standort West“ ist einer von vier Gewinnern des nationalen Standortwettbewerbs für das Technologie- und Innovationszentrum Wasserstoff (ITZ) in Deutschland. Mit dem TrHy auf dem Gelände der HKM (Hüttenwerke Krupp Mannesmann) im Duisburger Süden soll das ganze Spektrum von Innovationsentwicklung, Wissensvermittlung, Standardisierung, Zertifizierung und Prüfung brennstoffzellenbasierter Antriebssysteme für den Heavy-Duty-Bereich abgedeckt werden. Damit steht in Duisburg ein nationales Zentrum für die wasserstoffbasierte Mobilität über verschiedene Verkehrsträger hinweg zur Verfügung.

Geplant ist, die Aktivitäten im Bereich der Standardisierung zu koordinieren und als unabhängiges Prüfinstitut den Marktpartnern zur Verfügung zu stehen. Hier stellen das Land NRW und das Bundesverkehrsministerium eine Förderung von bis zu 122 Mio. Euro in Aussicht. Die Untersuchung der Machbarkeit eines solchen Institutes wurde durchgeführt und bestätigt. Eine breite Unterstützung der Industrie konnte bereits im Vorfeld dokumentiert und gesichert werden. Durch die aufzubauenden Labor- und Prüfmöglichkeiten könnte damit eine wesentliche Lücke im erfolgreichen Aufbau einer wasserstoffbasierten Mobilität geschlossen werden. Für die Forschung und Entwicklung steht ein großes Netzwerk an Partnern in ganz NRW als Satelliten des TrHy zur Verfügung.

H2-Gewerbepark

Auch die Stadt Duisburg selbst muss aufgrund der gesetzlichen Vorgaben aktiv werden und den entsprechenden Vorgaben zur Treibhausgasreduzierung folgen. In den nächsten Jahren investiert sie massiv in den Ausbau klimafreundlicher Mobilität. Die europäischen Vorgaben der Clean-Vehicle-Directive (CVD) wurden 2021 vom deutschen Gesetzgeber verbindlich mit dem Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz (SaubFahrzeugBeschG) in deutsches Recht umgesetzt. Daraufhin hat die Duisburger Verkehrsgesellschaft AG (DVG) sieben Batteriebusse angeschafft, die seit März 2022 im Duisburger Stadtgebiet im Einsatz sind. Im Mai 2022 beschloss der Rat der Stadt, zehn H2-betriebene Linienbusse bis 2026 zu beschaffen. Ende November wurde die Anschaffung weiterer 100 Exemplare bis 2030 beschlossen.

Auch die Wirtschaftsbetriebe Duisburg (WBD) setzen auf das Thema Brennstoffzellenantrieb: 2021 wurde das bundesweit erste wasserstoffbetriebene Abfallsammelfahrzeug in Betrieb genommen – im Oktober 2022 ein weiteres – fünf Stück müssen noch ausgeliefert werden.

Damit ist Duisburg auf einem sehr guten Weg, die Bezeichnung „Wasserstoffhauptstadt“ für sich zu beanspruchen, denn derzeit ist der H2-Bedarf in Duisburg und in NRW am größten. Die Stahlindustrie und die Logistik setzen bei der Treibhausgasreduktion auf Wasserstoff und schaffen somit die idealen Voraussetzungen für den Aufbau einer nachhaltigen H2-Wirtschaft. Einen Einblick in die Wasserstoffaktivitäten im Duisburger Stadtgebiet bietet die nachfolgende Karte.

Kooperationen und Netzwerke

Den Beteiligten ist klar, dass der Markhochlauf der Wasserstoffwirtschaft nur gemeinsam erfolgen kann. Der Duisburger Hafen (DuisPort) kooperiert mit niederländischen Seehäfen, um das Potenzial verschiedener H2-Trägertechnologien zu untersuchen und um eine internationale Lieferkette für Wasserstoff aufzubauen. Zudem ist mit RH2INE (Rhine Hydrogen Integration Network of Excellence) eine Initiative der niederländischen Provinz Zuid-Holland und des Landes NRW im Zusammenwirken mit den Häfen Rotterdam und Duisburg sowie dem Unternehmen RheinCargo gegründet worden, deren Ziel es ist, einen klimaneutralen Transportkorridor Rhein-Alpen zu schaffen und den Einsatz von Wasserstoff im Güterverkehr voranzutreiben.

Darüber hinaus ist die Region DüsselRheinWupper mit Duisburg als Teil eines Konsortiums bereits im Jahr 2020 zum Sieger des Wettbewerbs Modellregion Wasserstoffmobilität NRW gekürt worden. Hier wurden erste Konzepte für eine vollständige wasserstoffbasierte Mobilität in der Region erarbeitet und die Grundlagen für eine Umsetzung in Duisburg geschaffen.

Duisburg beteiligt sich auch aktiv am Projekt HyMR (Hydrogen Metropole Ruhr) des Regionalverbandes Ruhr. In diesem Netzwerk tauschen sich die unterschiedlichen regionalen Initiativen untereinander aus, um gemeinsam die Region durch Synergieeffekte im Bereich Wasserstoff nach vorne zu bringen.

Mit dem Verein Hy.Region.Rhein.Ruhr, der 2021 in Duisburg gegründet wurde und in dem inzwischen 40 Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen aktiv sind, steht ein starkes Netzwerk aus industriellen Partnern im Bereich der Wasserstofferzeugung, -verteilung und -nutzung im industriellen und Mobilitätsbereich zur Verfügung. Der Vereinszweck von Hy.Region.Rhein.Ruhr ist die Förderung der Implementierung einer sektorenübergreifenden Wasserstoffwirtschaft. Hierzu wollen die Mitglieder aktiv in der Region zusammenarbeiten und Projekte durchführen.

H2-Bildungszentrum

Der grüne Wandel funktioniert jedoch nur, wenn er mit einer sozialen Transformation einhergeht. Arbeitnehmer, die von der Transformation betroffen sind, brauchen passgenaue Angebote an Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen – das reicht vom Handwerk über das technische Gewerbe bis hin zu einem starken akademischen Umfeld in den entsprechenden Schlüsseltechnologien. Solche Maßnahmen eröffnen Beschäftigten eine Perspektive, nicht nur für sich selbst, sondern für ein gesundes soziales und gesellschaftliches Gesamtgefüge.

Dies kann aber nicht von den Unternehmen allein gestemmt werden. So plant die Stadt Duisburg zusammen mit starken Partnern aus der Region den Bau eines H2-Bildungszentrums, um ein breites Angebot an Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen für die Region und deren Unternehmen anbieten zu können. Durch die Unterzeichnung eines Letter of Intent zwischen der Stadt Duisburg, DuisPort, der KWS Energy Knowledge eG und dem ZBT wurde bereits beschlossen, dass gemeinsam ein Bildungszentrum für Wasserstoff am Standort Duisburg aufgebaut und etabliert werden soll. Die entsprechenden Projektanträge zur systematischen Analyse des Qualifizierungsbedarfs der unterschiedlichen Berufsgruppen und der daraus entstehenden notwendigen Inhalte für eine anerkennungsfähige Qualifizierung sind bereits vorbereitet und werden mit Unterstützung der unterschiedlichen Industriepartner angestoßen.

Autoren:
Matthias Heina
Wasserstoff-Koordinator der Stadt Duisburg

Joachim Jungsbluth
ZBT, Duisburg
j.jungsbluth@zbt.de

Kategorien: 2023 | Allgemein
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