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Beitrag von Sven Geitmann

12. Juni 2018

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Extreme Exklusivität

TesTneT Ix35

Der ix35 von TesTneT


Die Hersteller von Premiumautos machen es vor: Limitierte Auflagen von Sondermodellen bieten Exklusivität und steigern die Attraktivität der Marke – offenbar ein erfolgreiches Konzept. Möglicherweise ist dies der Weg, wie deutsche OEMs auch Fahrzeuge mit Zukunftstechnologie etablieren wollen. Diesen Eindruck bekam jedenfalls die TesTneT Engineering GmbH, als deren Mitarbeiter nach Brennstoffzellenfahrzeugen deutscher Hersteller suchten, stattdessen aber nur auf die Spitze getriebene Exklusivität vorfanden: „Es gibt ein paar Prototypen und zahlreiche Ankündigungen, aber definitiv kein einziges Auto, das ein Normalbürger einfach so fahren, geschweige denn kaufen könnte – weder für Geld noch für gute Worte.“ Hier ist ihr Erfahrungsbericht.
Da wir aber aus verschiedenen Gründen ein Brennstoffzellenfahrzeug als Firmenwagen haben und fahren wollten, haben wir unsere Wünsche an die Möglichkeiten angepasst und einen Hyundai ix35 fuel cell gekauft. Das ging verblüffend einfach: Wir hatten eine der gängigen Online-Autobörsen geöffnet, bei der Kraftstoffart „Wasserstoff“ ausgewählt, einen der aufgelisteten Händler kontaktiert, gut 40.000 Euro für eine sogenannte Tageszulassung überwiesen. Ein paar Tage später bekamen wir ein Auto mit eingebauter Zukunft auf den Hof gestellt.
Anmeldung und Versicherung waren kein Problem. Hier hat Linde mit seiner BeeZero-Flotte in München bereits ausgetretene Pfade hinterlassen. So konnten wir nach der Anschaffung einiger CEP-Tankkarten ganz einfach losfahren. Und seitdem sind wir gefahren und gefahren, in den ersten neun Monaten etwa 24.000 km. Weder Fahrzeug noch Infrastruktur haben währenddessen Probleme bereitet.
Natürlich mussten wir bei manchen Touren die Reiseroute an das zwar wachsende, aber immer noch eingeschränkte Tankstellennetz anpassen und natürlich gibt es Dienstreisen, die mit verfügbaren Tankstellen in Kombination mit der tatsächlichen Reichweite des Hyundai nicht darstellbar waren, weshalb wir diese mit einem konventionellen Fahrzeug absolvieren mussten. Das ist wohl der Preis der Exklusivität, immerhin geht es bisher um einen kleinen Zirkel von nur etwa 300 FCEVs in Deutschland. Kleinigkeiten wie das Fehlen eines Tempomats und die geringe Größe des Akkus, was zum frühzeitigen Aussetzen der „Motorbremse“ bei Bergabfahrten führt, sind Schönheitsfehler, die in künftigen Fahrzeuggenerationen behoben sein dürften.
Insgesamt hatten wir aber mit höheren Hürden und schmerzhafteren Nachteilen gerechnet. Die Realität hat uns hier positiv überrascht.
Ahnungslosigkeit und Unverständnis
Überrascht haben uns auch immer wieder die Kommentare aus unserem Umfeld: Einerseits haben wir große Begeisterung und ehrliche Bewunderung von Vertretern der Wasserstoffszene erlebt, andererseits offenes Unverständnis und weitgehende Ahnungslosigkeit von vielen anderen. Bemerkenswert ist, dass sogar technisch Interessierte anscheinend meist nicht wissen, dass ein Brennstoffzellenfahrzeug einen Elektro- und keinen Verbrennungsmotor besitzt, dass Wasserstoff als Gas und nicht als Flüssigkeit mitgeführt wird, dass die Energiezufuhr in wenigen Minuten und nicht über Stunden erfolgt, dass ein Brennstoffzellenfahrzeug der natürliche Partner und nicht der Feind des Batteriefahrzeugs ist, usw.

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Autor: Dr. Marius Herr, TesTneT Engineering GmbH, München

4 Kommentare

  1. Joe Schmidt

    “Der H2 Preis an der Tankstelle ist ein politischer Preis – im gleichen Rahmen wie Benzin und Diesel. Nicht mehr wie auch Steckdosenstrom oder Petroleum.”
    Was Sie damit ausdrücken wollen, bleibt mir leider verborgen. Denn währen die Endkunden von Strom, Benzin und Diesel über die hohe staatliche (politische) Abgabenlast klagen, ist H2 von einem Großteil dieser Belastung verschont (subventioniert). Wenn der Staat damit H2 fördern will, sind die heutigen 9,50€/kg für Wasserstoff, der zu >95% aus fossilem Erdgas hergestellt wird natürlich ein politischer Preis.
    Schlimm nur, wenn dies die kommende Mobilität sein soll. Denn dann darf ich bei mehrfach teurerer Herstellung von H2 aus erneuerbaren Energien zukünftig mit >30€/100km Fahrstrecke rechnen?!?
    An dieser Stelle ist das (unlösbare) Problem mit (mobilem) Wasserstoff!

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  2. Dr. Artur Braun

    Wie ich schon an anderer Stelle sagte.
    Es gibt im grossen und ganzen keine Energie, die nicht subventioniert wurde.
    Der H2 Preis an der Tankstelle ist ein politischer Preis – im gleichen Rahmen wie Benzin und Diesel. Nicht mehr wie auch Steckdosenstrom oder Petroleum.
    Wer mit Batterien fahren will, soll das gerne tun.
    Ich fahr’ mit Wasserstoff.
    Auch wenn ich keine Aktien auf H2 oder Hyundai habe oder damit sonstwie meinen Erwerb sichern wollte.

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  3. Joe Schmidt

    Hallo Hr. Braun,
    nicht, dass ich Ihre Begeisterung nicht nachvollziehen könnte – ich bin den Toyota Mirai auch schon gefahren. Ein tolles Stück Technik!
    Aber Sie berichten ehrlicherweise nicht nur von den 3min Tankdauer, die auch mal 5min werden können oder auch 15min (wie bei einer Testfahrt im manager-magazin), wenn die Pumpen nicht mehr neu sind, sondern auch von den 60€, die bei sparsamer Fahrt für 600km fällig werden. Dabei wird auf H2 noch nicht einmal Energiesteuer (früher Mineralölsteuer) erhoben …
    Wie sieht es beim Batterieauto aus?
    Bei hohen 20kWh/100km Verbrauch und einem hohen Strompreis von 28Ct/kWh fahren Sie die 600km für 33,60€ …
    Damit wir das richtig Einordnen: Ein Hyundai Ioniq hat einen realen durchschnittlichen Verbrauch von 13-15kWh/100km. Geladen wird oft daheim und der Zeitaufwand beschränkt sich auf 2x 10sek für an- und Abstecken des Kabels.
    Es ist nicht nur die teure Technik, das Platin oder der zusätzliche Platz- und Gewichtsbedarf für die Wasserstofftechnik – es ist schlicht die Ökonomie, die gegen mobilen Wasserstoff spricht. Denn nicht nur die H2-Herstellung ist eben teuer, sondern auch die notwendige 700bar Druckbetankung. H2 hat eine sehr geringe Energiedichte je Volumeneinheit. Diesen Nachteil auszugleichen kostet zusätzlich Energie und Geld – Physik ist unbestechlich.

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  4. Dr. Artur Braun

    Sehr guter Beitrag.
    “offenes Unverständnis und weitgehende Ahnungslosigkeit”
    Das deckt sich mit meinen Erfahrungen.
    Ich benutze den einzigen Hyundai meines Arbeitgebers für gelegentliche Geschäftsfahrten schweizweit und europaweit und lege Wert darauf, dass ich User bin und nicht Entwickler, also wirklich “Automobilist”.
    Das Kreisen um die wenigen H2-Tankstellen in der Schweiz, 1 öffentlich und ca. 3 andere nicht-öffentlich, reizte mich und ich wollte zeigen, dass man auch über Hüpfen von Tankstelle zu Tankstelle ausser Landes und schliesslich quer durch Europa fahren kann.
    Meine erste grosse Fahrt von Zürich nach Berlin Anfang 2017 musste ich noch per Internet-Recherche planen. Die neue Mobiltelefon App H2live von H2-mobility ist extrem hilfreich. Jetzt sieht man sofort, wo die nächste H2-Tankstelle steht. Von Norwegen bis Italien.
    Damit ist auch die Achse Nordsee-Mittelmeer nun erschlossen, ebenso die Ostsee. Wer mit Wasserstoff von Berlin, Hamburg, Amsterdam oder Paris nach Venedig will, kann das tun, und er kommt auch wieder nach Hause zurück. Die Alpenpässe sind für die H2-Autos kein Problem.
    Der Vorteil beim Hyundai ix35 fuel cell ist, dass man ihn direkt mir den anderen ix35 vergleichen kann, welche mit Ottomotor und Dieselmotor betrieben werden. Ein typisches Auto, wie es in USA die soccer moms fahren. Der mit H2 betriebene Toyota Mirai erinnert eher an die sportliche Form eines Tesla.
    Vielen ist nicht bewusst, dass man sich diese Autos beim Händler vor Ort direkt bestellen kann. Das ist für den Fahrer ein normales Auto. Nur, dass es keinen Krach macht und auch nicht stinkt. Volltanken dauert 3 Minuten, vielleicht auch mal 5 Minuten.
    Volltanken kostet um die 50 bis 60 Euro oder Franken. Damit kommt man bei vorausschauendem Fahren bis zu 600 km weit.
    Ich will aber ehrlich sein und nicht verschweigen, dass ich neulich auf meinem langen Weg von Zürich bis zur Nordsee 4 Vorfälle an H2-Tankstellen hatte, die meine Fahrt um insgesamt 3 1/2 Stunden verzögerten. Dafür war meine Fahrt nach Süd-Tirol und Venedig diese Woche eine Wonne.
    Zweimal hörte ich bisher von Interessierten Leuten; “Ich habe mal eine *dumme* Frage – was ist denn unter der Motorhaube?” Dabei ist das genau die richtige Frage.
    Der *Motor* ist die Brennstoffzelle, und die versorgt die Elektromotoren mit Strom. Das FCEV ist also ein Elektromobil. Und leider kann man bei H2-Knappheit nicht Erdgas oder Benzin “bei-tanken”, damit man zur nächsten Tankstelle kommt. Aber das H2-Netz wird imer dichter.
    Für einen belasteten Familienvater sind die H2-Autos wahrscheinlich derzeit noch weniger erschwinglich (obwohl der ix35 ein geräumiges Familienauto ist); aber Geschäftsleute, Unternehmer, Selbständige mit entsprechendem Betriebseinkommen und Steuerabzügen interessieren sich immer mehr für diese Autos, wie ich unterwegs durch Nachfragen erfahre. An öffentlichen Tankstellen kamen mehrfach Leute auf mich zu, u.a. ein selbständiger Taxifahrer. Hotels interessieren sich für diese Autos. Denn das sind saubere Lösungen für den Personentransport. Ein H2-Shuttle ist im Winter warm. Bei Batterieautos wäre ich mir da nicht so sicher.
    Bei Rotterdam haben der niederländische Zoll und die Hafenbehörde einen H2 Hyundai, und in Süd-Tirol Polizei und Carabinieri auch.
    Hätte ich das nötige Extra-Geld für die H2-Version des Hyundai ix35, dann würde ich mir den sofort und absolut ohne Bedenken kaufen. Mein Kollege in Kalifornien hat den Toyota H2 Mirai – er ist glücklich mit seinem Brennstoffzellenauto.
    Der neue H2 Nexo von Hyundai hat wohl mehr PS und grössere Reichweite beim gleichen Preis, wenn ich nicht irre.
    Der einzige Wermutstropfen – für mich als Deutscher – bei der ganzen Wasserstofffahrerei ist, dass Mercedes und BMW offenbar noch pennen …

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