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Beitrag von Sven Geitmann

9. September 2015

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Alstom und Ballard drängen auf die Schiene

Birmingham

Die erste europäische Lok war dieser Hydrogen Pioneer der Universität Birmingham 2012. (Foto: J. Oberndorf)


Im Schienenverkehr hatten Brennstoffzellen bislang nur wenig Bedeutung. In diesem Frühjahr hat jedoch das ostchinesische Unternehmen CSR Qingdao Sifang Co., Ltd. eine Straßenbahn vorgestellt, die mit Wasserstoff angetrieben wird. Die neue H2-Tram, die über ein Brennstoffzellensystem von Ballard verfügt, lief am 19. März 2015 in der Hafenstadt Qingdao vom Band. Demgegenüber erscheinen all die bisherigen Versuche, Brennstoffzellen auf die Schiene zu bringen, lediglich als zögerliche erste Anläufe.
CSR Qingdao Sifang ist ein Tochterunternehmen von China South Locomotive & Rolling Stock Corp. Ltd. (CSR), das als weltweit größter Hersteller elektrischer Lokomotiven gilt. In seiner Produktions- und Teststätte in Qingdao entwickelten die Mitarbeiter eine Brennstoffzellen-Straßenbahn, die über eine Reichweite von 100 km verfügt und mit 380 Passagieren bis zu 70 Stundenkilometer fahren kann. Die Betankungsdauer ist laut Liang Jianying, dem dortigen Chef-Ingenieur, ähnlich wie bei BZ-Autos: In drei Minuten sind die Tanks voll.
Das Brennstoffzellensystem für diese Tram basiert auf der FCvelocity® von Ballard Power Systems und ist im Niederflurboden integriert. Randy MacEwen, Präsident des kanadischen BZ-Herstellers, erklärte Anfang April 2015: „Dies ist eine hochinteressante Demonstration unserer weltweit führenden Brennstoffzellenmodule in einer neuen Anwendung. Einer sauberen, urbanen Mobilität kommt in China eine hohe Priorität zu, und dieser Zero-Emission-Prototyp einer Brennstoffzellen-Straßenbahn ist ein wichtiger Schritt, um eine Lösung zu demonstrieren.“ MacEwen zeigte sich weiterhin erfreut darüber, dass bereits wenige Monate nach der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung und nach dem Eingang des Auftrags die Tram fertiggestellt werden konnte.
Allerdings gibt es auch in Europa nennenswerte Versuche, BZ-Systeme im Schienenverkehr nutzbar zu machen. So hatte das in Frankreich ansässige Unternehmen Alstom während der InnoTrans 2014 in Berlin, der Leitmesse für Verkehrstechnik, verkündet, in vier deutschen Bundesländern emissionsfreie Schienenfahrzeuge in Betrieb nehmen zu wollen. Zur Unterzeichnung der Absichtserklärungen waren die entsprechenden Minister aus Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mitsamt den Vorständen der Verkehrsunternehmen in der Hauptstadt erschienen.
Gefördert wird dieses Vorhaben durch das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP). Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, sagte deswegen: „Im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms ist dies ein Pioniervorhaben: Die erste Anwendung der Brennstoffzellentechnologie für den Verkehrsträger Schiene. Wenn es gelingt, den Nachweis der Alltags- und Einsatztauglichkeit der Technologie zu erbringen, haben wir eine echte emissionsfreie Antriebsalternative.“
Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Michael Groschek erklärte: „Der Brennstoffzellenzug der Firma Alstom fährt genau in die richtige Richtung!“ Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir fügte hinzu: „Antriebe, die auf Energiespeicher wie zum Beispiel Wasserstoff zurückgreifen, werden zu Bindegliedern in einem vernetzten Energieversorgungssystem.“ Henri Poupart-Lafarge, Präsident von Alstom Transport, sagte damals etwas voreilig: „Unsere Züge werden die weltweit ersten mit Brennstoffzellentechnik für den regulären Fahrgastbetrieb sein.“ Wahrscheinlich wusste er zum Zeitpunkt dieser Äußerung im September 2014 noch nichts von dem oben geschilderten kanadisch-chinesischen Schienenfahrzeug.
Die praktische Erprobung von zwei BZ-Bahn-Prototypen von Alstom ist für das Jahr 2018 in Niedersachsen vorgesehen. Entwicklung und Bau erfolgen im Kompetenzzentrum für Regionaltriebzüge von Alstom in Salzgitter. Die Brennstoffzellen dafür werden von Hydrogenics geliefert. Die Unterzeichnung einer entsprechenden Absichtserklärung erfolgte am 27. Mai 2015. Darin wurde vereinbart, dass sowohl die Entwicklung als auch die Kommerzialisierung in den kommenden zehn Jahren gemeinsam von Alstom Transport und Hydrogenics durchgeführt wird. Das Volumen dieses Auftrags wird auf 50 Mio. Euro beziffert und beinhaltet mindestens 200 Antriebssysteme, die auf Hydrogenics‘ HD-Serie basieren werden, inklusive Service und Wartung. Die ersten BZ-Systeme sollen 2016 an Alstom geliefert werden.
Daryl Wilson, Geschäftsführer von Hydrogenics, erklärte: „Wasserstoff nimmt weiterhin eine wachsende Bedeutung ein bei der Abmilderung der Energie- und Verschmutzungsprobleme, die auf fossilen Kraftstoffen basierender Transport weltweit erzeugt. Die Elektrifizierung des Schwerlasttransports ermöglicht demgegenüber effiziente, saubere, wasserstoffbasierte Energielösungen.“
Keine Elektrifizierung?
Die Alstom-Ankündigung führte dazu, dass in Hessen eine Diskussion losgetreten wurde, ob denn nun die geplante Elektrifizierung des Schienennetzes weitergeführt wird oder nicht. Prof. Knut Ringat, Geschäftsführer des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV), hatte in einem Interview auf die Frage, wo denn künftig die neuen Züge eingesetzt werden sollen, erklärt: „Wenn Sie auf das Liniennetz des RMV schauen, dann gibt es drei Linien, die noch nicht unter Fahrdraht sind.“ Dies sind beispielsweise die beiden Linien der Taunusbahn nach Königstein und Grävenwiesbach. Gegenüber der Taunus-Zeitung erklärte eine RMV-Sprecherin jedoch: „Das Pilotprojekt für die Erprobung der Brennstoffzellentechnik erfolgt unabhängig von der geplanten Elektrifizierung der Taunusbahn. Die steht weiterhin auf der Agenda.“
Neben diesen kurz vor der Realisierung stehenden Vorhaben gibt es auch Beispiele, die populär angekündigt wurden, dann aber auf halber Strecke eingestellt wurden. So hatte beispielsweise die Deutsche Bahn AG am 10. August 2009 in Anwesenheit des damaligen Bundesaußenministers Dr. Frank-Walter Steinmeier eine Auftaktveranstaltung zur Errichtung ihres neuen DB Eco Rail Centers abgehalten. Das Kompetenzzentrum, das nach DB-Angaben „eines der modernsten der Welt für Bahntechnologie“ sein würde, sollte in Brandenburg-Kirchmöser entstehen. Eines der ersten Forschungsobjekte sollte der New Energy Train sein, eine mit Hilfe von Solarenergie und Wasserstoff betriebene Bahn (s. HZwei-Heft Okt. 2009). Heute ist davon nichts mehr zu hören.
Zudem gab es auch zeitlich befristete Einzelvorhaben beispielsweise in Japan, wo im Rahmen eines Testprojekts erste umgebaute Waggons mit Brennstoffzellenantrieb fuhren. In Südafrika arbeiteten BZ-Grubenlokomotiven unter Tage, und eine BZ-Rangierlok ging 2009 in den USA in Dienst. Hiervon ist heute ebenfalls nichts mehr zu hören.

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