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Beitrag von Sven Geitmann

31. Januar 2023

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Wasserstoff als weltweite Handelsware

Wasserstoff wird eine Commodity – ein Handelsgut. Lange Zeit hat die H2-Branche darauf gewartet. Jahrzehnte sind vergangen, in denen – meist vergeblich – nach geeigneten Anwendungen für Brennstoffzellen gesucht wurde, bevor deutlich wurde, dass Wasserstoff das Potential hat, als Speicher für erneuerbare Energien die gesamte Energieversorgung umzukrempeln. Dies haben inzwischen nicht nur zahlreiche Politiker weltweit, sondern auch die Big Player der globalisierten Wirtschaft verstanden. Aber was bedeutet diese Erkenntnis für die Gesellschaft? Wird jetzt H2 die gesamten fossilen Energieträger vom Markt fegen und damit auch die Klimaerwärmung stoppen? Oder wird der weltweite Energiehunger weiter steigen und die Klimakatastrophe vielleicht sogar noch befeuert? Und welche Rolle spielen dabei die großen Konzerne, die bisher den Öl- sowie den Gasmarkt beherrscht haben und sich jetzt auf Wasserstoff stürzen?

Jahrelang war Wasserstoff ein Nischenthema. Seit 22 Jahren wird in der HZwei darüber berichtet. Alles ist gut nachlesbar im Online-Archiv gespeichert – wann warum welcher Hype entstand und welche Anwendungsfelder alle schon ausprobiert wurden. In der Vergangenheit waren zum Teil schon durchaus große Unternehmen involviert. Der Energiekonzern RWE verfügte vor 15 Jahren über eine eigene Brennstoffzellensparte, die deutschen Automobilsten entwickelten Generationen von Test- und Demonstrationsfahrzeugen, und Mineralölfirmen gründeten und eliminierten über die Dekaden hinweg ihre H2-Abteilungen.

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Wohlgemerkt waren all diese Aktivitäten – insbesondere die der Energie- und Fahrzeugkonzerne – stets begleitet von großen Marketing-Kampagnen. So gab es bereits ganzseitige Printanzeigen, in denen Autos zu sehen waren, bei denen Gartenschläuche im Tankstutzen steckten. Es wurden BZ-Autos werbewirksam einmal rund um den Globus gefahren und Hochgeschwindigkeitsrekorde mit H2-Verbrennungsmotoren aufgestellt.

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Heute ist es ein bisschen anders und doch ähnlich: Der Unterschied ist, dass wir nicht wieder nur über einen kurzen Hype reden – die weltweite Wasserstoffwirtschaft kommt, auch wenn noch nicht ganz klar ist, welche Energiesektoren am stärksten davon betroffen sein werden. Ganz ähnlich verhalten sich aber die Marketingabteilungen. Insbesondere große, weltweit agierende Unternehmen nutzen das Image vom grünen Wasserstoff, um ihre teilweise nicht ganz so saubere Weste leuchtend hell erstrahlen zu lassen.

So war es auch um 2008, als Elektromobilität ihren ersten Boom erfuhr und auf der IAA überall Marienkäfer und Aufkleber mit „0 g CO2“ auf den Fahrzeugen prangten. Dennoch ist damals jahrelang nichts passiert. Deswegen muss die Frage erlaubt sein, wie glaubwürdig die Ankündigungen von Mineralölkonzernen, Gasunternehmen und Automobilherstellern sind, wenn diese heute hochtrabend nachhaltig erzeugten Wasserstoff als „Kraftstoff der Zukunft“ bezeichnen, gleichzeitig aber ihre fossile Vergangenheit außen vor lassen.

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Natürlich findet die Energiewende nicht über Nacht statt. Selbstverständlich können wir nicht sofort Benzin und Diesel verbannen und nur noch solar erzeugtes H2-Gas verbrennen. Aber wie seriös ist es, wenn eine schwedische Firma schon heute mit grünem Stahl wirbt, obwohl der Anteil dieses in der Pilotanlage mithilfe von grünem Wasserstoff erzeugten Metalls nur im Promillebereich dessen liegt, was täglich dort produziert wird?

Ist es okay, wenn sich eine Mineralölfirma hierzulande als Vorreiter beim Aufbau von H2-Tankstellen darstellt, gleichzeitig aber in Afrika eine höchst umstrittene beheizte Pipeline für Erdöl Hunderte Kilometer weit durch zuvor unberührte Natur ausbaut?

Genauso engagiert, wie wir über die Deals mit Katar diskutieren – sei es beim Fußball oder bei LNG-Exporten –, sollte sich jeder Energieversorger und auch jede/r Energieverbraucher/in Gedanken darüber machen, was noch seriös ist und was Greenwashing.

Denn eines sollten wir uns immer wieder klarmachen: Selbst millionenschere Marketingkampagnen sind ein Klacks im Vergleich zu den Investitionen und den daraus entstehenden Gewinnen, die von den Konzernen getätigt und erwirtschaftet werden. Beispiele gefällig?

BP leitet ein 36-Mrd.-Dollar-Projekt in Australien namens Asian Renewable Energy Hub, wo 26 GW an Solar- und Windkraftanlagen zur H2-Erzeugung mit nachfolgender Ammoniakherstellung aufgebaut werden sollen – gegen vorherige Umweltbedenken. TotalEnergies und der indische Adani-Konzern wollen 50 Mrd. US-$ investieren, ebenfalls für die H2– und Ammoniakproduktion aus erneuerbaren Energien (30 GW). Ebenso planen Shell und Chevron vergleichbare H2-GW-Projekte. Denn natürlich profitieren diese Unternehmen davon, wenn weiterhin Moleküle gehandelt werden. H2-Moleküle sind schließlich fast wie Kohlenwasserstoffe, nur eben ohne C. Und damit ist Wasserstoff als Commodity sehr viel besser geeignet für die Weiternutzung der bisherigen fossilen Infrastruktur als Elektronen.

Wohlgemerkt ist es ja durchaus befürwortenswert, wenn große Solar- und Windkraftanlagen installiert werden, weil wir weltweit viel mehr erneuerbare Energien benötigen. Es sollte aber nicht aus dem Auge verloren werden, wie die Gewichtung im Vergleich zu den Aktivitäten mit fossilen Energieträgern aussieht. Außerdem müssen Lock-in-Effekte verhindert werden, egal ob bei LNG-Terminals in Wilhelmshaven oder bei der Weiternutzung der bisherigen erdölbasierten Infrastruktur.

Unternehmen, die ernsthaft gewillt sind, zeitnah von der bisherigen fossilen auf eine erneuerbare Energieversorgung umzuschwenken, sind ausdrücklich nicht gemeint.

Nachsatz: Meine Tochter hat vorgeschlagen, Gelder aus Greenwashing-Aktionen zu spenden.

Kommentar von Sven Geitmann

Kategorien: 2023 | Allgemein
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