Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

9. August 2017

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H2-Pipelinenetz ist bezahlbar

Pipeline

H2-Pipelinenetz zur Versorgung von 75 % des deutschen Straßenverkehrs


Die Bundesregierung hat klare Ziele zur Reduktion der Treibhausgase gesetzt: Bezogen auf 1990 sollen die Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 %, bis zum Jahr 2030 um 55 %, bis zum Jahr 2040 um 70 % und bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 % reduziert werden. Dies soll unter anderem dadurch erreicht werden, dass der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2050 auf mindestens 80 % steigt. Für Deutschland sind die fluktuierenden erneuerbaren Energien (FEE: Photovoltaik, Onshore- und Offshore-Windenergie) aufgrund ihrer großen Potentiale von besonderer Bedeutung und werden daher den zukünftigen Stromsektor dominieren. Dabei führen sie zu signifikanten negativen Residuallasten (Überschussleistung). Diese können allerdings mittels Sektorkopplung beispielsweise im Transportsektor genutzt werden. In einer Studie wurde nun untersucht, wie mögliche Szenarien aussehen könnten, um mittels Sektorkopplung die Ziele der Bundesregierung für das Jahr 2050 zu erreichen.
Die Besonderheit der bei dieser Studie gewählten Herangehensweise liegt in dem Einsatz neuartiger Modelle, die entsprechend den jeweiligen Anforderungen einen hohen Detaillierungsgrad ermöglichen. Die zu betrachtenden komplexen und hochdynamischen Systeme wurden dafür in verschiedenen Teilmodellen betrachtet und mit hoher zeitlicher Auflösung beziehungsweise mit hohem physikalisch-technischem Detaillierungsgrad möglichst präzise mathematisch beschrieben. Demgegenüber wurden für die Bewertung der Konzept- und Szenarioentwürfe vornehmlich ganzheitliche Modelle eingesetzt, die über einen reduzierten Detaillierungsgrad verfügen. Auf dieser Grundlage wurde ein mögliches zukünftiges Energieversorgungskonzept entwickelt und verifiziert, das auf regenerativen Energien basiert und das sowohl technisch als auch ökonomisch die Möglichkeit bietet, eine substantielle Treibhausgasminderung für Deutschland erzielen zu können, indem der Strom- und der Transportsektor über eine geeignete Gasinfrastruktur miteinander verknüpft werden.
Unter Residuallast wird die Netzlast abzüglich der Einspeisung nichtsteuerbarer Kraftwerke verstanden, wie es beispielsweise bei der fluktuierenden erneuerbaren Stromproduktion der Fall ist. Ist die Residuallast positiv, müssen steuerbare Anlagen (z. B. Gas- oder Kohlekraftwerke) die verbleibende Last decken. Für die negativen Residuallasten bietet sich hingegen aufgrund der Speicherfähigkeit von Wasserstoff der Pfad über Power-to-Gas an.
Ausreichend Energie wäre vorhanden
Bei der Betrachtung wurden beispielsweise die Residuallasten in 11.268 Gemeinden analysiert und bis zum Jahr 2050 stündlich berechnet. Darüber hinaus wurde das elektrische Höchstspannungsnetz dargestellt inklusive verschiedener Ausbaustufen. Auf diese Weise konnte dargestellt werden, dass insbesondere im Norden Deutschlands (s. Abb. 1: blaue Gebiete) die negativen Residuallasten zu finden sind, während die positiven Residuallasten insbesondere in Städten oder in Gebieten mit hohem Industrieanteil (rote Gebiete, z. B. in Nordrhein-Westfalen) zu finden sind.

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Bemerkenswert ist, dass die Überschussenergie selbst bei einem perfekt ausgebauten Netz – wenn also angenommen würde, Deutschland läge auf einer Kupferplatte – und unter Berücksichtigung der bestehenden Pumpspeicherkraftwerke noch 191 TWh betragen würde, woraus dann rund 4,0 Mio. t Wasserstoff hergestellt werden könnten.
Stellt man nun diese Zahl in Relation zu der Wasserstoffmenge, die zukünftig im Mobilitätssektor benötigt werden könnte, ergibt sich folgendes Bild: Um rund drei Viertel des deutschen Straßenverkehrs mit Wasserstoff zu versorgen, würden nur 2,93 Mio. t Wasserstoff beziehungsweise 28 GW an installierter Elektrolyseleistung in 15 Landkreisen (im Norden Deutschlands) benötigt. Die für den Transport erforderliche Transmissionspipeline, die von diesen 15 Landkreisen zu den 9.968 Tankstellen ginge, hätte eine Länge von 12.104 km. Für ihren Bau würden Kosten in Höhe von 6,68 Mrd. € anfallen. Die zusätzlich notwendige Distributionspipeline hätte eine Länge von 29.671 km bei Kosten in Höhe von 12 Mrd. € (s. Abb. 2). In diese Berechnung sind neben den Standorten der negativen Residuallasten auch verschiedene Markteinführungsszenarien der Brennstoffzellenfahrzeuge eingegangen.
 


Pipeline wäre finanzierbar
Neben diesen Markteinführungsanalysen wurden zudem mögliche Share- und Stakeholder einer Wasserstoffinfrastruktur identifiziert und analysiert. Potentielle Akteure, die finanziell beim Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur mitwirken könnten, sind beispielsweise der deutsche Staat, Versicherungen, Staatsfonds oder Pensionsfonds. Weiterhin zeigte die Analyse, dass es keinen Kapitalengpass zur Finanzierung einer Wasserstoffinfrastruktur gibt, vielmehr muss das Kapital über langfristig wirtschaftliche Geschäftsmodelle beschafft werden. Beispielsweise besitzen
  • die 15 weltweit größten Staatsfonds ein Vermögen von 5.386 Mrd. €,
  • die 15 weltweit größten Versicherungen eine Bilanzsumme von 9.003 Mrd. €,
  • die 23 größten Pensionsfonds in Deutschland ein Vermögen von 27 Mrd. €.


Der Autor dieses Berichts wurde im Sommer 2016 für seine Dissertation mit dem DWV-Innovationspreis ausgezeichnet und bedankt sich ausdrücklich für die sehr gute Unterstützung während seiner Promotionszeit beim Institut für elektrochemische Verfahrenstechnik (IEK-3) von Prof. Dr.-Ing. Detlef Stolten.
Autor: Dr. Martin Robinius, Forschungszentrum Jülich

4 Kommentare

  1. Hermann M.

    Mit einer einseitigen Betrachtung kann man jede Technik rauf- oder runterschreiben. Wenn ich mir den Lebenslauf und die Tätigkeitsschwerpunkte des Autoren ansehe, kann ich mich des Eindrucks der Einseitigkeit nicht erwehren.
    Alleine die Vorstellung, über 40.000 km H2-Pipeline alleine in Deutschland bauen zu wollen, ist an Absurdität nicht zu überbieten.

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  2. Eitel Heck

    Ich bitte um Beantwortung folgender Fragen:
    1.Wieviel Elektrolyseanlagen mit welchem Investionsaufwand zur Ökowasserstoffherstellung aus den Stromspitzen aller Windkraftanlagen sind notwendig?
    2.Wie erfolgt der weitere Einsatz des Ökowasserstoffs?
    2.1Einspeisung in das Erdgasverbundsystem?
    Welche konkrete Entscheidung gibt es zur Wasserstoffmenge in %, ,die gemäß sicherheitstechnischer Vorschriften eingespeist werden kann.
    2.2 Weiterverarbeitung zum synthetischen Methan und Einspeisung des Methans in das Erdgasverbundsystem,
    Wieviel Methananlagen mit welchem Investitionsaufwand müssen gebaut werden?
    2.3 Weiterverarbeitung des Ökowasserstoffs zu Methanol mit Darstellung der Einsatzmöglichkeiten des Methanols,
    .Müssen Anlagen zur Methanolherstellung mit welchem Investitionsaufwand neu gebaut werden oder können vorhandene Anlagen genutzt werden?.
    2.5 Einsatzmöglichkeit des Methanols in der Direkt-Methanol-Brennstoffzelle für die Stromerzeugung oder Kraftverkehr?
    2.6 Einsatz des Ökowasserstoffs in Wasserstoff-Brennstoffzellen?
    .Kraftverkehr?
    .zur Stromerzeugung?

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  3. Carl-D.A. Lewerenz

    Wasserstoff auch für die Haus-Energie-Versorgung
    Irgendein Energieversorger in irgendeiner Region wird mit der Umstellung von Fossil-Methan (“erdgas”) auf Wasserstoff anfangen. Ein Praxis-Test mit 10% (statt der vom DVGW vorgeschriebenen 2% Maximum) in Klanxbüll-Neukirchen war positiv. Bei weiter durch Skalen-Effekte fallenden Preisen für Brennstoffzellen-Systeme werden diese für die Hausenergie-Versorgung immer interessanter.
    Einen besonderen Schub wird es geben, wenn wegen Umstellung der Gas-Versorgung auf Wasserstoff im Heizungs-Keller keine Reformer-Einheit mehr benötigt wird.
    Auch die Spitzenlast-Wärme-Versorgung könnte bei gut gedämmten Gebäuden in Zukunft von weiteren in Reihe geschalteten (dann billigen) Brennstoffzellen-Systemen übernommen werden.
    Zu Winter-Zeiten mit Tiefst-Temperaturen würde der Strom der zusätzlichen Brennstoffzellen ebenfalls zu Heiz-Zwecken genutzt werden. Hierfür genügte ein elektrischer Heizstab nach dem Tauchsieder-Prinzip im Heizungs-Warmwasser.
    Ein teurer “Spitzenlast-Kessel” wäre entbehrlich.
    Windstrom-Wasserstoff als Energieträger muss nicht importiert werden mindert also die Abhängigkeit von Importen und verringert die Treibhausgas-Emissionen von etwa 550 g/kWhelektrisch bei Fossil-Methan auf nahe Null.

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  4. Artur Braun

    Mein Kollege wollte demnächst nach Dresden fahren und fragte mich nach dem Verbrauch unseres Hyundai ix35 Fuel Cell.
    Von Zürich nach Dreseden mit Wasserstoff geht derzeit nur über Berlin. Zwischentanken in Nürnberg, nochmal tanken in Berlin, dann 200 Kilometer nach Dresden und die restlichen 300 Kilometer wieder nach Nürnberg. 500 Kilometer schafft man mit einem 700-bar vollen Tank, wenn man es mit der Geschwindigkeit nicht übertreibt.
    Den Umweg über Berlin – den man durchaus geniessen könnte! – werden wir uns sparen können, glauben wir den Plänen von H2-Mobility, die bis 2023 in Deutschland 400 H2-Tankstellen bauen/betreiben will.
    Dass man über grosse Distanzen besser Wasserstoff transportiert und nicht elektrischen Strom, denn dann sind die Verluste kleiner, das zeigte schon Franz Lawaczeck vor 100 Jahren.
    Hierauf hatte Bockris 1972 http://science.sciencemag.org/content/176/4041/1323 und auch noch einmal 2002 http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0360319901001549 hingewiesen.
    Aber warum produziert man den Wasserstoff nicht schon “an Ort und Stelle”?
    In Deutschland stehen rechts und links der Autobahnen die Stromquellen mit Sonne und Wind zur Verfügung. Ein Elektrolyseur dazu – und los geht’s, oder?

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