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Beitrag von Sven Geitmann

31. Januar 2023

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Wettbewerb zwischen den USA und Deutschland

Wo etabliert sich zuerst eine Wasserstoffwirtschaft? Diese Frage treibt derzeit nicht nur die deutsche Energiebranche um. Nachdem in den USA eine neue Gesetzgebung, der Inflation Reduction Act, sehr attraktive Rahmenbedingungen für den Aufbau einer H2-Industrie geschaffen hat, läuft Deutschland wieder mal Gefahr, auf der Strecke zu bleiben. Die hiesige Wirtschaft spricht sich deswegen gemeinsam mit Verbänden für ein schnelles politisches Handeln aus.

Die Herausforderung ist gewaltig, denn sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene wurden die Zielvorgaben für den Aufbau zukünftiger Elektrolyseurkapazitäten erhöht: Ursprünglich hieß es, in Europa sollten bis 2030 40 GW aufgebaut werden. Seit Mai 2022 lautet das Ziel, die Produktionskapazitäten für Elektrolyseure bis 2025 zu verzehnfachen. In Deutschland sollen nun 10 GW statt nur 5 GW bis 2030 installiert werden. Um allerdings diese Werte auch nur annähernd zu erreichen (derzeit sind in der EU 3 GW installiert), fehlen konkrete Maßnahmen, die es ermöglichen, die erforderliche Hochskalierung zu fördern und Anreize für die Investition in eine Wasserstoffwirtschaft zu schaffen.

Eine Forderung des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbands e.V., die der Vorstandsvorsitzende Werner Diwald derzeit auf jeder Veranstaltung wiederholt, ist die zeitnahe Umsetzung der 37. BImSchV (37. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes). Der DWV weist seit Monaten darauf hin, dass Industrien global agieren und vornehmlich dort investieren, wo es die besten Rahmenbedingungen gibt. Solange aber hierzulande weiterhin Unklarheit herrsche (s. RED II, 37. BImSchV), fehle der Wirtschaft die erforderliche Planungssicherheit für Investitionsentscheidungen, so Diwald.

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Auch Andreas Rimkus, Beauftragter für Wasserstoff der SPD-Bundestagsfraktion, fordert immer wieder unisono mit dem DWV Bundesumweltministerin Steffi Lemke auf: „Bitte geben Sie die 37. BIMschGV frei!“

„Alles spricht dafür, möglichst rasch den rechtlichen Rahmen für den Einsatz von grünem Wasserstoff in Raffinerien zu schaffen. Doch das Bundesumweltministerium vermeidet es seit Jahren, den entscheidenden Schritt zu tun.“

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Werner Diwald, DWV-Vorstandsvorsitzender

Sehr viel mehr Planungssicherheit gibt es mittlerweile in den USA, seit die Biden-Regierung den Inflation Reduction Act ausgerufen hat. Seitdem denken immer mehr europäische Elektrolyseurhersteller laut darüber nach, dort ihre Produktionskapazitäten aufzubauen, also nicht in Deutschland zu investieren. Diwald warnt vor diesem Hintergrund davor, dass bereits in wenigen Wochen Fakten geschaffen werden könnten, so dass dann in Europa Kapazitäten für den Aufbau einer H2-Wirtschaft fehlen würden, weil die Auftragsbücher der Hersteller bereits mit US-amerikanischen Bestellungen gefüllt sein könnten.

Der US-amerikanische Inflation Reduction Act basiert laut dem DWV-Chef auf dem deutschen EEG. Gemäß seinen Ausführungen haben sich die Verantwortlichen in den USA genauestens das Erneuerbare-Energien-Gesetz angeguckt und dessen Prinzip für Wasserstoff angepasst. Wie eine deutsche Antwort darauf aussehen könnte, ist derzeit noch offen. Dr. Ingrid Nestle, Leiterin der AG Klimaschutz und Energie in der Grünen-Bundestagsfraktion, erklärte, es dürfe jetzt kein Überbietungswettbewerb angefacht werden.

Überarbeitung der NWS

Die Wirtschaft hofft indessen auf die Überarbeitung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS). Wiederholt hieß es aus verschiedenen Bundesministerien, an einer Neuauflage werde gearbeitet. Ursprüngliches Ziel war, diese zweite Version noch vor der Weihnachtspause zu präsentieren, allerdings erscheint dies aus heutiger Sicht unwahrscheinlich, da insbesondere das Bundeswirtschaftsministerium derzeit an mehreren Fronten zu kämpfen hat.

Zur Betonung der Dringlichkeit der aktuellen Situation schickten 30 Unternehmen und Verbände der Energiewirtschaft am 10. November 2022 einen offenen Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. In diesem Schreiben, das der HZwei-Redaktion vorliegt, fordert der DWV im Namen aller Unterzeichner nicht nur einen zeitnahen Beschluss der 37. BImSchV, sondern generell mehr Planungssicherheit. Konkret erklärte Diwald: „Deutschland braucht eine sofortige Antwort auf den Inflation Reduction Act der USA, der den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft mit einer investitionssicheren Betriebsmittelförderung von über 50 Mrd. USD unterstützt. Ohne ein sofortiges aktives Handeln der Bundesregierung droht […] die Verlagerung der Wasserstoffindustrie in die USA.“

Taxonomie

Anfang 2022 hatte sich die Gasbranche noch gefreut, als in Brüssel – wohlgemerkt vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine – entschieden worden war, dass Erdgas und Atomenergie nachhaltig seien. Der DVGW-Vorstandsvorsitzende Prof. Gerald Linke sagte damals: „Die EU-Kommission beweist mit ihrem Vorschlag Rücksicht und Weitsicht zugleich: Investitionssicherheit schafft die Voraussetzung für die weiterhin zuverlässige und zugleich bezahlbare Versorgung von 450 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürgern mit Wärme, Strom und Kraftstoffen. […] Die Gasinfrastruktur in Deutschland ist Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende im Zusammenhang mit der unverzichtbaren Nutzung von Wasserstoff.“

Beschluss der AFIR

Währenddessen haben sich am 19. Oktober 2022 die Abgeordneten des Europäischen Parlaments bei der Abstimmung über die Alternative Fuels Infrastructure Regulation (AFIR – Verordnung für die Infrastruktur alternativer Kraftstoffe) immerhin für dieselben Ziele wie der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments ausgesprochen. Sie folgten damit den Empfehlungen des Berichterstatters Ismail Ertug und seiner Kollegen vom Ausschuss für Verkehr und Tourismus. Teil dieser Empfehlungen ist, dass zukünftig in Europa zwischen den einzelnen Wasserstofftankstellen maximal eine Entfernung von 100 km liegen darf.

Hydrogen Europe nannte diese Entscheidung „ein deutliches Signal, dass saubere Wasserstoffmobilität eine praktikable und realistische Lösung ist, um von fossilen Kraftstoffen im Verkehrssektor wegzukommen“. Nach Berechnung des europäischen Verbands könnten dadurch bis Ende 2027 bis zu 1.780 Wasserstofftankstellen in ganz Europa zur Verfügung stehen. Damit könnten bis zu 59.000 H2-Lkw versorgt werden, sechsmal mehr, als ursprünglich geplant waren. Die Hoffnung ist, dass der Bau von ausreichend Wasserstofftankstellen die Fahrzeughersteller dazu ermutigt, früher mehr Brennstoffzellenfahrzeuge auf den Markt zu bringen.

Auch mit dem Ergebnis der Abstimmung zu einem zweiten Rechtsakt (FuelEU Maritime) zeigte sich Jorgo Chatzimarkakis, CEO von Hydrogen Europe, zufrieden und erklärte: „Die heutige Abstimmung stellt eine starke Position des Parlaments dar, die über die Vorschläge der Kommission hinausgeht und ein positives Signal für die Einführung von Wasserstoff im Straßen- und Seeverkehr sendet.“

Transformation der Automobilwirtschaft

Ob und wie sehr das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz an einer im Vergleich zu früheren Zeiten anderen wirtschaftspolitischen Marschrichtung interessiert ist, kann zumindest teilweise an der Zusammensetzung eines neuen Expertenkreises abgelesen werden. Der 13-köpfige Arbeitskreis „Transformation der Automobilwirtschaft“, der Ende Juni 2022 ins Leben gerufen wurde, ist Teil der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Strategieplattform, die sich mit der Neuausrichtung der Automobil- und Mobilitätswirtschaft befasst. Unter den Mitgliedern, die von Bundesminister Robert Habeck für diese Legislaturperiode berufen wurden, befinden sich vergleichsweise wenig Vertreter:innen großer Automobilkonzerne (nur vom VDA und von VW Nutzfahrzeuge), dafür aber vier Hochschulprofessor:innen sowie zwei Vertreter:innen von Forschungsinstituten. Immerhin 30 Prozent der Mitglieder sind weiblich. Ziel dieses Expertenkreises ist, den Weg dafür zu ebnen, dass bis 2030 rund 15 Mio. vollelektrische Pkw auf der Straße fahren.

Autor: Sven Geitmann

Kategorien: 2023 | Allgemein
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