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Beitrag von Sven Geitmann

18. Februar 2019

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Nur noch zertifizieren?

Faurecia
Zertifizierung lohnt sich erst, wenn BZ-Autos in Serie produziert werden

Während der IAA Nutzfahrzeuge zeigte sich, dass das Thema „Zertifizierung von H2-Druckbehältern“ längst noch nicht vom Tisch ist. Es hieß zwar bereits vor etlichen Jahren: „Die Tanks müssen nur noch zertifiziert werden.“ Aber genau das dauert nun mittlerweile schon sehr viel länger als ursprünglich erwartet, so dass aktuell in Deutschland kaum zugelassene 700-bar-Behälter vom Typ 4 zu kriegen sind.

Der wesentliche Grund dafür scheint zu sein, dass immer noch kein klares Bekenntnis eines europäischen Automobilherstellers zur Abnahme wirklich großer Stückzahlen im Pkw-Bereich vorliegt. Bislang werden von den OEMs lediglich einzelne Behälter angefordert, um diese dann testen oder in Prototypen einbauen zu können. Gleichzeitig aber stellen die Autobauer trotzdem hohe Anforderungen an die Tankbauer, indem sie beispielsweise den Bauraum, in den die Druckbehälter eingepasst werden müssen, einschränken.

Auf Seiten der europäischen Tankhersteller herrscht deswegen bereits seit Jahren erheblicher Unmut darüber, dass unter diesen Rahmenbedingungen weder eine Produktion aufgebaut werden kann noch eine wirtschaftliche Fertigung realisierbar ist, weshalb mit der Zertifizierung so lange gewartet wird, bis tatsächlich größere Stückzahlen abgefordert werden.

Im 350- und 500-bar-Bereich sieht es indes etwas anders aus: Hier sind im Typ-4-Segment kommerzielle Lösungen vorhanden. Das benötigte Speichervolumen ist hier zwar etwas größer als bei 700 bar, weil die Energiedichte aufgrund des geringeren Drucks niedriger ist. Da aber beispielsweise 350 bar vorrangig im Nutzfahrzeugsektor sowie im Schienenverkehr eingesetzt wird, wo in der Regel auch mehr Platz vorhanden ist, kann der Bauraum in diesen Fahrzeugen leichter entsprechend konfiguriert werden. 500-bar-Tanks werden vornehmlich als stationäre Speicher genutzt, weshalb bereits durchaus angemessene Produktionskapazitäten vorhanden und die Stückpreise schon gesunken sind. Es werden teilweise mehr als hundert dieser Behälter in Transportsystemen zusammengefasst und als Container-Lösung verkauft. So wird beispielsweise derzeit in Meckenheim für die Regionalverkehr Köln GmbH (RVK) eine Tankstelle aufgebaut, die über einen stationären Container mit über 162 einzelnen Druckbehältern verfügt (500 bar, H2-Gesamtgewicht: 1 t).

In Asien wurden die oben benannten Probleme bereits gelöst: Toyota hat eine eigene Behälterproduktion aufgebaut und verwendet seine 700-bar-Tanks auch in den konzerneigenen Sora-Bussen, so dass auf diesem Weg entsprechende Stückzahlen generiert werden. Hyundai hat einen asiatischen Behälterhersteller an der Hand, der aufgrund der wachsenden Produktionszahlen des Nexo Planungssicherheit hat. Demgegenüber ist jedoch gerüchteweise aus dem Stuttgarter Raum zu hören, dass dort vorerst nicht wesentlich mehr als 1.000 Behälter benötigt werden und nach dem Bau einiger weniger Wagen mit Brennstoffzellenantrieb erst einmal wieder Produktionspause gemacht wird (s. S. 35).

Vonseiten der Speicherfirmen kam dementsprechend die Rückmeldung, die ewigen Verschiebungen bei den Einführungsterminen von deutschen Brennstoffzellenautos lägen nicht an den Behältern. Die seien nicht der Flaschenhals. Eine Zertifizierung sei innerhalb von etwa zwölf Monaten realisierbar.

Das Zentrum für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) in Duisburg hat indes festgestellt, dass im Bereich der Druckbehälter noch einiges mehr zu tun ist. Deswegen plant es gemeinsam mit der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) einen Workshop in Berlin, zu dem Behälterbauer aus ganz Deutschland eingeladen werden sollen. Dort soll unter anderem geklärt werden, ob es tatsächlich erforderlich ist, Druckbehälter alle fünf Jahre wieder aufwändig auszubauen und einer Flüssigkeitsdruckprüfung mit Wasser zu unterziehen.

Nicht ohne Grund startete auch das Bundesverkehrsministerium kurz vorm Jahresende noch ein Projekt mit dem Namen Delfin, das sich mit der Entwicklung eines kosten- und gewichtsreduzierten Drucktanks befasst. Nach Meldung des BMVI werden rund 7,5 Mio. Euro Fördergelder investiert, um „eine wesentliche Barriere für den Markthochlauf der Technologie auszuräumen“. Bemerkenswert ist, dass neben BMW, der Daimler-Tochter NuCellSys und Nproxx auch Ford mit an dem Projekt arbeitet, obwohl der US-Konzern schon lange nichts mehr über etwaige Brennstoffzellenaktivitäten hatte verlautbaren lassen.

Wie es scheint, gibt es hier noch einigen Klärungsbedarf.

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2 Kommentare

  1. Joe Schmidt

    Wow!
    28Jahre intensive Forschungs- uns Entwicklungsarbeit!
    28Jahre intensive PR- und Lobbyarbeit!
    Die Ergebnisse sind allerdings recht überschaubar, denn die Physik lässt sich nicht betrügen. Nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch ökonomisch und okologisch sinnvoll.
    Das H2-BSZ-Kfz gehört dazu, denn für mobile Anwendung (!) ist H2 mit seinem geringen Energiegehalt /Volumeneinheit offensichtlich ungeeignet.
    Ja, H2 hat kein Gewichtsproblem.
    H2 hat ein offensichtliches Platzproblem.
    Denn selbst 700bar Drucktanks (Autoreifen 2-3bar) ermöglichen gerade so Reichweiten, die aktuelle vollelektische PKW längst erreichen.
    Auch die schnelle Betankung wird zur Farce, wenn das zweite Kfz erst 15…20min warten muss, bis wieder ausreichend Druck aufgebaut werden kann. Klar ist so etwas auch technisch lösbar – aber eben nur mit zusätzlichem Aufwand – siehe oben.
    Die vorgeschriebenen Prüffristen verlängern – das senkt nur marginal die Kosten – zu Lasten der Betriebssicherheit. H2 /die BSZ kann in den Anwendungsgebieten erfolgreichwerden, wo keine Platznot besteht – also eher stationär.

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  2. Arno A. Evers

    Die Wasserstoff- und Brenstoffzellen-Leute, speziell in Deutschland,
    aber auch in anderen Laendern, liegen viel weiter zurueck,
    als man/frau es sich vorstellen kann.
    Das zeigt auch dieser Artikel wieder sehr deutlich.
    Da hilft das jahrzehntelange PR-Blah-Blah der “Industrie”,
    die ja in Wirklichkeit gar keine ist, auch nicht allzu viel.
    Lasst uns alle auf der Hannover Messe 2019 treffen,
    um endlich wirkliche Alternativen zu besprechen
    um sie dann gemeinsam in Angriff zu nehmen.
    Mehr hier: http://www.hydrogenambassadors.com/projects.html

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